Porsche und VW: Betriebsräte kämpfen um Zukunftssicherung
08.12.2025 - 09:40:12Bei Porsche und Volkswagen eskalieren Konflikte um Stellenabbau und Standortschließungen. Gleichzeitig verändern KI-Tools und neue Gesetze die Rolle der Betriebsräte grundlegend.
Die deutsche Mitbestimmung steht vor ihrer Bewährungsprobe. An diesem Montag spitzen sich die Konflikte zwischen Management und Arbeitnehmervertretern in der Automobilindustrie dramatisch zu – mit weitreichenden Folgen für Zehntausende Beschäftigte.
Von Stuttgart bis Dresden brodelt es in den Betrieben. Während Porsche ein neues Sparprogramm durchdrücken will, steht bei Volkswagen die Zukunft des Dresdner Standorts auf dem Spiel. Gleichzeitig verschieben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen: Künstliche Intelligenz und digitale Überwachung definieren neu, was Mitbestimmung im Jahr 2025 bedeutet.
Porsche: Der Kampf um die Jobgarantie bis 2035
Am härtesten kracht es derzeit bei Porsche. Der Gesamtbetriebsrat und die Konzernführung liefern sich einen erbitterten Schlagabtausch, seit das Management Ende vergangener Woche sein verschärftes Effizienzprogramm vorlegte – intern „Zukunftspaket” genannt.
Die Rechnung ist brutal: 3,1 Milliarden Euro zusätzliche Belastung durch die Rückkehr zum Verbrennergeschäft und allgemeine Restrukturierung. Um diese Lücke zu schließen, plant der Vorstand tiefe Einschnitte. Ganze Verwaltungsabteilungen sollen ausgelagert, Jubiläums- und Sonderzahlungen gestrichen und Betriebsrentenbeiträge gekürzt werden.
Betriebsräte stehen 2025 vor neuen Herausforderungen – besonders bei KI-gestützter Überwachung und Standortabbau. Wer seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG kennt, kann Eingriffe in Datenschutz, Leistungsüberwachung und Personalplanung wirkungsvoller abwehren. Das kostenlose E‑Book erklärt Paragraph für Paragraph, welche Rechte Betriebsräten zustehen, wie Einigungsstellen und Sozialpläne strategisch genutzt werden und welche Formulierungen Verhandlungen stärken. Jetzt das Betriebsverfassungsgesetz kostenlos herunterladen
Ibrahim Aslan, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, hat am Wochenende eine klare Grenze gezogen. „Wir befinden uns zwar in der Informationsphase, aber unsere Position ist nicht verhandelbar”, ließ Aslan am Freitag verlauten. Die Forderung der Belegschaft: eine rechtsverbindliche Beschäftigungsgarantie bis 2035. Aktuell läuft der Schutz für rund 23.000 Mitarbeiter in Zuffenhausen und Weissach nur bis 2030.
Kann Aslan den Druck aufrechterhalten? Nach Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat unternehmerische Entscheidungen nicht direkt blockieren. Doch bei sozialen Angelegenheiten und Personalplanung (§ 87 und § 92 BetrVG) verfügt er über massive Mitspracherechte – genug, um Kürzungen empfindlich zu verzögern oder umzugestalten.
VW Dresden: Protest ohne Perspektive
In Dresden läuft unterdessen die Produktion des ID.3 in der „Gläsernen Manufaktur” aus. Mehr als 300 Beschäftigte wissen nicht, wie es nach 2025 weitergeht. Und das Management schweigt.
Vergangene Woche kochte die Stimmung über. Bei einer Betriebsversammlung am Donnerstag und Freitag konnte VW-Markenchef Thomas Schäfer kein konkretes Zukunftskonzept präsentieren. Trotz vollmundiger Versprechen aus 2024 steht der Standort ohne Roadmap da.
Daniela Cavallo, Vorsitzende des VW-Gesamtbetriebsrats, teilte am Freitag hart aus: „Die Belegschaft der Gläsernen Manufaktur hat dieselbe Erwartung wie der Gesamtbetriebsrat: Keine doppelten Standards.” Sie verwies darauf, dass die Dresdner Mitarbeiter bereits über Altersteilzeitregelungen zum Umbau beigetragen hätten. Jetzt sei das Management am Zug.
Der Dresdner Fall zeigt exemplarisch die Zerreißprobe im VW-Konzern. Der Betriebsrat hatte am 6. November ein eigenes Standortkonzept vorgelegt – unter Nutzung seiner Initiativrechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Dass die Führung darauf nicht eingeht, erschüttert die einst stolze „Mitbestimmungskultur” von Wolfsburg.
KI im Betrieb: Neue Spielregeln für die Kontrolle
Abseits der Schwerindustrie verschiebt sich das Schlachtfeld der Mitbestimmung ins Digitale. Am Wochenende analysierten Juristen und Gewerkschaften die Folgen neuer KI-Tools, die im vierten Quartal 2025 auf den Markt kamen.
Der Knackpunkt: § 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG gibt Betriebsräten Mitbestimmungsrechte bei „technischen Einrichtungen, die zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer bestimmt sind”. Was bedeutet das bei KI-gestützter Personalanalyse?
„Der Betriebsrat hat bei KI eine viel stärkere Position, als viele denken”, erklärte ein Rechtsexperte aus Frankfurt am Samstag. „Seit 2021 wird KI explizit im Gesetz erwähnt, aber 2025 ist das Jahr, in dem es ernst wird.”
Betriebsräte nutzen zunehmend ihr Vetorecht, um „algorithmische Transparenz-Vereinbarungen” durchzusetzen. Diese stellen sicher, dass KI-Systeme in Recruiting oder Leistungsbewertung nachvollziehbar und diskriminierungsfrei arbeiten. Von der Kantinenverwaltung zur Tech-Governance – die Mitbestimmung hat sich radikal gewandelt.
Politischer Hintergrund: Sozialpartnerschaft unter Druck
Die Industriekonflikte spielen sich vor einem veränderten politischen Hintergrund ab. Nach den vorgezogenen Wahlen im Februar 2025 versucht die CDU/SPD-Koalition, Wirtschaftsinteressen und Arbeitnehmerrechte auszutarieren.
Erst am 1. Dezember wurde bekannt, dass Gewerkschaftsbeiträge künftig vollständig steuerlich absetzbar sein sollen – unabhängig von der Arbeitnehmerpauschale. Die Maßnahme gilt als Friedensangebot an IG Metall und Verdi, die gegen die Restrukturierungswelle mobilisieren.
Parallel dazu nimmt die neue „Work-and-Stay”-Agentur ihre Arbeit auf, um Fachkräfteeinwanderung zu beschleunigen. Für Betriebsräte bedeutet das zusätzliche Verantwortung: internationale Beschäftigte integrieren und faire Behandlung nach Tarifverträgen sicherstellen.
Ausblick: Ein heißer Winter steht bevor
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Sozialpartnerschaft hält oder bricht.
Bei Porsche entscheiden die Betriebsversammlungen dieser Woche, ob der Konflikt in Warnstreiks mündet oder zurück an den Verhandlungstisch führt. Die Forderung nach der „2035-Garantie” bleibt der zentrale Stolperstein.
Das Bundesarbeitsgericht wird Anfang 2026 Grundsatzurteile zu KI und dem „Initiativrecht” der Betriebsräte bei digitaler Transformation fällen – mit Signalwirkung für die gesamte Wirtschaft.
Und ab 1. Januar 2026 steigt der gesetzliche Mindestlohn auf 13,90 Euro. Betriebsräte in Logistik und Dienstleistung werden alle Hände voll zu haben, um Lohnstrukturen und Betriebsvereinbarungen anzupassen.
Das Betriebsverfassungsrecht bleibt hochrelevant. Gerade wenn Konzerne wie Porsche und VW ihre Geschäftsmodelle umkrempeln, wirkt der Betriebsrat als kritisches Korrektiv. Für Ibrahim Aslan, Daniela Cavallo und Tausende Betriebsräte in Deutschland wird die Vorweihnachtszeit alles andere als besinnlich.
PS: Für Betriebsräte, die jetzt handeln müssen – dieser kostenlose Leitfaden bündelt Praxistipps zu § 87 BetrVG, Musterformulierungen für Betriebsvereinbarungen und Checklisten für Verhandlungen mit der Geschäftsleitung. Zahlreiche Betriebsräte nutzen den Report, um Verhandlungspositionen zu stärken und Sozialpläne durchzusetzen. Zum kostenlosen §87-Leitfaden für Betriebsräte


