Kanada-Allianz, Schatten

Kanada-Allianz im Schatten der Bürokratiekritik

09.12.2025 - 07:41:12

Deutschland forciert die digitale Zusammenarbeit mit Kanada – während im Inland die Verwaltungsrealität ernüchternd bleibt.

Mit großer Geste verkündete Digitalminister Karsten Wildberger gestern in Montréal die „Canada-Germany Digital Alliance”. Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, digitale Souveränität – die Schlagworte klingen vielversprechend. Doch zeitgleich offenbart ein Bericht des Normenkontrollrats (NKR) vom vergangenen Freitag eine unbequeme Wahrheit: Die digitale Transformation stockt im Maschinenraum der Verwaltung.

Kann Deutschland gleichzeitig globaler Technologieführer sein und seinen Bürgern das Leben erleichtern? Die Ereignisse der vergangenen Tage legen nahe: Das eine schließt das andere nicht aus – garantiert es aber auch nicht.

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Am Montag traf Wildberger seinen kanadischen Amtskollegen Evan Solomon, Minister für Künstliche Intelligenz und Digitale Innovation. Das Ergebnis: eine strategische Allianz, die beide Länder im Wettlauf um digitale Vorherrschaft voranbringen soll.

Im Fokus stehen generative KI, digitale Infrastruktur und die kommerzielle Nutzung von Quantentechnologien. Bereits im Januar 2026 soll eine gemeinsame Ausschreibung für Forschungsprojekte starten. Eine „Absichtserklärung zu KI” ist in Vorbereitung – Ziel ist es, „kommerzielle Champions” zu schaffen, die international mithalten können.

„Diese Allianz sichert Deutschlands Position als Führungsnation der digitalen Wirtschaft”, erklärte Wildberger. Man teile nicht nur Forschung, sondern baue die industrielle Basis für die nächste Generation digitaler Dienste auf.

Die Partnerschaft baut auf der „Kananaskis-Vision” auf und soll deutschen Unternehmen Zugang zu kanadischer Spitzenforschung verschaffen. Für die Bundesregierung ist diese Kooperation ein strategischer Hebel, um Innovationen zu importieren, die im heimischen Ökosystem oft nur langsam entstehen.

Berlin: Ernüchternde Bestandsaufnahme

Während in Kanada Zukunftsvisionen gefeiert wurden, dominierten in Berlin handfestere Sorgen die Agenda. Am Freitag hatte der Normenkontrollrat (NKR) seinen Bericht zur Bürokratieentlastung vorgelegt – zeitgleich mit der Verabschiedung der neuen „Bundesmodernisierungsagenda” durch die Ministerpräsidentenkonferenz.

Das Urteil fällt durchwachsen aus: Zwar begrüße man die 77 konkreten Vorschläge zum Bürokratieabbau, doch „wichtige Hebel wurden verschoben”, kritisiert der NKR. Die strukturelle Komplexität der deutschen Verwaltung verwirrt Nutzer weiterhin. Die Belastungskosten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung bleiben astronomisch – allein für Unternehmen werden sie auf über 64 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

„Die Bundesregierung signalisiert klaren Modernisierungswillen”, heißt es im NKR-Bericht. „Doch eine spürbare Entlastung erfordert mehr als Einzelkorrekturen – es braucht einen systematischen Umbau der Gesetzgebung und Dienstleistungserbringung.”

Nutzerfrust: Zwischen Versprechen und Wirklichkeit

Der Graben zwischen politischen Ankündigungen und alltäglicher Nutzererfahrung bleibt tief. Die am Freitag beschlossene Modernisierungsagenda will Planungs- und Genehmigungsverfahren verschlanken – doch die Bürger bleiben skeptisch.

Eine Umfrage des eco-Verbands aus dem November offenbart das Ausmaß der Unzufriedenheit: 68 Prozent der Deutschen sind mit der Digitalpolitik der Bundesregierung unzufrieden. Als Hauptprobleme nennen 56 Prozent „langsame Verwaltungsprozesse” und „bürokratische Hürden”.

Trotz der schrittweisen Integration der „BundID” in kommunale Portale erleben Nutzer die Dienste als fragmentiert. Der NKR kritisiert: Ohne echte „Einmal-Erfassung” von Daten, die sicher zwischen Behörden geteilt werden, verlagert Digitalisierung die Bürokratie nur vom Papier auf den Bildschirm – ohne den Prozess zu vereinfachen.

Ein Lichtblick: Die Abschaffung des Fernunterrichtsschutzgesetzes, einer überholten Regelung, die digitale Bildungsanbieter belastete. Der NKR fordert, diese rigorose Prüfung auf weitere Sektoren auszuweiten.

Das „Wildberger-Ministerium” auf dem Prüfstand

Die Gründung des Ministeriums für Digitale Transformation und Regierungsmodernisierung (BMDS) unter Wildberger Anfang des Jahres sollte Zuständigkeiten bündeln und den föderalen „Zuständigkeitssalat” entwirren. Die Ereignisse der vergangenen Tage – Modernisierungspakt und Montréal-Allianz – zeigen die Doppelstrategie der Merz-Regierung: Interne Infrastruktur reparieren und gleichzeitig externe Hightech-Partnerschaften aufbauen.

Doch Branchenexperten bezweifeln, dass internationale Abkommen die unmittelbaren Reibungen lösen, wenn Bürger ein Auto anmelden, Sozialleistungen beantragen oder ein Unternehmen gründen wollen.

„Die Kanada-Allianz ist ausgezeichnet für den Quantencomputing-Sektor”, kommentiert ein Analyst des Bitkom-Verbands. „Aber für den Mittelständler in Bayern oder das Startup in Berlin wird sich der Erfolg des Digitalministeriums daran messen, ob sie mit dem Staat interagieren können, ohne einen Berater zu engagieren. Der NKR-Bericht bestätigt: So weit sind wir noch nicht.”

Ausblick: 2026 als Bewährungsprobe

Die Umsetzung der am Freitag beschlossenen Bundesmodernisierungsagenda wird 2026 zum entscheidenden Lackmustest. Die Regierung hat eine „One in, Two out”-Regel für neue Vorschriften zugesagt – ein Mechanismus, der das regulatorische Dickicht aktiv lichten soll.

Kurzfristig richtet sich die Aufmerksamkeit auf die gemeinsamen KI-Initiativen mit Kanada, die Anfang 2026 Gestalt annehmen sollen. Im Inland steht das BMDS unter Druck, die NKR-Empfehlungen in greifbare Verbesserungen zu übersetzen, bevor der nächste „eGovernment Monitor” die Nutzerzufriedenheit erneut quantifiziert.

Während Deutschland in den Winter 2025 geht, steht für Minister Wildberger fest: Die digitalen Brücken nach Montréal müssen mit digitalen Brücken zwischen Berliner Ministerien und Bürgern einhergehen. Sonst bleibt die internationale Strahlkraft nur Fassade.

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