Microsoft, Amazon

Microsoft und Amazon: EU nimmt Cloud-Dienste ins Visier

18.11.2025 - 23:52:12

Die Europäische Kommission leitet formelle Marktuntersuchungen gegen die Cloud-Giganten ein. Eine Einstufung als Gatekeeper könnte strikte Auflagen und Milliardenstrafen nach sich ziehen.

Die Europäische Kommission hat heute formelle Marktuntersuchungen gegen Microsoft Azure und Amazon Web Services eingeleitet. Brüssel prüft, ob die Cloud-Giganten als sogenannte „Gatekeeper” unter dem Digital Markets Act (DMA) reguliert werden müssen – eine Entscheidung, die das Geschäftsmodell der beiden Konzerne grundlegend verändern könnte.

EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen verkündete den Schritt als neue Phase im Kampf gegen die Marktmacht großer Technologiekonzerne. Zwar gelten Microsoft und Amazon bereits für andere Dienste – etwa Windows oder den Amazon-Marktplatz – als Gatekeeper, doch ihre dominante Cloud-Infrastruktur steht erstmals explizit auf dem Prüfstand. Die Untersuchungen sollen innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein.

Der qualitative Ansatz: Neue Waffen im Regulierungs-Arsenal

Interessant wird es bei den Details: Weder Azure noch AWS erfüllen aktuell die üblichen quantitativen Schwellenwerte für Nutzerzahlen und Marktposition, die eine Gatekeeper-Einstufung normalerweise auslösen. Die Kommission zieht deshalb eine qualitative Bewertung heran – ein juristisch anspruchsvoller Weg, der die “sehr starke Marktposition” und die Rolle als “wichtige Torwächter” in den Fokus rückt.

„Cloud-Dienste treiben Europas digitale Zukunft voran – sie ermöglichen KI-Entwicklung und fördern Innovation”, erklärte Virkkunen. „Solche Dienste müssen in einem fairen, offenen und wettbewerbsorientierten Umfeld angeboten werden, das Vertrauen schafft und Europas digitale Souveränität sichert.”

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Die Untersuchung wird prüfen, ob bestimmte Marktmerkmale die Vormachtstellung von Azure und AWS weiter zementieren. Parallel dazu startete die Kommission eine dritte, umfassendere Prüfung: Ist der DMA überhaupt gerüstet, um wettbewerbswidrige Praktiken im Cloud-Sektor zu bekämpfen? Gemeint sind etwa Kopplungsgeschäfte, Hürden bei der Interoperabilität und eingeschränkter Datenzugang für Geschäftskunden. Diese Untersuchung soll nach 18 Monaten abgeschlossen sein und könnte zu Anpassungen der DMA-Vorgaben führen.

Was droht den Cloud-Riesen?

Sollte Brüssel Microsoft Azure und AWS tatsächlich als Gatekeeper einstufen, hätten die Konzerne sechs Monate Zeit, sich an strikte Auflagen anzupassen. Die Regelungen zielen darauf ab, Machtmissbrauch großer Plattformen zu verhindern:

  • Keine Bevorzugung eigener Dienste: Die Unternehmen dürften ihre Services nicht besser behandeln als die von Wettbewerbern
  • Interoperabilität garantieren: Drittanbieter-Dienste müssten mit den eigenen Plattformen kompatibel sein
  • Datenzugang gewähren: Geschäftskunden hätten Anspruch auf Zugriff auf ihre selbst generierten Daten

Bei Verstößen werden empfindliche Strafen fällig: bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes, bei wiederholten Verstößen sogar 20 Prozent. Für Microsoft und Amazon würden solche Bußgelder schnell Milliarden-Dimensionen erreichen.

Die Giganten wehren sich: „Markt funktioniert doch”

Beide Konzerne reagierten umgehend auf die Ankündigung – und betonten die Wettbewerbsintensität im Cloud-Geschäft. Ein Microsoft-Sprecher erklärte: „Der Cloud-Sektor in Europa ist innovativ, hochgradig wettbewerbsorientiert und ein Wachstumsbeschleuniger für die gesamte Wirtschaft. Wir stehen bereit, zur Marktuntersuchung der Europäischen Kommission beizutragen.”

AWS warnte deutlicher: Der Sektor sei „extrem dynamisch”, und eine Gatekeeper-Einstufung von Cloud-Anbietern berge „Risiken, Innovation zu ersticken oder die Kosten für europäische Unternehmen zu erhöhen”. Man sei zuversichtlich, dass die Fakten dies belegen würden.

Unterstützung kommt hingegen von Wettbewerbsbefürwortern. Max von Thun, Direktor beim Open Markets Institute, begrüßte den Schritt ausdrücklich: Seine Organisation habe „seit Langem gefordert, dominante Cloud-Anbieter unter den DMA zu stellen, angesichts ihrer weithin dokumentierten unfairen und wettbewerbswidrigen Taktiken, um Rivalen auszusperren und ihre Kunden einzusperren”. Auch die britische Wettbewerbsbehörde hat kürzlich empfohlen, AWS und Microsoft als marktbeherrschend einzustufen.

Zeitenwende für Europas digitale Infrastruktur?

Brüssels Vorstoß signalisiert: Der DMA soll seine volle Wirkung auch bei kritischer digitaler Infrastruktur entfalten. Da Cloud-Dienste das Fundament für Künstliche Intelligenz und die gesamte Digitalwirtschaft bilden, wollen die Regulierer sicherstellen, dass der Markt fair und umkämpft bleibt.

In den kommenden Monaten wird die Kommission Informationen von Marktteilnehmern sammeln. Bestätigt sich die Gatekeeper-Einstufung, könnte das die Cloud-Landschaft in Europa grundlegend umkrempeln. Die dominanten Anbieter müssten ihre Ökosysteme öffnen – möglicherweise entstünde so mehr Raum für kleinere, regionale Wettbewerber.

Für die tausenden europäischen Unternehmen, die auf diese Plattformen angewiesen sind, könnte das Ergebnis mehr Auswahl, bessere Preise und vor allem mehr Kontrolle über ihre eigenen Daten bedeuten. Kein Wunder also, dass Brüssel hier genau hinschaut.

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