LAG Köln: Einigungsstellen-Grenzen neu definiert
25.11.2025 - 07:31:12Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln schränkt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit-Orten ein und ermöglicht Arbeitgebern Kosteneinsparungen bei Einigungsstellen-Verfahren.
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln schränkt die Zuständigkeit von Einigungsstellen deutlich ein. Für Arbeitgeber könnte das spürbare Kostenentlastung bedeuten – während sich für Betriebsräte die Spielregeln ändern.
Das LAG Köln hat mit seiner Entscheidung (Az. 9 TaBV 25/25) eine Grundsatzfrage geklärt: Wo endet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Arbeitszeit? Die internationale Kanzlei Bird & Bird veröffentlichte am 24. November 2025 eine Analyse des Urteils, das weitreichende Folgen für die deutsche Betriebsverfassung haben dürfte.
Im Kern geht es um die Frage, ob Wegezeiten – etwa vom Parkplatz zum eigentlichen Arbeitsplatz – unter das Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeitgestaltung fallen. Die Antwort des Gerichts ist eindeutig: Nein. Die bloße Bestimmung des Ortes, an dem die Arbeitszeit beginnt, unterliegt nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
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Offensichtlich unzuständig – und damit kostenfrei?
Was nach juristischer Haarspalterei klingt, hat handfeste finanzielle Konsequenzen. Denn nach § 76a BetrVG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Kosten der Einigungsstelle – inklusive Vorsitzenden-Honorar und externen Gutachtern. Bei komplexen Verfahren summieren sich die Beträge schnell auf fünfstellige Summen.
Doch es gibt einen Ausweg: Ist die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig, entfällt die Kostentragungspflicht. Genau hier setzt das LAG Köln an. Die Richter differenzieren klar zwischen der Mitbestimmung bei Beginn, Ende und Verteilung der Arbeitszeit einerseits – und der Festlegung des Ortes, an dem die Zeiterfassung beginnt, andererseits.
“Diese Unterscheidung verschafft Unternehmen einen erheblichen taktischen Vorteil”, betonen die Rechtsexperten. Arbeitgeber können künftig gezielter prüfen, ob ein Streitthema überhaupt unter die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte fällt – und gegebenenfalls die Bildung einer Einigungsstelle blockieren.
Digitalisierung als neue Konfliktfront
Während das Kölner Urteil eine Tür schließt, öffnet die fortschreitende Digitalisierung neue Streitfelder. Der Koalitionsvertrag 2025 sieht vor, Betriebsräten und Gewerkschaften digitale Zugangsrechte gleichwertig zu ihren analogen Pendant einzuräumen.
Konkret bedeutet das:
* Digitaler Zugang: Gewerkschaften erhalten Zugriff auf E-Mail- und Intranet-Systeme, um Beschäftigte zu erreichen
* Virtuelle Versammlungen: Betriebsratssitzungen per Videokonferenz werden rechtlich verankert – bisher existiert nach Auslaufen der Pandemie-Regelungen eine Grauzone
Rechtsbeobachter warnen: Was durch engere Zuständigkeitsgrenzen bei “Orts-Streitigkeiten” eingespart wird, könnte durch Konflikte um digitale Tools, Datenschutz und elektronische Überwachung schnell wieder aufgefressen werden. Gerade bei der “technischen Überwachung” nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erwarten Experten steigende Fallzahlen.
Was folgt daraus für die Praxis?
Für Arbeitgeber: Das Urteil liefert eine wirksame Abwehrwaffe gegen überzogene Mitbestimmungsansprüche. Personalabteilungen sollten künftig genau prüfen, ob Betriebsratsanträge wirklich die “Arbeitszeitverteilung” betreffen – oder lediglich Vergütungsansprüche (etwa automatische Bezahlung von Pendelzeiten) durchsetzen wollen. Letztere fallen nicht unter § 87 BetrVG.
Für Betriebsräte: Die Entscheidung erfordert Präzision. Wer eine Einigungsstelle erzwingen will, muss Forderungen exakt im Rahmen des gesetzlichen Mitbestimmungskatalogs formulieren. Anträge, die in Richtung Entgeltfragen abdriften, laufen Gefahr, von Gerichten abgeblockt zu werden.
Vergleich zur Praxis: Anders als etwa bei SAP oder der Telekom, wo Betriebsvereinbarungen zu Homeoffice und Arbeitszeit meist einvernehmlich ausgehandelt werden, eskalieren in kleineren Unternehmen Konflikte häufiger bis zur Einigungsstelle. Die neue Rechtsprechung könnte hier als Filter wirken.
Ausblick: Spannungsfeld zwischen Sparzwang und Modernisierung
Zum Jahresende 2025 zeichnet sich ab: Die deutsche Mitbestimmungslandschaft steht im Spannungsfeld zwischen Kostendämpfung und digitaler Modernisierung. Während Gerichte den Anwendungsbereich klassischer Streitthemen eingrenzen, garantiert die gesetzgeberische Offensive für digitale Betriebsratsrechte, dass die Einigungsstelle auch künftig zentrale – wenn auch teure – Arena für Arbeitskonflikte bleiben wird.
Ob die engeren Zuständigkeitsgrenzen tatsächlich zur Kostenentlastung führen oder nur die Streitfelder verlagern, wird sich 2026 zeigen. Sicher ist: Beide Seiten werden ihre Strategien anpassen müssen.
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