Kirchen-Arbeitsrecht: 2025 endet mit ungelösten Konflikten
30.12.2025 - 01:31:12Der kirchliche Arbeitsmarkt steht vor einem Wandel. Während der EuGH über Kündigungen nach Kirchenaustritt urteilt, fordern Mitarbeitervertretungen gleiche Bedingungen wie im öffentlichen Dienst.
Der Sonderstatus der Kirchen als Arbeitgeber steht unter Druck wie nie zuvor. Während das Bundesverfassungsgericht die kirchliche Autonomie stärkt, fordert Europa Gleichbehandlung – und die Mitarbeitervertretungen kämpfen an allen Fronten um gleiche Bedingungen.
Rechtsunsicherheit vor EuGH-Urteil
Die größte Ungewissheit für die rund 1,3 Millionen Beschäftigten in Caritas und Diakonie kommt aus Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sein Urteil im Grundsatzverfahren C-258/24 noch nicht gesprochen. Es geht um die Kündigung einer Caritas-Mitarbeiterin nach ihrem Kirchenaustritt. Die Schlussanträge der Generalanwältin vom Juli deuteten auf eine strenge europäische Linie hin: Ein Austritt allein rechtfertige keine Entlassung, es sei denn, die konkrete Tätigkeit erfordere zwingend die Kirchenzugehörigkeit.
Doch kurz vor Jahresende fehlt diese Klarheit. „Wir beraten in laufenden Disziplinarverfahren im Blindflug“, beschreibt ein MAV-Mitglied die Lage. Diese Unsicherheit wird durch ein Signal aus Karlsruhe noch verstärkt. Das Bundesverfassungsgericht betonte Ende Oktober in einem anderen Verfahren das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Sie dürften Kirchenmitgliedschaft fordern, wenn sie die religiöse Bedeutung einer Stelle „plausibel darlegen“ können. Für die Mitarbeitervertretungen (MAV) entsteht so ein Spannungsfeld: Europäisches Antidiskriminierungsrecht gegen deutsche Verfassungsgarantien.
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Tarifstreit: Kirche zahlt weniger als der Staat
Während die Höchstrichter streiten, wird der Konflikt an der Basis immer schärfer. Der jüngste Tarifabschluss für die Caritas-Beschäftigten im Dezember offenbarte eine wachsende Kluft. Forderungen der MAV nach Angleichung an den öffentlichen Dienst – etwa 31 Urlaubstage und bessere Bedingungen für Auszubildende – scheiterten am Widerstand der Arbeitgeber.
„Der Dritte Weg funktioniert nur, wenn er Ergebnisse liefert, die mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt vergleichbar sind“, kritisiert eine Vertreterin der DiAG MAV München. Die Lohn- und Leistungsunterschiede zu kommunalen oder staatlichen Sozialdiensten werden zunehmend als fundamentale Ungleichbehandlung empfunden. Die MAV befürchten einen Abwanderungseffekt: Qualifizierte Kräfte könnten zu besser bezahlten, säkularen Arbeitgebern wechseln.
Neue Werkzeuge für die MAV
Im strukturellen Bereich brachte 2025 immerhin Erleichterungen. Seit Oktober gilt eine reformierte Wahlordnung für die Mitarbeitervertretungen in der evangelischen Kirche (MVG-EKD). Sie vereinfacht das Verfahren für die anstehenden Wahlen 2026 erheblich. Zudem hat die Zentralarbeitsrechtliche Kommission (ZAK) die Regeln für Befristungen präzisiert. Die Neuregelung soll Flexibilität bei der Wiederbeschäftigung von Rentnern bringen, muss aber von den MAV genau beobachtet werden, um Missbrauch zu verhindern.
Systemfrage: Hat der „Dritte Weg“ noch eine Zukunft?
Die Entwicklungen des Jahres deuten auf eine Erosion des kirchlichen Sonderwegs hin. Dieser basiert auf Konsens statt Streik und eigener Tarifordnung. Der Druck der MAV und Gewerkschaften wie ver.di zielt nun auf die Grundfesten: Es geht nicht mehr nur um Gehalt, sondern um grundlegende Rechte.
Beobachter sehen die Zukunft des Modells an zwei Faktoren geknüpft: die Geduld der Gerichte und die wirtschaftliche Attraktivität als Arbeitgeber. Während Karlsruhe im Oktober einen Schutzschild für die Autonomie lieferte, untergräbt der tarifliche Stillstand im Dezember die Konkurrenzfähigkeit. Kann die Kirche keine vergleichbaren Arbeitsbedingungen mehr bieten, verliert ihr rechtliches Privileg an Bedeutung.
Ausblick 2026: Entscheidungsjahr steht bevor
Das kommende Jahr wird richtungsweisend. Das EuGH-Urteil zum Kirchenaustritt könnte die Grundordnung katholischer Einrichtungen umschreiben und pauschale Kündigungen nach Austritt in nicht-seelsorgerischen Berufen untersagen. Parallel werden die MAV-Wahlen im Frühjahr 2026 zum Stimmungsbarometer. Nach der Enttäuschung über die gescheiterten Tarifverhandlungen ist mit einer deutlich konfrontativeren Haltung der Belegschaft zu rechnen.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich die Kluft zwischen kirchlichen und staatlichen Standards weiter vertieft – oder ob der Druck für echte Gleichbehandlung endlich zu einem Systemwandel führt.
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