OnlyOffice 9.2: KI-Assistenten treffen auf Open Source

Das lettische Unternehmen Ascensio System SIA hat diese Woche mit OnlyOffice 9.2 ein bedeutendes Update seiner Open-Source-Bürosoftware veröffentlicht. Die neue Version integriert stabile KI-Agenten, eine codefreie Makro-Aufzeichnung und erweiterte PDF-Funktionen. Für europäische Organisationen, die digitale Souveränität anstreben, könnte das Update einen Wendepunkt darstellen – insbesondere durch die Möglichkeit, KI-Modelle vollständig lokal zu betreiben.

Der Clou der neuen Version liegt in der Flexibilität des KI-Agenten. Anders als Microsoft 365 mit Copilot oder Google Workspace zwingt OnlyOffice seine Nutzer nicht in ein geschlossenes KI-Ökosystem. Stattdessen können Anwender wählen: Cloud-Dienste wie ChatGPT oder Gemini lassen sich ebenso anbinden wie lokale Sprachmodelle über Plattformen wie Ollama.

Was bedeutet das konkret? Behörden und Unternehmen mit strengen Datenschutzvorgaben können generative KI für Textanalysen, Zusammenfassungen oder Content-Erstellung nutzen, ohne dass sensible Dokumente jemals ihre eigene Infrastruktur verlassen. Die französische IT-Fachpresse betont: OnlyOffice rückt damit näher an die Standards von Microsoft 365 heran – lässt IT-Verantwortlichen aber die volle Kontrolle über Hosting und KI-Anbieter.

Der KI-Assistent funktioniert jetzt stabil in allen Editoren: Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationen und PDF-Bearbeitung. Aus dem Beta-Plugin ist ein vollwertiges Werkzeug geworden, das nicht nur passiv bearbeitet, sondern aktiv bei der Inhaltserstellung unterstützt.

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Makros für alle: Automation ohne Programmierkenntnisse

Bislang war die fehlende Makro-Aufzeichnung ein Stolperstein für Nutzer, die von etablierten Bürolösungen wechselten. Wer in OnlyOffice Arbeitsabläufe automatisieren wollte, musste JavaScript beherrschen.

Die neue No-Code-Makro-Funktion ändert das grundlegend: Nutzer zeichnen einfach eine Aktionsfolge auf – etwa die Formatierung eines Berichts oder spezifische Berechnungen – und speichern sie als wiederverwendbares Makro. Diese Demokratisierung der Automatisierung greift Microsofts VBA-Vorteil direkt an und senkt die Einstiegshürde für fortgeschrittene Dokumenten-Workflows erheblich.

PDF-Editor und Sicherheitsverbesserungen

Der PDF-Editor entwickelt sich vom einfachen Viewer zum vollwertigen Bearbeitungswerkzeug. Neu sind anpassbare Farben für das Schwärzungstool – praktisch, um zwischen Entwürfen und finalen Versionen zu unterscheiden. Der Formular-Editor unterstützt jetzt Textbeschriftungen für Checkboxen und Radio-Buttons, was komplexe interaktive Formulare vereinfacht.

Für Power-User gibt es vollständig anpassbare Tastenkombinationen, die individuelle Workflows ermöglichen. Zudem schließt das Update eine Sicherheitslücke bei der WebSocket-basierten Arbeitsmappen-Absicherung – wichtig für den Unternehmenseinsatz.

Digitale Souveränität: Timing trifft Zeitgeist

Das Release kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Europäische Regierungen und Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zu US-Technologiegiganten. Städte wie Lyon, Diskussionen in Deutschland und Dänemark: Öffentliche Institutionen wollen ihre Abhängigkeit von proprietärer Software reduzieren.

OnlyOffice adressiert genau diese Bedenken. Die Suite lässt sich on-premise oder in privaten Clouds betreiben und erfüllt strenge Compliance- und Datenresidenz-Anforderungen. Die lokale KI-Unterstützung löst das “Datenschutz-versus-Produktivität”-Dilemma: Während Tools wie Microsoft Copilot oft Cloud-Verarbeitung erfordern, entkoppelt OnlyOffice die KI-Funktionalität von der Datenspeicherung.

Ausblick: Mehr als Aufholjagd

Die “agentischen” Fähigkeiten der Version 9.2 dürften erst der Anfang sein. Branchenbeobachter erwarten tiefere Integration zwischen KI-Agent und Kollaborations-Tools – etwa automatische Kommentar-Moderation, terminbasierte Meeting-Planung aus Dokumenteninhalten oder intelligente Datei-Organisation im OnlyOffice DocSpace.

Die zentrale Herausforderung bleibt der Aufbau eines Entwickler-Ökosystems. OnlyOffice muss die riesige Plugin-Bibliothek der Konkurrenz aufholen. Doch mit Version 9.2 sendet Ascensio System ein klares Signal: Open-Source-Produktivität bedeutet nicht mehr nur Nachziehen – sondern bietet einen eigenständigen, datenschutzorientierten Weg nach vorn.

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