Kündigungsschutz-Debatte: CDU-Vize heizt Konflikt an
15.11.2025 - 14:10:12Die deutsche Arbeitsmarkt-Diskussion erreicht einen neuen Siedepunkt. Was als Vorschlag der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm begann, verwandelte sich binnen Stunden in einen handfesten politischen Schlagabtausch: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert nun nicht nur die 40-Stunden-Woche als Standard zurück, sondern will auch beim Krankengeld kürzen.
Die Fronten könnten kaum verhärteter sein. Während Wirtschaftsvertreter von überfälligen Reformen sprechen, wittern Gewerkschaften den Anfang vom Ende des deutschen Arbeitnehmerschutzes. Doch was steckt wirklich hinter den Forderungen? Und welche Chancen haben sie überhaupt auf Umsetzung?
Den Stein ins Rollen brachte Veronika Grimm, eine der fünf Wirtschaftsweisen. Ihr Kernargument: Der strenge deutsche Kündigungsschutz verhindere, dass Arbeitskräfte zu produktiveren Unternehmen wechseln. “Unser System schreckt Gründerinnen und Gründer ab”, erklärte die Ökonomin gegenüber der Funke-Mediengruppe.
Als Gegenentwurf präsentierte sie das dänische Flexicurity-Modell – eine Kombination aus geringerem Kündigungsschutz, höherem Arbeitslosengeld und effektiver Jobvermittlung. “So kann sich die Wirtschaft den neuen Herausforderungen schneller anpassen”, argumentierte Grimm. Selbst Arbeitnehmer würden profitieren, wenn dadurch Wachstumschancen gehoben würden.
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Kann ein System, das in einem Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern funktioniert, tatsächlich auf die deutsche Wirtschaftsrealität übertragen werden?
Kretschmer legt nach: 40 Stunden und Karenzzeit
Sachsens Regierungschef machte aus der ökonomischen Debatte am Samstag eine politische Kampfansage. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende bezeichnete Grimms Vorschlag als “interessanten Ansatz, der nicht gleich in hysterischen Reaktionen kaputtgeredet werden darf”.
Doch Kretschmer blieb nicht bei der Verteidigung stehen. Er legte gleich drei zusätzliche Forderungen nach:
- 40-Stunden-Woche als Standard statt Ausnahme
- Teilzeit- und Befristungsgesetz nur noch in wenigen Fällen anwendbar
- Karenzregelung bei Krankheit: Die ersten ein bis zwei Tage ohne Krankengeld
“Bei schwerer Krankheit dafür die entsprechenden Tage länger. Das ist solidarisch”, rechtfertigte der CDU-Politiker seine Pläne. Eine Argumentation, die bei Arbeitnehmervertretern auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte.
Gewerkschaften: “Das Gesetz ist bereits flexibel”
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat zwar noch nicht direkt auf Kretschmers Äußerungen reagiert – seine Gegenposition ist aber seit Jahren klar formuliert. Das bestehende Arbeitszeitgesetz sei bereits hochflexibel, betonen die Gewerkschaften gebetsmühlenartig.
Die Zahlen geben ihnen teilweise recht: Schon heute sind bis zu zehn Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich möglich. Selbst eine 4-Tage-Woche mit 40 Stunden ist rechtlich umsetzbar. Die Behauptung, das Gesetz sei zu starr, nennt der DGB schlicht einen “Mythos”.
Was Gewerkschaften besonders alarmiert: Eine weitere Lockerung würde aus ihrer Sicht vor allem Gesundheitsschutz abbauen, ohne echten wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Der jüngste Protest gegen Forderungen von Wirtschaftsverbänden, das Rentenpaket zu stoppen, zeigt die Kampfbereitschaft der Arbeitnehmervertreter.
Strukturwandel oder Sozialabbau?
Der Zeitpunkt der Debatte ist kein Zufall. Deutschland steckt in einer wirtschaftlichen Zwickmühle: stagnierende Konjunktur, scharfer internationaler Wettbewerb, fundamentaler Strukturwandel. Die Autoindustrie strauchelt, die Energiewende verschlingt Milliarden, die Digitalisierung hinkt hinterher.
Befürworter einer Liberalisierung sehen in den “rigiden Strukturen” des Arbeitsmarktes das Haupthindernis für schnelle Anpassungen. Ihr Credo: Flexibilität schafft Innovation, Innovation schafft Wachstum.
Die Gegenseite argumentiert genau umgekehrt: Hohe Arbeitsplatzsicherheit sei selbst ein Produktivitätsfaktor. Wer ständig um seinen Job fürchten müsse, könne sich kaum auf kreative Lösungen konzentrieren. Zudem drohe der Abbau von Arbeitnehmerrechten soziale Unsicherheit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu befördern.
Es geht also um nicht weniger als die Frage: Was macht die soziale Marktwirtschaft aus?
Was kommt jetzt?
Bislang handelt es sich um öffentliche Wortmeldungen – keine Gesetzesinitiativen. Doch die politischen Grabenkämpfe sind vorprogrammiert. Innerhalb der CDU wird der Arbeitnehmerflügel kaum tatenlos zusehen, wie Kretschmer den Kündigungsschutz schleifen will.
Auch potenzielle Koalitionspartner dürften skeptisch reagieren. Die SPD würde einer solchen Reform niemals zustimmen, die Grünen ebenfalls nicht. Selbst in einer schwarz-gelben Konstellation wären die Hürden erheblich.
Was bleibt, ist eine Debatte, die tief ins Mark der deutschen Sozialordnung zielt. Die Gewerkschaften haben ihre Kampfansage bereits formuliert – auch wenn sie noch nicht explizit auf Kretschmer reagiert haben. Sollten konkrete Gesetzespläne folgen, dürfte Deutschland ein arbeitsmarktpolitischer Herbst bevorstehen, der an Schärfe kaum zu überbieten sein wird.
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