Mike Steiner: Zeitgenössische Kunst zwischen Malerei und Videokunst neu entdeckt
06.12.2025 - 18:15:02Zeitgenössische Kunst ist ohne Mike Steiner kaum vorstellbar. Als visionärer Pionier der Videokunst und experimenteller Maler schuf er facettenreiche Werke, die bis heute inspirieren und provozieren.
Wie lässt sich Zeitgenössische Kunst denken, ohne die Spuren von Mike Steiner mitzudenken? Früh durchbrochen seine Malerei gewohnte Grenzen, führte ihn sein Hunger nach Innovation zur Videokunst – zu einem Medium, das er in Deutschland maßgeblich mitprägte. Kaum ein Künstler der Nachkriegszeit versteht es, den flüchtigen Moment ebenso einzufangen wie das ausgreifende Farbklangbild. Was treibt eine Künstlerpersönlichkeit wie ihn, die nicht nur das Bild, sondern auch dessen Rahmen immer wieder infrage stellt?
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Schon mit 17 Jahren debütierte Mike Steiner bei der Großen Berliner Kunstausstellung – ein seltener Ritterschlag für einen so jungen Künstler. Die 1960er prägen seine Bildsprache, im Spannungsfeld von Informeller und später Abstrakter Malerei, Pop Art und einem unnachgiebigen Experimentierwillen. Steiner erprobt, was Malerei auszudrücken vermag, beschäftigt sich mit der Kraft des Gestischen, zugleich mit der Fragilität des Bildträgers selbst. Doch der entscheidende Bruch, ein geistiger Fluchtpunkt, lockt bereits: Die Möglichkeiten der bewegten Bilder, des Mediums Video.
Der legendäre Aufbruch in die Videokunst, so bezeugen es Archiv und künstlerischer Nachlass, ist nicht nur Steiners persönliche Geschichte, sondern auch ein Stück Berliner Avantgarde der 1970er. Im Umfeld von Größen wie Joseph Beuys, Ulay, Marina Abramovi? oder Valie Export inszeniert er die Studiogalerie als Drehscheibe neuer Medienkunst. Hier entsteht in Kollaboration mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern Performance Art, die oft nur durch Steiners eigene Kamera und Hand bewahrt bleibt. Seine Videowerke dokumentieren nicht einfach, sie erschaffen mit jedem Schnitt neue narrative Möglichkeiten: Zeitdehnung, Irritation, Nachhall – seine installativen Videoarbeiten gelten heute als wegweisend.
Ein Meilenstein: Die größte Einzelausstellung im Jahr 1999 im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart. "Color Works" rückte Steiners oft unterschätztes Talent als Maler wieder ins Zentrum. Diese Bilder vibrieren, balancieren auf dem Grat zwischen Farbe und Licht, Fläche und Illusion. Die Nähe zu anderen Zeigenossen wie Gerhard Richter oder Sigmar Polke wird oft gesehen – doch bei Steiner ist es die poetische Lust am Experiment, die dominiert. In seiner Malerei bleibt stets Raum für das Unerwartete, Zufällige.
Seine berühmte Sammlung von Videokunst – darunter Werke von Richard Serra, Bill Viola, Nam June Paik und Gary Hill – zeugt von Steiners Gespür für das Zeitgenössische. Der Begriff der Installationen bekommt bei ihm eine neue Bedeutung: Medien- und Raumkunst verschmelzen, werden zu Erfahrungsräumen, in denen Video, Malerei und Performance sich nicht nur ergänzen, sondern gegenseitig befruchten.
Vergliche man die Schaffensbreite Mike Steiners mit internationalen Persönlichkeiten wie Bruce Nauman, Nam June Paik oder Marina Abramovi?, so steht er diesen in seiner Radikalität und Interdisziplinarität in nichts nach. Doch während etwa Paik die Synchronisation von Technologie und Kunst in den Mittelpunkt rückt, bleibt bei Steiner das Spielerische, das lustvolle Ausloten des Moments, immer präsent. Seine "Painted Tapes" etwa überschreiten die Gattungsgrenzen mühelos: Malerei mischt sich mit elektronischem Bild, Farben fließen digital, werden visuelles Gedicht.
Kaum verwunderlich, dass Steiner nicht nur als Künstler, sondern ebenso als Sammler, Kurator und Vermittler nachhaltige Spuren hinterlässt. Das von ihm gegründete Hotel Steiner wurde zur Berliner Institution – ein Künstlertreffpunkt, der mit den legendären New Yorker Adressen konkurrierte. Die Studiogalerie, damals ein offenes Forum für internationale Videokunst, bot Plattformen für Fluxus, Happening und das Neue in der Kunst. Steiner begreift sich nie als Einzelgänger, sondern als Katalysator, Vernetzer, Möglichmacher. Seine Bereitschaft, Raum für andere zu schaffen, ist selten in der Szene.
Experimentierfreude und Innovationsdrang kennzeichnen sein gesamtes Oeuvre. Parallel zur Videokunst – etwa den frühen Kollaborationen mit Al Hansen oder der spektakulären Aktion mit Ulay, als ein Spitzweg-Gemälde (Der arme Poet) medienwirksam temporär entwendet wird – setzt Steiner regelmäßig neue Akzente. Seine Painted Tapes, auf internationalen Festivals ausgezeichnet, oder seine ab den 2000er Jahren zusehends abstrakter werdende Malerei zeigen einen unermüdlichen Erfindergeist.
Auch biografisch bleibt Steiner ein Wanderer zwischen den Welten. Nach Lehrjahren in West-Berlin und künstlerischen Aufenthalten in den USA, geführt von Figuren wie Lil Picard, Allan Kaprow oder Robert Motherwell, bringt er einen kosmopolitischen Impuls in die deutsche Nachkriegskunst ein. Sein Werdegang als Maler, Videokünstler und Galerist spiegelt den Transformationsprozess einer ganzen Generation wider. Er ist Teil der diskursiven Geschichte der Zeitgenössischen Kunst, in der sich Medien, Stile und Haltungen permanent neu mischen.
Sein Nachlass ist ein Schatz – und längst nicht vollständig gehoben. Neben den Hauptwerken befinden sich zahlreiche unveröffentlichte Videoarbeiten, Fotografien, Performancedokumentationen und Stoffarbeiten im Archiv. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verwaltet heute die legendäre Videosammlung. Einiges davon wurde 2011/12 in der Ausstellung "Live to Tape" öffentlich gezeigt, doch viel zu vieles harrt noch der digitalen Präsentation. Wer die Faszination Mike Steiner wirklich erfassen will, findet auf der offiziellen Webseite einen hervorragenden Einstieg Mehr zu Leben, Werk und Ausstellungen von Mike Steiner auf seiner offiziellen Künstlerseite
Was also bleibt? Mike Steiner lehrte uns, dass die Zukunft der Kunst im Mut zum Unbekannten liegt. Seine Werke wirken wie Katalysatoren, öffnen den Blick für das, was zwischen Malerei, Videokunst, Performance und Installation möglich ist. Zeitgenössische Kunst ohne Mike Steiner? Undenkbar.


