Merz drängt auf Ende des 8-Stunden-Tags
27.11.2025 - 23:00:11Die Debatte um flexible Arbeitszeiten eskaliert: Kanzler Friedrich Merz will die tägliche Höchstarbeitszeit abschaffen und nur noch wöchentliche Grenzen setzen. Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Reform und warnen vor 13-Stunden-Tagen.
Berlin – Der Konflikt um die Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes erreichte diese Woche einen neuen Höhepunkt. Nach dem Deutschen Arbeitgebertag am Dienstag bekräftigte die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) ihre Absicht, die starre Acht-Stunden-Grenze pro Tag durch eine flexible Wochenarbeitszeit zu ersetzen. Verdi und DGB reagierten am Donnerstag mit scharfer Kritik: Die Pläne würden „Dreizehn-Stunden-Tage” ermöglichen und die Gesundheit der Beschäftigten gefährden.
Den Anstoß für die neuerliche Debatte gab BDA-Präsident Rainer Dulger mit seiner Rede auf dem Deutschen Arbeitgebertag. Der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände forderte den Kanzler direkt auf, endlich strukturelle Reformen gegen die wirtschaftliche Stagnation durchzusetzen. Die derzeitigen Tagesgrenzen seien ein Relikt aus vergangener Zeit, das die Wettbewerbsfähigkeit behindere.
„Wir brauchen einen flexiblen Rahmen, der die digitale Realität abbildet – nicht den Industrietakt des letzten Jahrhunderts”, sagte Dulger am Dienstag. Er appellierte an die Koalition, endlich die im Koalitionsvertrag vereinbarte „wöchentliche Höchstarbeitszeit” umzusetzen. Starre Tagesgrenzen würden Unternehmen daran hindern, auf schwankende Auftragslage zu reagieren. „Deutschland braucht Sie jetzt als Wachstumskanzler”, betonte Dulger und verknüpfte die Reform direkt mit der wirtschaftlichen Erholung des Landes.
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Die BDA argumentiert, dass eine Umstellung auf die europäische Standardgrenze von 48 Wochenstunden – ohne strikte Tagesobergrenze – Beschäftigten ermöglichen würde, an manchen Tagen länger zu arbeiten und dafür andere Tage freizunehmen.
Regierung plant Gesetzesänderung
Kanzler Merz signalisierte Unterstützung für die Arbeitgeberposition und bezeichnete die Reform als notwendigen Schritt, um die deutsche Wirtschaft „zu entfesseln”. Regierungskreisen zufolge wird derzeit ein Gesetzentwurf zur Änderung des § 3 des Arbeitszeitgesetzes finalisiert. Die geplante Änderung würde das Prinzip des Acht-Stunden-Tags durch eine wöchentliche Berechnung ersetzen, bei der ein Durchschnitt von 48 Stunden über einen Referenzzeitraum eingehalten werden muss.
„Es geht nicht darum, mehr zu arbeiten, sondern flexibler”, erklärte ein Regierungssprecher gestern. Die Reform ziele darauf ab, deutsches Recht stärker an die EU-Arbeitszeitrichtlinie anzupassen, die sich primär auf Wochengrenzen und Ruhezeiten konzentriert.
Der Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft (BDWi) erhöhte den Druck am heutigen Donnerstag mit einer Stellungnahme, in der er den Kanzler aufforderte, diese Deregulierungsmaßnahmen zu priorisieren. „Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist der Schlüssel zur Entlastung der Unternehmen”, argumentierte der Verband und verwies auf den anhaltenden Fachkräftemangel.
Gewerkschaften warnen vor Gesundheitsrisiken
Die Reaktion der Gewerkschaften fiel heftig aus. Verdi startete am Donnerstag eine Gegenkampagne mit dem Titel „Genug gearbeitet” und wirft der Regierung vor, exzessive Arbeitszeiten unter dem Deckmantel der Flexibilität legalisieren zu wollen.
„Der Acht-Stunden-Tag ist eine unverzichtbare Gesundheitsgrenze”, erklärte Verdi in einer heute veröffentlichten Stellungnahme. Die Gewerkschaft warnt, dass die Abschaffung der Tagesobergrenze rechtlich Arbeitstage von bis zu 13 Stunden ermöglichen könnte – errechnet durch Abzug der vorgeschriebenen elf Stunden Ruhezeit vom 24-Stunden-Tag. „Wer an der Arbeitszeit-Schraube dreht, dreht an Gesundheit und Familienleben”, heißt es in der Erklärung.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) positionierte sich klar dagegen. Regionale DGB-Gliederungen organisieren bereits Proteste. DGB-Funktionäre argumentieren, bestehende Gesetze erlaubten bereits erhebliche Flexibilität über Tarifverträge. Eine gesetzliche Deregulierung würde vor allem Beschäftigte in Branchen ohne starke Gewerkschaftsvertretung treffen – etwa in der Logistik oder der Gig-Economy. „Das ist ein Frontalangriff auf den Schutzschild der Arbeitnehmer”, sagte ein DGB-Sprecher.
Wirtschaftliche Lage verschärft Druck
Der erneute Vorstoß zur Flexibilisierung erfolgt vor dem Hintergrund anhaltender wirtschaftlicher Schwäche. Dulger bezeichnete Deutschland als „Schlusslicht der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa” – ein Argument, mit dem die Wirtschaftsverbände aggressiv für angebotsseitige Reformen werben.
Derzeit begrenzt das Arbeitszeitgesetz die tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden, die nur dann auf zehn Stunden ausgedehnt werden darf, wenn der Durchschnitt über sechs Monate acht Stunden nicht überschreitet. Eine Umstellung auf eine reine Wochengrenze von 48 Stunden würde die bedeutendste Änderung des deutschen Arbeitsrechts seit Jahrzehnten darstellen.
Befürworter argumentieren, die strikte Tagesgrenze schaffe Rechtsunsicherheit für moderne Arbeitsformen wie abendliches E-Mail-Checken oder flexible Remote-Work-Modelle. Gegner befürchten jedoch, dass ohne Tagesobergrenzen die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben vollständig erodieren würde – mit steigenden Burnout-Raten als Folge.
Gesetzgebungsverfahren startet bald
Das Gesetzgebungsverfahren dürfte sich in den kommenden Wochen beschleunigen. Da sich die CDU/CSU-SPD-Koalition offenbar über die grundsätzliche Richtung einig ist – trotz Kritik vom linken SPD-Flügel – könnte noch vor der Weihnachtspause ein Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht werden.
Die Gewerkschaften haben allerdings „massiven Widerstand” angekündigt, sollte die Tagesobergrenze ohne angemessene Schutzmaßnahmen abgeschafft werden. In den kommenden Monaten dürften intensive Verhandlungen über mögliche Kompromisse folgen – etwa ein Recht auf Nichterreichbarkeit oder verpflichtende Zeiterfassungssysteme zur Verhinderung unbezahlter Überstunden. Letzteres hat der Europäische Gerichtshof bereits vorgeschrieben, doch eine vollständige gesetzliche Umsetzung in Deutschland steht noch aus.
Die Fronten sind klar: Arbeitgeber sehen die Flexibilisierung als Überlebensnotwendigkeit, Gewerkschaften als Abbau historischer Arbeitnehmerrechte.
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