Mike Steiner und die Zeitgenössische Kunst: Vom Pionier der Videokunst zum Grenzgänger der Medien
02.12.2025 - 12:11:45Zeitgenössische Kunst lebt von Innovation – Mike Steiner verkörpert als Pionier der Videokunst und Performance Art jene kreative Unruhe, die den Kunstbegriff immer wieder neu befragt.
Was bleibt, wenn Zeitgenössische Kunst nicht im Rahmen bleibt? Mike Steiner verkörpert in all seinen Schaffensphasen die Idee, dass Kunst jenseits von Gattungsgrenzen entstehen muss. Von abstrakter Malerei über Performance Art bis hin zur revolutionären Videokunst zieht sich ein roter Faden des Experimentierens durch Steiners Oeuvre, das sich gleichermaßen der Flüchtigkeit des Moments wie der archivarischen Bewahrung widmet.
Ob als Maler, Performer oder Sammler: Mike Steiner ist eine der zentralen Figuren der Zeitgenössischen Kunst der Nachkriegszeit – ein Meister darin, die Grenzen zwischen den Kunstmedien zu verwischen. Bereits zu Beginn seiner Laufbahn, etwa mit seinem öffentlichen Auftreten als einer der jüngsten Künstler auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1959, markierte Steiner mit seiner Malerei und Experimentierfreude sein Revier weit abseits eingetretener Pfade. Noch während des Studiums an der Hochschule für bildende Künste Berlin fühlte er, dass Malerei allein für ihn nicht alles war – die frühe Beschäftigung mit Informeller Kunst und Pop Art wurde daher zum Sprungbrett für ein Leben voller Medienwechsel.
Wenig später öffnete sich ihm eine neue Welt: Auf Stipendienreisen in die USA lernte Mike Steiner in den 1960er Jahren Persönlichkeiten wie Lil Picard, Allan Kaprow und Robert Motherwell kennen – legendäre Vertreter von Fluxus, Happening und Pop Art. Wie ein Schwamm sog er die vibrierende Atmosphäre in New York auf, und zugleich auch den Mut, alles zu hinterfragen. Prägend waren für ihn die avantgardistischen Experimente mit Film- und Videokunst, die er später nach Berlin zurücktragen sollte. Man erkennt hier deutlich Parallelen etwa zu Nam June Paik oder Wolf Vostell, doch Steiner blieb sich und Berlin immer treu, gab seiner Stadt mit dem legendären Hotel Steiner sowie der eigenen Studiogalerie wichtige Kristallisationspunkte für die deutsche Avantgarde.
Steiners Werkgruppen sind so vielfältig wie sein Werdegang: Die Malerei steht am Anfang und am Ende – Dazwischen entfaltet sich ein Kosmos aus Performance Art, Videodokumentationen und intermedialen Installationen. Mit seiner Studiogalerie in Berlin (gegründet 1974) schuf er einen der ersten unabhängigen Aktions- und Präsentationsräume für Video- und Performancekunst im deutschsprachigen Raum. Hier experimentierten Größen wie Marina Abramovi?, Ulay oder Valie Export. Besonders die spektakuläre Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ mit Ulay (1976) zählt zu den Schlüsselwerken der europäischen Performance- und Videokunst. Steiner – nicht nur Galerist und Organisator, sondern oft auch selbst hinter der Kamera – hat diese ephemeren Kunstmomente unersetzlich für die Nachwelt festgehalten. Kenner der Videokunst schätzen diese Dokumentationen, die es mit den filmischen Arbeiten von Roman Signer, Bruce Nauman oder Bill Viola aufnehmen können.
Ende der 1970er und 80er Jahre setzte Steiner seine intermediale Reise fort: In den sogenannten Painted Tapes verschmolzen Videoaufnahmen und Malerei, elektronische Farbreize und manuelle Gesten. Diese neuartigen Werkgruppen sprechen eine eigene Sprache – analog etwa zu den Crossovers der amerikanischen Künstler Robert Rauschenberg oder Joan Jonas, aber mit unverwechselbarer Handschrift. Wer je vor einem „Color Work“ von Mike Steiner stand, spürt das vibrierende Ringen um neue Ausdrucksformen. Faszinierend ist hierbei, wie unangestrengt Steiner zwischen den Techniken pendelt: Super-8-Film, Copy Art, Fotografie, Dia-Serien und sogar Stoffarbeiten finden Eingang in seinen Kanon. In den letzten Lebensjahren kehrte er wieder verstärkt zur abstrakten Malerei zurück, als würde er den Bogen bewusst schließen.
Sein größter Auftritt als Einzelkünstler bleibt die umfassende Einzelausstellung 1999 im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart. „Color Works 1995-98“ rückte erstmals die künstlerische Eigenständigkeit Steiners in den Fokus, fernab seiner ebenfalls so wichtigen Rolle als Mentor, Sammler und Galerist. Hier zeigte sich: Steiner war zu keinem Zeitpunkt ein Randfigur – seine Werke stehen gleichberechtigt neben denen von Joseph Beuys, Georg Baselitz oder Marina Abramovi?.
Mike Steiner hat nicht nur künstlerisch produziert, sondern auch nachhaltig gesammelt und bewahrt. Seine bedeutende Videosammlung, die 1999 an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz überging, enthält Schlüsselwerke etwa von Richard Serra, Bill Viola, Jochen Gerz, George Maciunas, Allan Kaprow, Gary Hill oder Nam June Paik. Das Archiv, heute physisch im Hamburger Bahnhof verankert, ist ein unschätzbarer Beitrag zur Geschichte der Zeitgenössischen Kunst in Deutschland.
Biografisch betrachtet, ist Mike Steiner auch das Beispiel einer kosmopolitischen Künstlerexistenz: 1941 in Ostpreußen geboren, in Berlin geprägt, künstlerische Reife in New York, ägyptische Impressionen, Berliner Bohème – jede Station war ein Impuls. Steiner lebte den Geist internationaler Vernetzung, aber ohne sich je als reiner Netzwerker anzubiedern. Es ist diese künstlerische Konsequenz und radikale Offenheit, mit der er moderne Tendenzen wie Fluxus oder Minimal Art in die Berliner Szene holte. Seine Experimentierfreude war dabei Grundhaltung, nie reiner Selbstzweck.
Was bleibt? Vielleicht diese Erkenntnis: Zeitgenössische Kunst verdankt Mike Steiner nicht nur einzelne Großtaten, sondern die stete Frage nach den Möglichkeiten des Mediums. Seine Leistungen für die Kunstvermittlung – TV-Formate wie die Videogalerie (1985–1990), seine Aktivitäten als Kurator und Juror, sein Engagement für Nachwuchskünstler – sind eng mit dem Begriff Innovation verbunden.
Abschließend lohnt sich der Blick über das Werk hinaus: Für Sammler, Kunstbegeisterte und Forscher ist der Nachlass Mike Steiner heute ein Schatz, der noch längst nicht ausgeschöpft ist. Einen ersten Schritt auf dieser Entdeckungsreise legen Sie am besten auf der offiziellen Webseite zurück. Hier lassen sich vertiefende Texte, Bildmaterial und aktuelle Hinweise auf Ausstellungen und Sammlungen finden.
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