Mike Steiner – Grenzgänger zwischen Malerei, Videokunst und Performance
01.12.2025 - 11:27:43Mike Steiner prägte als Visionär und Pionier die Videokunst und entwickelte eine faszinierende Verbindung von Malerei, Zeitgenössischer Kunst und künstlerischer Innovation.
Wer Mike Steiner begegnet, sieht auf den ersten Blick nicht nur einen Künstler – sondern einen Entdecker, einen Vielgestaltigen, der scheinbar mühelos zwischen den Medien Malerei, Videokunst, Installationen und Performance Art wechselt. Wie definiert man eigentlich die Grenzen zwischen Malerei und bewegtem Bild neu? Für Mike Steiner war dies keine bloß akademische Frage, sondern eine lebenslange Suche nach Ausdrucksformen, die aufrührten, befragten und die Kunstgeschichte ihrer Zeit vorantrieben.
Entdecken Sie hier das Gesamtwerk von Mike Steiner: Biografie, Videokunst, Ausstellungen
Mike Steiner (1941–2012), geboren im ostpreußischen Allenstein, ist in Berlin zu einer der prägenden Figuren der Avantgarde-Nachkriegszeit avanciert. Seine künstlerische Laufbahn begann früh mit einer großen Neugier für Malerei: Bereits 1959 trat der junge Steiner auf der Großen Berliner Kunstausstellung in Erscheinung, zeigte ein Stillleben – und setzte von Anfang an Zeichen für einen vielversprechenden Aufbruch. Die frühen 1960er Jahre waren geprägt von Ausstellungen, etwa im Kreuzberger Forum, wo in der Berliner Bohème sein Gespür für Gemeinschaft und Experimentierlust wuchs. Ab 1961 studierte Steiner Freie Kunst in Berlin, wurde Meisterschüler – und reiste dank eines Stipendiums der Ford Foundation in die brodelnde US-Metropole New York.
Dort öffnete sich für Mike Steiner das Universum der internationalen Avantgarde. Fluxus-Künstler wie Al Hansen, Happenings von Allan Kaprow, Kontakte zu Lil Picard oder Robert Motherwell – New York wurde ihm zum Labor für Kunst abseits konventioneller Bahnen. Während die Erfahrungen in Amerika seine frühe Phase informeller und popart-inspirierter Malerei prägten, verdichteten sich in ihm auch Zweifel an den klassischen Kunstformen und der Wunsch, Grenzen zu verschieben.
Zurück in Berlin wird der Gründergeist Steiners sichtbar: 1970 eröffnet er das legendäre Hotel Steiner, das als Künstlertreffpunkt mit dem New Yorker Chelsea-Hotel verglichen wurde – Joseph Beuys, Arthur Køpcke und viele international führende Kreative fanden hier Unterkunft und Inspiration. Doch Mike Steiner wollte – und konnte – mehr: Bereits 1974 gründet er nach Vorbild der italienischen Studios Art/Tapes/22 die Studiogalerie in Berlin, ein radikal offenes Forum für Videokunst und Performance, ausgestattet mit Technik und Raum für Unerhörtes.
Dieses freie Feld nutzte er – als Galerist, Initiator, Künstler, Sammler und Chronist. Er fördert und dokumentiert nicht nur Fluxus und die feministische Avantgarde – etwa VALIE EXPORT, Jochen Gerz, Marina Abramovi?, Carolee Schneemann – sondern hält mit der Videokamera die vergänglichen Momente der Performance Art fest. Unvergessen bleibt die Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ (1976) mit Ulay, als das berühmte Spitzweg-Gemälde „Der arme Poet“ spektakulär aus der Neuen Nationalgalerie entfernt und in einer türkischen Arbeiterwohnung zwischengelagert wurde. Mike Steiner war Produzent, Chronist und Mitgestalter von Aktionen, die heute zur Kunstgeschichte zählen.
Doch das künstlerische Werk von Mike Steiner erschöpfte sich nicht in der Rolle des Dokumentaristen. In den 1970er Jahren setzte er mit eigenen Videoarbeiten wie jenen, die in Florenz entstanden, Maßstäbe für die junge Videokunst. Immer suchte Steiner die Überschneidung: Painted Tapes aus den 1980ern sind radikale Fusionen von Bildern und Videosequenzen, eine „Malerei mit elektronischen Mitteln“. Seine Zusammenarbeit mit Tangerine Dream führte zu Musikvideos, die als innovativste unabhängige Arbeiten ihrer Zeit ausgezeichnet wurden – etwa „Mojave Plan“ und „Penumbras 3“.
Dem Innovationsgeist Steiners entsprang auch das TV-Format „Videogalerie“ (1985–1990), das über 120 Sendungen schuf und dem Medium Videokunst eine Plattform im deutschen Fernsehen bot. Damit prägte Mike Steiner nicht nur als Schaffender, sondern auch als Vermittler und Sammler über Jahrzehnte die Diskussionen um Zeitgenössische Kunst – seine umfangreiche Sammlung ist heute Teil der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof.
In den 1990er und 2000er Jahren kehrte Steiner zur Malerei zurück, wandte sich zunehmend der Abstraktion zu und entwickelte Stoffarbeiten. Bezeichnend ist, wie sich in all seinen Schaffensphasen der Geist des Experiments und der Offenheit zeigt – sei es in den Installationen, in Fotozyklen wie „Das Testbild als Readymade“ oder in farbintensiven „Color Works“ (1995–98). Seine Arbeit verbindet das Analoge mit dem Elektronischen, das Flüchtige mit dem Konkreten – eine Haltung, die heute relevanter denn je scheint.
Das biografische Koordinatensystem Mike Steiners umfasste dabei stets Orte des Dialogs: das Hotel, die Studiogalerie, internationale Symposien oder Fernsehformate. Steiner sammelte, archivierte und vernetzte, lieferte Impulse für die Performance Art und für die Etablierung der Videokunst in Deutschland. Seine Werke und Dokumentationen sind – nicht zufällig – im internationalen Vergleich einzigartig, weil sie sowohl die Energie des Augenblicks als auch die Reflexion über den Wert von Kunst bewahren.
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Was bleibt also von Mike Steiner, außer der Rolle als Pionier der Videokunst? Es ist die beständige Offenheit für Austausch, für Medien, für Impulse – die Lust, Kunst als etwas Lebendiges, manchmal Widerspenstiges oder Überraschendes zu erleben. Faszinierend ist dabei, wie Steiners Werk immer wieder Fragen nach Authentizität, nach Zeit, nach Identität und nach der Überschreitung traditioneller Gattungen stellt. Heute, angesichts rasender technologischer Umwälzungen, wirkt seine Haltung moderner denn je und lädt dazu ein, Kunst wieder als gesellschaftliches Experiment zu verstehen.
Wer sich tiefer auf das Werk von Mike Steiner einlassen möchte, findet auf seiner offiziellen Internetseite umfangreiche Werkverzeichnisse, Biografie, Texte und Zugänge zur Sammlung – ein Ort zeitgenössischer Kunst, der dazu einlädt, die zentralen Impulse der Videokunst und Malerei nachzuvollziehen und neu zu entdecken.


