Microsoft, Gebrauchtsoftware-Markt

Microsoft greift Gebrauchtsoftware-Markt frontal an

10.09.2025 - 07:21:01

Microsoft stellt vor Londoner Gericht den europäischen Wiederverkauf von Software-Lizenzen infrage. Ein Urteil könnte den gesamten Gebrauchtmarkt für Windows und Office bedrohen.

Microsoft stellt das Milliardengeschäft mit gebrauchten Software-Lizenzen auf den Prüfstand. Ein Londoner Gericht entscheidet über eine rechtliche Argumentation des Konzerns, die den gesamten europäischen Markt für Second-Hand-Software aushebeln könnte.

Der Fall, der am Dienstag vor dem britischen Competition Appeal Tribunal begann, dreht sich um eine bislang ungetestete Unterscheidung. Microsoft argumentiert, dass zwar der zugrunde liegende Programmcode seiner Windows- und Office-Produkte weiterverkauft werden darf, andere kritische Elemente wie die grafische Benutzeroberfläche jedoch als „Nicht-Programm-Urheberrechtswerke“ nicht von denselben Regeln erfasst seien.

Was für die Branche auf dem Spiel steht

Der britische Wiederverkäufer ValueLicensing sieht darin einen direkten Angriff auf die gesamte Branche: „Falls Microsofts Argument korrekt ist, würde das bedeuten, dass der komplette Wiederverkaufsmarkt in Europa nicht existieren dürfte.“ Die dreitägige Verhandlung könnte einen dramatischen Präzedenzfall für digitales Eigentum schaffen.

Aus Kartellstreit wird Copyright-Offensive

Was 2021 als klassischer Kartellrechtsfall begann, hat sich zu einer fundamentalen Auseinandersetzung über Software-Eigentumsrechte entwickelt. ValueLicensing hatte ursprünglich eine 270-Millionen-Euro-Klage gegen Microsoft eingereicht und dem Konzern vorgeworfen, durch Rabatte und Anreize Unternehmen dazu zu bewegen, ihre dauerhaften Software-Lizenzen abzugeben – und damit dem Wiederverkaufsmarkt zu entziehen.

Doch Microsoft wechselte die Strategie radikal. Statt seine Geschäftspraktiken zu verteidigen, stellt der Konzern nun die Rechtmäßigkeit des Marktes an sich infrage. Eine bemerkenswerte Wendung, wie ValueLicensing betont: Aus der Verteidigung wurde zum Angriff.

Die aktuelle Anhörung soll diese zentralen Urheberrechtsfragen klären. Ein Erfolg für Microsoft könnte den größeren Kartellrechtsfall bereits im Keim ersticken – noch bevor er 2026 zur Hauptverhandlung kommt.

Etabliertes EU-Recht unter Beschuss

Der rechtliche Rahmen für Software-Wiederverkäufe wurde 2012 durch ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs geschaffen. Im Fall UsedSoft GmbH gegen Oracle International Corp etablierte das Gericht die „Erschöpfungslehre“: Verkauft ein Software-Hersteller eine dauerhafte Lizenz innerhalb der EU, ist sein Recht zur Kontrolle dieser spezifischen Kopie „erschöpft“.

Dieses Urteil legalisierte den Wiederverkauf heruntergeladener Software und schuf das rechtliche Fundament für Unternehmen wie ValueLicensing.

Microsofts neue Strategie versucht, dieses Grundsatzurteil zu umgehen, indem sie Software in verschiedene urheberrechtsfähige Komponenten aufteilt. Die Argumentation: Visuelle Elemente wie die Benutzeroberfläche gehören nicht zum „Computerprogramm“ der Erschöpfungslehre. Ein Erfolg würde den Wiederverkauf voll funktionsfähiger Software-Versionen unmöglich machen.

Europa gespalten: Niederlande stärken Wiederverkaufsrechte

Während London über eine Demontage der Software-Wiederverkaufsrechte berät, verstärken andere EU-Länder diese Rechte. Ein niederländisches Gericht bestätigte im Juli die UsedSoft-Grundsätze und gab der Regierungsbehörde UWV recht: Sie durfte ihre überschüssigen Oracle-Lizenzen beim Wechsel zu einer neuen Software-Plattform verkaufen.

Das niederländische Urteil stellte klar fest: Dauerhafte Lizenzen sind Vermögenswerte, die von ihren Eigentümern verkauft werden können. Vertragsklauseln, die solche Übertragungen verbieten, sind nach EU-Recht nicht durchsetzbar.

Dieser Kontrast verdeutlicht eine wachsende Spannung im digitalen Markt. Software-Anbieter bevorzugen zunehmend Abonnement-Modelle wie Microsoft 365, die wiederkehrende Einnahmen und größere Kontrolle bieten. Der Wiederverkauf dauerhafter Lizenzen bietet jedoch eine kostengünstige Alternative und fördert Konkurrenz.

Anzeige: Während Hersteller auf Abos wie Microsoft 365 setzen, müssen Sie für Word & Excel nicht zwangsläufig zahlen. Ein kostenloser Schritt-für-Schritt-Report zeigt, wie Sie Microsoft Office legal im Web nutzen – ohne Installation und ohne Abo, inklusive OneDrive und Zusammenarbeit. Ideal, um sofort produktiv zu bleiben und Kosten zu sparen. Jetzt kostenlosen Office-Guide sichern

Wegweisende Entscheidung für digitales Eigentum

Die Entscheidung wird branchenübergreifend mit Spannung erwartet. Ein Sieg für Microsoft könnte sofortige Folgen für den britischen Gebrauchtsoftware-Markt haben und den Konzern ermutigen, ähnliche rechtliche Angriffe in der EU zu starten.

Lehnt das Gericht Microsofts Copyright-Argumentation ab, wäre das eine starke Bestätigung der UsedSoft-Grundsätze. ValueLicensings ursprüngliche Kartellrechtsklage würde dann 2026 zur Hauptverhandlung kommen.

Die grundlegende Frage bleibt: Was bedeutet es im digitalen Zeitalter, Software zu „besitzen“? Die Antwort wird Jahre nachwirken.

@ boerse-global.de