Offenbacher Urteil erlaubt Streikabzug von Weihnachtsgeld
27.12.2025 - 18:24:12Ein Arbeitsgerichtsurteil erlaubt die anteilige Kürzung von Sonderzahlungen für streikende Mitarbeiter, wenn eine neutrale Betriebsvereinbarung dies vorsieht. Das Urteil beeinflusst die Strategien für die Tarifrunde 2026.
Ein Gerichtsurteil stellt klar: Arbeitgeber dürfen das Weihnachtsgeld streikender Mitarbeiter kürzen – wenn der Betriebsrat zugestimmt hat. Dieses wegweisende Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach fällt mitten in die aktuellen Tarifkonflikte und wird die Strategien beider Seiten in der anstehenden Verhandlungsrunde 2026 prägen.
Neutraler Verteilerschlüssel macht den Unterschied
Der Fall, der für bundesweites Aufsehen sorgt, stammt aus einem Logistikunternehmen in Neu-Isenburg. Der Arbeitgeber hatte das jährliche Sonderentgelt streikender Beschäftigter um ein Sechzigstel pro Streiktag gekürzt. Dagegen klagten die Mitarbeiter und beriefen sich auf das Maßregelungsverbot, das Sanktionen für die Ausübung des Streikrechts verbietet.
Doch das Arbeitsgericht Offenbach wies die Klage ab (Az. 10 Ca 57/25). Entscheidend war eine bestehende Betriebsvereinbarung. Diese sah vor, dass die Sonderzahlung für jede Art der Abwesenheit anteilig gekürzt wird – gleichermaßen für unbezahlten Urlaub, Krankheit (außerhalb der Lohnfortzahlung) und Streiks. Weil die Regelung „neutral“ alle Abwesenheiten gleich behandelte, sah das Gericht keine gezielte Benachteiligung Streikender.
Passend zum Thema Betriebsvereinbarungen: Betriebsräte sollten bestehende Klauseln jetzt dringend überprüfen, um unbeabsichtigte Kürzungen bei Streiks zu verhindern. Ein kostenloses Muster‑E‑Book erklärt, welche Formulierungen problematisch sind, wie Sie neutrale Regelungen rechtssicher gestalten und welche Musterformulierungen und Checklisten Sie in Verhandlungen einsetzen können. Ideal für die schnelle Prüfung vor Tarifverhandlungen. Jetzt Muster-Betriebsvereinbarung kostenlos herunterladen
Rechtsstreit um die Feinjustierung
Rechtsexperten betonen die subtile, aber kritische Unterscheidung. „Hätte der Arbeitgeber die Zahlung ausschließlich für Streiktage gekürzt, wäre das rechtswidrig gewesen“, erklärt ein Sprecher des Verbands Deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA). Der Trick liege in der pauschalen Formulierung. Durch die Einbettung in eine allgemeine Abwesenheitsklausel entziehe der Arbeitgeber der Kürzung die Grundlage für einen Maßregelungsvorwurf.
Diese Auslegung bedeutet eine Zäsur. Sie verlagert eine erhebliche Verantwortung auf die Betriebsräte. Diese müssen bei Verhandlungen über Sonderzahlungen nun höchst wachsam sein. Eine Zustimmung zu breiten „Abwesenheits“-Klauseln könnte unbeabsichtigt den Weg für finanzielle Einbußen im Streikfall ebnen.
Brennpunkt Tarifrunde 2026
Das Timing des Urteils ist brisant. Gerade bereiten Gewerkschaften wie ver.di und der DBB die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder 2026 vor. Die Aussicht auf gekürztes Weihnachtsgeld erhöht das finanzielle Risiko für streikwillige Beschäftigte spürbar.
Beobachter sehen die Arbeitgeberseite gestärkt. Das Urteil bietet einen rechtlichen Fahrplan, um die Kosten von Arbeitskämpfen teilweise auf die Belegschaft zu verlagern. Die Gewerkschaften werden erwartungsgemäß in künftigen Verhandlungen noch entschiedener gegen derartige Klauseln kämpfen. Sie dürften verstärkt auf „streikfeste“ Bonusregelungen in Tarifverträgen drängen, die Betriebsvereinbarungen überlagern.
Was Betriebsräte jetzt prüfen müssen
Für Betriebsräte ist das Offenbacher Urteil ein Weckruf. Sie sollten bestehende Vereinbarungen dringend überprüfen. Enthalten diese „neutrale“ Kürzungsklauseln? Eine mögliche Verteidigungslinie könnte die Begründung der Zahlung sein. Wird das Geld ausdrücklich als Betriebstreue-Prämie und nicht als leistungsbezogener Bonus ausgezeichnet, könnte eine Streikkürzung angreifbarer sein – auch wenn das Offenbacher Urteil einen Trend zur Leistungsorientierung nahelegt.
Beschäftigte, die Kürzungen auf ihrer November- oder Dezember-Abrechnung finden, sollten den genauen Wortlaut ihrer Betriebsvereinbarung prüfen. Die Zulässigkeit steht und fällt mit dem exakten Text und dessen konsequenter Anwendung auf alle abwesenden Mitarbeitergruppen.
Offene Rechtsfrage vor höheren Instanzen
Der letzte Wortlaut ist noch nicht gesprochen. Angesichts der grundrechtlichen Bedeutung des Streikrechts wird mit einer Berufung der Kläger vor das Landesarbeitsgericht Frankfurt gerechnet. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) könnte folgen.
Bis dahin schafft der Präzedenzfall ein „Streiken auf eigenes finanzielles Risiko“ in Betrieben mit strikten Anwesenheitsregeln. In der heißen Phase der Tarifverhandlungen 2026 werden beide Seiten dieses Urteil als Hebel in den Kämpfen um Löhne und Arbeitsbedingungen einsetzen.
PS: Erfahrene Betriebsräte arbeiten mit fertigen Muster‑Vereinbarungen, um finanzielle Nachteile bei Streiks zu vermeiden. Dieses kostenlose E‑Book bietet konkrete Formulierungsvorschläge gegen problematische „Abwesenheits“-Klauseln, Checklisten zur schnellen Vertragsprüfung und Praxistipps für Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite vor der Tarifrunde 2026. Praktisch einsetzbar für Betriebsratssitzungen und Verhandlungsprotokolle. Muster-Vereinbarung jetzt gratis sichern


