Kobalt-Grenzwerte: EU verschärft Schutz vor Krebsrisiken am Arbeitsplatz
03.12.2025 - 11:19:12Die EU hat sich auf schärfere Grenzwerte für krebserregende Stoffe verständigt – doch die Industrie warnt vor schweren Folgen. Am 1. Dezember 2025 einigten sich die Arbeitsminister der Mitgliedstaaten auf neue verbindliche Obergrenzen für Kobalt, ein kritischer Rohstoff für Batterie- und Rüstungsindustrie. Das Ziel: Tausende Krebserkrankungen verhindern. Die Reaktion der Wirtschaft: heftig.
Für deutsche Unternehmen bedeutet die Entscheidung zunächst eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen. Deutschland kennt bereits einige der strengsten Arbeitsschutzvorschriften weltweit. Doch in der EU-weiten Lieferkette dürften massive Anpassungen nötig werden – und genau das bereitet der Industrie Sorgen.
Die Beschäftigungsminister der EU-Mitgliedstaaten legten am Montag ihre Position zur sechsten Überarbeitung der CMRD-Richtlinie (Karzinogene, Mutagene und Reproduktionstoxische Stoffe) fest. Im Zentrum: verbindliche Expositionsgrenzwerte für Kobalt und seine anorganischen Verbindungen.
Um der Industrie Zeit für technische Anpassungen zu geben, gilt eine sechsjährige Übergangsfrist. In dieser Phase dürfen etwas höhere Werte erreicht werden: 0,02 mg/m³ für einatembare und 0,0042 mg/m³ für alveolengängige Partikel.
Viele Arbeitgeber unterschätzen jetzt die Anforderungen an ihre Gefährdungsbeurteilungen – besonders nachdem Kobalt und Schweißrauche explizit reguliert wurden. Behörden prüfen zunehmend die Dokumentation, und formale Fehler können zu Bußgeldern oder Nachforderungen führen. Praktische Vorlagen, Checklisten und ein Leitfaden helfen Sicherheitsbeauftragten dabei, rechtskonforme Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen, Expositionswerte systematisch zu erfassen und Prüfungen souverän zu bestehen. Gefährdungsbeurteilung-Vorlagen kostenlos herunterladen
Neben Kobalt umfasst die Einigung neue Grenzwerte für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), 1,4-Dioxan und Isopren. Auch Schweißrauche werden offiziell in die Liste der gefährlichen Stoffe aufgenommen.
„Niemand sollte krank werden, weil er zur Arbeit geht”, erklärte der dänische Arbeitsminister Kaare Dybvad Bek nach der Einigung. Der Rat geht davon aus, dass die neuen Regeln in den kommenden 40 Jahren etwa 1.700 Lungenkrebsfälle und 19.000 weitere Erkrankungen verhindern werden.
Industrie schlägt Alarm: „Selbstzerstörung”
Die Reaktion der Wirtschaft ließ nicht auf sich warten. Das Cobalt Institute, das die globale Kobaltindustrie vertritt, warnte scharf vor den Folgen. Der vorgeschlagene Grenzwert von 0,01 mg/m³ sei „durch keine Arbeitsplatzdaten gestützt” und gefährde die gesamte europäische Batterie-Wertschöpfungskette.
Die Branchenorganisation forderte stattdessen einen dauerhaften Grenzwert von 0,02 mg/m³ (20 µg/m³). Dieser Wert schütze Arbeitnehmer wirksam und bleibe für Hersteller technisch machbar. Ein Limit von 0,01 mg/m³ könnte die strategische Autonomie der EU konterkarieren – ausgerechnet in einer Zeit, in der die Kobaltnachfrage durch E-Mobilität und Verteidigungsbedarf bis 2050 massiv steigen wird.
Große Rüstungslieferanten und Batteriehersteller teilen diese Bedenken. Sie fürchten, dass zu strenge Vorgaben die Produktion in Länder mit niedrigeren Sicherheitsstandards verlagern könnten. Das Resultat? Die ambitionierten Industrieziele des Green Deal würden untergraben.
Deutsche Unternehmen bereits gut aufgestellt
Für Betriebe in Deutschland ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Bundesrepublik reguliert Kobalt bereits heute über die TRGS 910 (Technische Regel für Gefahrstoffe) – und zwar deutlich strenger als die neue EU-Vorgabe.
- Akzeptanzkonzentration: 0,5 µg/m³ (0,0005 mg/m³)
- Toleranzkonzentration: 5 µg/m³ (0,005 mg/m³)
Die EU-Grenzwert von 10 µg/m³ (0,01 mg/m³) liegt sogar über der deutschen Toleranzkonzentration. Im deutschen System müssen bei Überschreitung der Toleranzkonzentration sofort Maßnahmen zur Expositionsminderung ergriffen werden. Deutsche Unternehmen, die nationales Recht einhalten, erfüllen die neuen EU-Anforderungen also bereits mit deutlichem Spielraum.
Die Harmonisierung bringt jedoch einen entscheidenden Vorteil: Wettbewerber in anderen EU-Staaten, die bislang unter lockeren nationalen Standards operierten, müssen nun ebenfalls investieren. Das reduziert den Nachteil, den deutsche Firmen durch ihre strengen heimischen Auflagen haben.
Kritischer Zeitpunkt für Europas Industrie
Die Verschärfung kommt zu einem heiklen Moment. Der EU-weite „Vision Zero”-Ansatz – null arbeitsbedingten Todesfälle – kollidiert mit dem dringenden Bedarf, die heimische Produktion kritischer Rohstoffe hochzufahren.
Die Aufnahme von Schweißrauchen in die Richtlinie markiert einen weiteren Paradigmenwechsel. Während die Gefährlichkeit bekannt war, verpflichtet die explizite Nennung in Anhang I nun Arbeitgeber aller Branchen – nicht nur der Schwerindustrie –, Krebsrisiken für Schweißer systematisch zu bewerten und zu minimieren.
Die Diskrepanz zwischen dem Ratsziel (0,01 mg/m³) und der Industrieposition (0,02 mg/m³) zeigt die Spannung zwischen vorsorgendem Gesundheitsschutz und industrieller Machbarkeit. Die sechsjährige Übergangsfrist ist ein klarer Kompromiss: Sofortige Einhaltung des niedrigeren Limits wäre für viele nachgelagerte Anwender technisch unmöglich.
Was kommt als Nächstes?
Die Einigung vom 1. Dezember ist ein Meilenstein, aber noch nicht das finale Gesetz. Das Europäische Parlament muss nun seine eigene Position erarbeiten. Danach folgen „Trilog”-Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission.
Angesichts des massiven Industrie-Lobbyings könnten die konkreten Grenzwerte im Parlament nochmals zur Debatte stehen. Sobald die Richtlinie verabschiedet und im Amtsblatt veröffentlicht ist, haben die Mitgliedstaaten typischerweise zwei Jahre Zeit zur Umsetzung ins nationales Recht.
Für Sicherheitsbeauftragte und Compliance-Verantwortliche gilt: Strengere Kontrollen bei Kobalt und Schweißrauchen sind unausweichlich. Unternehmen sollten jetzt ihre Gefährdungsbeurteilungen überprüfen und aktuelle Expositionswerte gegen den 0,01 mg/m³-Zielwert abgleichen – statt auf das Ende der Übergangsfrist zu warten.
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