Pay-Transparency-Richtlinie, Deutschland

Pay-Transparency-Richtlinie: Deutschland unter Zugzwang bis Juni 2026

27.11.2025 - 11:52:12

Deutsche Unternehmen stehen 2026 vor drei großen HR-Herausforderungen: EU-Lohntransparenzrichtlinie, Betriebsratswahlen und KI-Verordnung erfordern umfassende Vorbereitungen.

BERLIN – Die Uhr tickt für deutsche Unternehmen: In weniger als sieben Monaten muss Deutschland die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz in nationales Recht umsetzen. Was bedeutet das konkret für Arbeitgeber? Und wie passt das zur digitalen Transformation der HR-Landschaft?

Während sich 2025 dem Ende zuneigt, steigt der Druck auf Personalabteilungen erheblich. Die anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz bis zum 7. Juni 2026 dominiert aktuell die Diskussionen unter Arbeitsrechtsexperten. Gleichzeitig kämpfen Unternehmen noch immer mit den digitalen Neuerungen des Bürokratieentlastungsgesetzes IV (BEG IV) vom Jahresbeginn. Hinzu kommt: Die Betriebsratswahlen 2026 werfen bereits ihre Schatten voraus.

Schwellenwert sinkt dramatisch: Mittelstand erstmals betroffen

Die wichtigste Nachricht zuerst: Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hat diese Woche ihre finalen Empfehlungen zur Umsetzung der Richtlinie vorgelegt. Arbeitsrechtskanzleien wie Bird & Bird warnen bereits vor erheblichen Reibungspunkten zwischen Bürokratieabbau und wirksamer Durchsetzung.

Die entscheidenden Änderungen:
* Berichtspflicht ab 100 Mitarbeitern: Bisher lag die Schwelle in Deutschland bei 500 Beschäftigten. Die Absenkung auf 100 holt tausende mittelständische Unternehmen erstmals in die Pflicht.
* Digitale Nachweise ausreichend: Im Einklang mit der Digitalisierungswelle 2025 empfiehlt die Kommission die „Textform” – also E-Mail oder digitale Portale – statt klassischer Papierakten.
* Gesetzentwurf noch 2025: Damit die Juni-Frist gehalten werden kann, muss der Entwurf noch vor Jahresende vorliegen. Ein schnelles Gesetzgebungsverfahren Anfang 2026 ist praktisch garantiert.

„Die Spannungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die in den jüngsten Berichten deutlich werden, lassen auf eine strengere Regelung schließen als von der Wirtschaft erhofft”, kommentieren die Bird & Bird-Analysten. Ihr dringender Rat: Jetzt handeln, nicht abwarten. Gehaltsstrukturen sollten bereits heute auf Geschlechtergerechtigkeit überprüft werden, bevor die neuen Transparenzrechte scharf geschaltet werden.

BEG IV: Ein Jahr digital – mit Stolperfallen

Fast zwölf Monate nach Inkrafttreten des Bürokratieentlastungsgesetzes IV am 1. Januar 2025 zeigt sich ein gemischtes Bild. Die Umstellung von der strengen „Schriftform” (eigenhändige Unterschrift) zur „Textform” bei wesentlichen Arbeitsvertragsinhalten hat internationale Einstellungsprozesse deutlich beschleunigt.

Was funktioniert:
Globale Konzerne berichten von schnelleren Onboarding-Zeiten für deutsche Mitarbeiter. Digitale Verträge müssen nicht mehr per Post verschickt werden – zumindest nicht für die Mehrzahl der Vertragsbestandteile.

Was Compliance-Verantwortliche aufschreckt:
Die eigenhändige Unterschrift bleibt Pflicht bei bestimmten heiklen Dokumenten: Kündigungen und Befristungsklauseln erfordern nach wie vor den klassischen Stift auf Papier.

Aktuelle Klarstellungen vom November 2025 betonen: Während die Nachweise nach dem Nachweisgesetz digital erfolgen können, muss die eigentliche Befristungsvereinbarung händisch unterschrieben sein – sonst droht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Für internationale HR-Teams, die mit deutschen zivilrechtlichen Feinheiten nicht vertraut sind, eine gefährliche Falle.

„Die Digitalisierung des Nachweisgesetzes war ein Fortschritt, aber das Zwei-Gleise-System – digital für Information, Papier für bestimmte Klauseln – bleibt eine Compliance-Falle”, warnen Rechtsexperten.

Betriebsratswahlen 2026: Wie digital darf’s sein?

Im Frühjahr 2026 stehen die regulären Betriebsratswahlen an – und die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Doch eine Frage spaltet die Gemüter: Kommt die digitale Stimmabgabe?

Stand Ende November 2025:
Die Bundesregierung kündigte Anfang des Jahres an, optionale Online-Wahlverfahren einführen zu wollen, um die Beteiligung zu erhöhen. Konkrete Regelungen? Fehlanzeige.

Für internationale Unternehmen mit hybriden oder vollständig remote arbeitenden Belegschaften ist die Unsicherheit problematisch. Wahlvorstände müssen aktuell mit klassischen Wahlurnen oder komplexen Briefwahlverfahren planen – trotz digitalisierter Arbeitswelt.

Rechtliche Berater empfehlen deshalb: Auf Nummer sicher gehen und traditionelle Wahlverfahren vorbereiten. Wahlfehler können zur Ungültigkeit des gesamten Betriebsrats führen – mit teuren Neuwahlen als Folge.

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Was 2026 auf der Agenda steht

Das erste Quartal 2026 wird von drei kritischen Aufgaben geprägt sein:

  1. Entgeltgleichheits-Audits: Probeläufe zur Gender-Pay-Gap-Analyse durchführen, bevor die Berichtspflicht greift.
  2. Wahllogistik: Wahlvorstände für die Betriebsratswahlen 2026 rechtzeitig bestellen.
  3. Vertragshygiene: Alle Arbeitsvertragsvorlagen überprüfen – um die BEG-IV-Digitalisierung zu nutzen, ohne gegen verbleibende Schriftformerfordernisse zu verstoßen.

„Die Ära des Abwartens ist vorbei”, mahnen aktuelle Branchenleitfäden. Mit der Konvergenz von Pay-Transparency-Richtlinie und KI-Verordnung geht es nicht mehr nur um Bußgeldvermeidung – sondern um die Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts.


Hinweis: Dieser Artikel gibt den Stand der Entwicklungen zum 27. November 2025 wieder und stellt keine Rechtsberatung dar. Unternehmen sollten sich zu spezifischen Compliance-Pflichten von qualifizierten Rechtsanwälten beraten lassen.

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