Österreich: Wirtschaft fordert schärfere Krankenstand-Kontrollen
06.10.2025 - 07:59:02Wirtschaftskammer fordert strengere Kontrollen bei Krankenständen nach Anstieg auf 15,4 Fehltage, Gewerkschaft lehnt Generalverdacht ab. Die Debatte spaltet Bevölkerung und Politik.
Die Wirtschaftskammer will härter gegen Krankenstand-Missbrauch vorgehen. Die Gewerkschaft lehnt den „Generalverdacht“ gegen Arbeitnehmer ab. Der Streit eskaliert nach steigenden Fehlzeiten.
Die aktuelle Auseinandersetzung entzündete sich Ende September an einem Vorstoß der Wirtschaftskammer (WKÖ). Sie fordert bundesweit einheitliche Kontrollen bei Verdacht auf Missbrauch sowie strengere Prüfungen durch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Der Grund: Die durchschnittlichen Krankenstandstage stiegen laut Fehlzeitenreport 2024 auf 15,4 Tage pro Beschäftigtem.
Milliardenschäden durch „Krankfeiern“?
Die Wirtschaft rechnet vor: Jeder Krankenstandstag kostet rund 250 Euro – durch Entgeltfortzahlung, Überstunden und entgangene Wertschöpfung. 2022 beliefen sich die Krankenstandskosten auf 5,3 Milliarden Euro, was 1,2 Prozent des BIP entspricht.
„Es geht nicht darum, kranke Mitarbeiter unter Druck zu setzen“, betont die WKÖ. Vielmehr sollen jene zur Verantwortung gezogen werden, die das System ausnutzen – etwa um sich ein Wochenende zu verlängern. Unternehmer berichten von systematischen Krankenständen während der Kündigungsfrist.
Gewerkschaft wehrt sich: „Kranke gehören ins Bett“
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) schlägt zurück. ÖGB-Vertreter weisen die Forderungen als „unmöglich“ zurück. „Kranke gehören ins Bett – nicht unter Verdacht!“, so der Tenor.
ÖGK-Obmann Andreas Huss argumentiert: Kontrollen laufen bereits. Ein Generalverdacht gegen Millionen Beschäftigte sei inakzeptabel. Das größere Problem sei Präsentismus – Arbeitnehmer gehen krank zur Arbeit und verursachen langfristig höhere Kosten.
Bevölkerung gespalten, Politik zögert
Eine aktuelle Umfrage zeigt die Spaltung: 48 Prozent wollen die bestehende Regelung beibehalten, 43 Prozent fordern schärfere Kontrollen.
ÖVP-Wähler unterstützen strengere Maßnahmen zu 63 Prozent, SPÖ-Anhänger lehnen sie mehrheitlich ab. Zwischen den Geschlechtern gibt es ebenfalls Unterschiede: 47 Prozent der Männer, aber nur 40 Prozent der Frauen befürworten Verschärfungen.
Die Politik hält sich zurück. Das Thema liegt tief in den ideologischen Gräben zwischen den Sozialpartnern.
Langzeitkranke als Hauptproblem
Der Fehlzeitenreport 2025 offenbart: Nur 3,1 Prozent aller Krankenstände sind Langzeitfälle – sie verursachen aber 40 Prozent aller Fehltage. Psychische und Muskel-Skelett-Erkrankungen führen oft zu monatelangen Ausfällen.
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Experten warnen vor einer Verengung auf Missbrauch. Übermäßige Kontrollen könnten das Betriebsklima vergiften und Präsentismus fördern – was volkswirtschaftlich noch teurer würde.
Kompromiss gesucht
In den kommenden Monaten werden die Sozialpartner hinter den Kulissen nach Lösungen suchen. Möglich wären gezieltere Überprüfungen auffälliger Muster statt flächendeckender Verschärfungen.
Kurzfristig ist keine Gesetzesänderung zu erwarten – die Regierung ist in dieser sozialpolitischen Frage gespalten. Die Balance zwischen notwendiger Kontrolle und vertrauensbasierter Arbeitskultur bleibt die zentrale Herausforderung.