NIS-2, Deutschlands

NIS-2: Deutschlands Cybersecurity-Revolution für 30.000 Firmen

20.11.2025 - 19:52:12

Das neue IT-Sicherheitsgesetz verpflichtet fast 30.000 Unternehmen zu strengen Compliance-Maßnahmen, 24-Stunden-Meldepflicht bei Cybervorfällen und persönlicher Haftung für Geschäftsführer.

Eine Zeitenwende für die deutsche IT-Sicherheit: Am 13. November verabschiedete der Bundestag das NIS-2-Umsetzungsgesetz – nach monatelangen Verzögerungen und EU-Vertragsverletzungsverfahren. Die Folge? Fast 30.000 Unternehmen müssen ihre Compliance-Strukturen von Grund auf überarbeiten. Verschärfend kommt hinzu: Der neue BSI-Lagebericht “Zur Lage der IT-Sicherheit 2025” zeichnet ein alarmierendes Bild. Besonders Firmen mit ausgeprägten Homeoffice-Strukturen stehen jetzt unter Zugzwang.

Die Dimension des Umbruchs ist gewaltig. Wurden bisher rund 4.500 Unternehmen reguliert, steigt diese Zahl nun auf nahezu 29.500. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) führt dabei eine neue Unterscheidung ein: “wichtige” und “besonders wichtige” Einrichtungen. Erstmals unterliegen auch Branchen wie Abfallwirtschaft, Lebensmittelproduktion und digitale Dienstleister strengen Sicherheitsauflagen.

24-Stunden-Meldepflicht: Der Countdown läuft

Die wohl drastischste Neuerung? Ein dreistufiges Meldesystem für erhebliche Cybervorfälle, das Unternehmen unter massiven Zeitdruck setzt:

Stufe 1 – Frühwarnung: Innerhalb von 24 Stunden nach Kenntnisnahme eines Vorfalls muss das BSI informiert werden.

Stufe 2 – Zwischenbericht: Nach 72 Stunden folgt eine erste Einschätzung zu Schwere und Auswirkungen.

Stufe 3 – Abschlussbericht: Binnen eines Monats nach Bewältigung des Vorfalls ist ein detaillierter Bericht fällig.

“Das NIS-2-Umsetzungsgesetz modernisiert unser nationales IT-Sicherheitsrecht umfassend”, erklärte das BSI in seiner Stellungnahme vom 13. November. Die betroffenen Organisationen müssen technische und organisatorische Maßnahmen nach dem “Stand der Technik” implementieren – ein Begriff, der rechtlich deutlich schärfer ist als die frühere Formulierung “angemessen”.

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Zudem wird das BSI zum “CISO Bund” ernannt, dem zentralen Sicherheitsmanager für alle Bundesbehörden. Die Bündelung dieser Kompetenzen soll die oft zersplitterte IT-Sicherheitsarchitektur der öffentlichen Verwaltung straffen.

BSI-Lagebericht: 119 neue Schwachstellen täglich

Zeitgleich mit dem Gesetzesdurchbruch präsentierte das BSI seinen Jahresbericht – und die Zahlen lassen aufhorchen. Die Anzahl täglich neu entdeckter Software-Schwachstellen ist im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent gestiegen. Im Durchschnitt registriert das BSI mittlerweile 119 neue Sicherheitslücken pro Tag.

“Die Lage im Cyberraum bleibt angespannt”, warnte die Behörde. Ransomware bleibt die Hauptbedrohung für kleine und mittlere Unternehmen sowie Kommunen. Cyberkriminelle setzen verstärkt auf “Doppelte Erpressung”: Sie verschlüsseln nicht nur Daten, sondern drohen gleichzeitig damit, sensible Informationen zu veröffentlichen. Auch politisch motivierte Angriffe und Sabotageakte nehmen zu – ein Spiegelbild der geopolitischen Spannungen.

Die wachsende Angriffsfläche ist auch eine Folge der digitalen Transformation. Cloud-Dienste, IoT-Geräte und vor allem die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Homeoffice schaffen neue Einfallstore für Angreifer.

Homeoffice als Schwachstelle: Wasändert sich konkret?

Etwa 25 Prozent der deutschen Arbeitnehmer arbeiten mittlerweile dauerhaft oder regelmäßig von zu Hause – das Homeoffice ist längst keine Notlösung mehr, sondern fester Bestandteil der Arbeitswelt. Genau hier liegt das Problem: Unter NIS-2 sind Unternehmen für die Sicherheit ihrer gesamten Lieferkette verantwortlich. Dazu zählen explizit auch die Remote-Zugangspunkte ihrer Mitarbeiter.

Rechtsexperten von Rödl & Partner stellten in einer Analyse vom 19. November klar: Das neue Gesetz verlangt “Risikomanagement-Maßnahmen”, die sich auf Personalsicherheit und Zugangskontrollen erstrecken müssen.

Für Homeoffice-Umgebungen bedeutet das konkret:

Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA): Keine Option mehr, sondern Pflicht für jeden Remote-Zugriff.

Verwaltete Geräte: Die Nutzung privater Endgeräte (BYOD) ohne strikte Containerisierung oder Mobile Device Management (MDM) wird für regulierte Unternehmen rechtlich riskant.

Verschlüsselungsstandards: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für alle Kommunikationskanäle ist nun Mindestanforderung für die Einhaltung des “Stands der Technik”.

Besonders brisant: Die persönliche Haftung der Geschäftsführung. Das NIS-2-Gesetz sieht vor, dass Vorstände und Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden können, wenn sie die erforderlichen Risikomanagement-Maßnahmen nicht umsetzen. Cybersecurity wird damit endgültig zur Chefsache.

Wirtschaft zwischen Erleichterung und Zeitdruck

Die Industrie reagiert gespalten. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst begrüßte in einer Stellungnahme vom 13. November die rechtliche Klarheit, warnte jedoch vor den Herausforderungen.

“Die Umsetzung der europäischen NIS-2-Richtlinie war überfällig. Cyberangriffe bedrohen Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft”, so Wintergerst. Positiv sei die Einbeziehung der Bundesbehörden unter BSI-Aufsicht. Allerdings könnten die neuen Regelungen zu “kritischen Komponenten” Investitionsentscheidungen beeinflussen – ein Hinweis auf mögliche Mehrkosten und bürokratische Hürden.

Zwar hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet, doch die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus. Experten rechnen mit einem Inkrafttreten Ende 2025 oder Anfang 2026. Angesichts der Komplexität der Anforderungen – insbesondere der 24-Stunden-Meldefrist und der Supply-Chain-Audits – raten Berater, den 13. November als Startschuss für umgehende Compliance-Prüfungen zu betrachten.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Anwendbarkeit prüfen: Fällt Ihr Unternehmen unter die neuen Definitionen “wichtig” oder “besonders wichtig”? Wahrscheinlich ja, wenn Sie über 50 Mitarbeiter oder einen Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro in kritischen Sektoren haben.

Incident-Response-Pläne aktualisieren: Stellen Sie sicher, dass Ihr Team einen Vorfall binnen 24 Stunden erkennen und melden kann. Welche Prozesse greifen nachts oder am Wochenende?

Remote-Zugriff auditieren: Überprüfen Sie Ihre Homeoffice-Sicherheitsrichtlinien anhand der BSI-Vorgaben zum “Stand der Technik”. Sind VPN-Verbindungen ausreichend geschützt? Läuft MFA auf allen Geräten?

BSI-Registrierung vorbereiten: Sobald das Online-Portal freigeschaltet wird, müssen betroffene Unternehmen sich registrieren. Bereiten Sie die erforderlichen Unterlagen vor.

Mit dem nun gesetzten Rechtsrahmen und einer Bedrohungslage auf Rekordhöhe dürfte 2026 ein Jahr rigoroser Durchsetzung und notwendiger Transformation werden. Die Frage ist nicht mehr, ob Unternehmen handeln müssen – sondern wie schnell sie es tun.

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