Kammergericht, Berlin

Kammergericht Berlin verbietet Login-Zwang bei Kündigungen

27.11.2025 - 14:31:12

Das Kammergericht Berlin erklärt verpflichtende Logins für Kündigungen als rechtswidrig. Die Entscheidung stärkt Verbraucherrechte, steht aber im Widerspruch zu einem Nürnberger Urteil.

Das Berliner Kammergericht hat den sogenannten “Login-Zwang” bei Online-Kündigungen für rechtswidrig erklärt. Unternehmen dürfen Kunden nicht mehr dazu verpflichten, sich erst mit Passwort anzumelden, bevor sie einen Vertrag kündigen können. Die Wettbewerbszentrale verkündete das wegweisende Urteil heute – ein klarer Sieg für Verbraucherrechte.

Die Entscheidung verschärft die Durchsetzung des “Fair Consumer Contracts Act” und konkretisiert die Anforderungen an den gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsbutton. Doch nicht alle Gerichte sehen das so streng: Ein Konflikt mit einem Nürnberger Urteil bahnt sich an.

Die “Login-Falle” als unzulässige Hürde

Der Fall, den die Wettbewerbszentrale vor Gericht brachte, betraf einen internationalen Streaming-Dienst mit einem mehrstufigen Kündigungsprozess. Zwar zeigte der Anbieter den gesetzlich vorgeschriebenen Button “Verträge hier kündigen” an, doch statt direkt zum Kündigungsformular zu führen, landeten Nutzer zunächst auf einer Login-Maske.

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Das Kammergericht Berlin erklärte diese Praxis in seinem Urteil vom 12. November 2025 (Az. 5 U 6/25) für illegal. Die Richter bewerteten die zwischengeschaltete Login-Seite als abschreckende Barriere, die den Prozess für Verbraucher unnötig kompliziert – besonders für jene, die ihre Zugangsdaten nicht parat haben.

Laut Wettbewerbszentrale betonte das Gericht, dass die Bestätigungsseite “unmittelbar zugänglich” sein muss. Zur Identifikation reichen Standarddaten wie Name und Adresse vollkommen aus. Die Passwortabfrage schaffe eine künstliche Hürde, die die Kündigung verzögern oder verhindern kann – ein klarer Verstoß gegen die Schutzabsicht des § 312k BGB.

Berlin gegen Nürnberg: Widersprüchliche Rechtsprechung

Das Berliner Urteil sorgt für juristische Spannung in Deutschland. Es steht im deutlichen Kontrast zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg zum Deutschlandticket.

Im Juli 2024 nahm das OLG Nürnberg (Az. 3 U 2214/23) eine deutlich mildere Haltung ein. Die fränkischen Richter argumentierten, dass bei Diensten, die grundsätzlich nur im eingeloggten Zustand nutzbar sind – etwa digitale Ticketing-Apps – eine Login-Pflicht zur Kündigung zulässig sein könnte. In solchen spezifischen Kontexten stelle der Login keine “unzumutbare Hürde” dar, da Nutzer ohnehin bereits authentifiziert sein müssten.

Das Berliner Gericht hingegen legt die Verbraucherschutzgesetze strenger aus und räumt dem barrierefreien Zugang absolute Priorität ein. Rechtsexperten weisen darauf hin, dass diese divergierende Rechtsprechung Unsicherheit für Unternehmen mit Abo-Modellen schafft. Die “strikte” Berliner Linie kollidiert mit der “pragmatischen” Nürnberger Ausnahme.

Was § 312k BGB wirklich verlangt

Der Streit dreht sich um § 312k BGB, eine im Juli 2022 eingeführte Regelung gegen “Abo-Fallen”. Das Gesetz schreibt eine “Zwei-Klick-Lösung” für die Beendigung wiederkehrender Verpflichtungen vor:

Erster Button: Ein deutlich beschrifteter Button (etwa “Verträge hier kündigen”) muss ständig verfügbar und leicht auffindbar sein.

Bestätigungsseite: Dieser Button muss direkt zu einer Seite führen, auf der Nutzer ihre Daten eingeben und die Kündigung prüfen können.

Zweiter Button: Ein finaler Button (beispielsweise “Jetzt kündigen”) führt die Kündigung aus.

Die Berliner Interpretation präzisiert, dass “direkt” ohne Zwischenschritte wie Login-Abfragen bedeutet. Die Wettbewerbszentrale argumentiert, der Gesetzgeber habe beabsichtigt, den Vertragsausstieg genauso einfach zu gestalten wie den Einstieg. Da die Anmeldung meist reibungslos verlaufe, müsse der Kündigungsprozess ebenso schlank sein.

Folgen für den Markt – und was jetzt kommt

Das Urteil ist eine deutliche Warnung an E-Commerce-, Telekommunikations- und Streaming-Unternehmen, die Login-Barrieren als Kundenbindungstaktik einsetzen. Viele Firmen argumentieren, Logins seien notwendig, um betrügerische Kündigungen durch Dritter zu verhindern. Das Gericht schlug jedoch weniger invasive Verifizierungsmethoden vor – etwa die Eingabe einer Kundennummer oder Adresse.

Angesichts der widersprüchlichen Urteile zwischen Berlin und Nürnberg hat das Kammergericht die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Damit steht eine höchstrichterliche Entscheidung an, die voraussichtlich die Auslegung des § 312k BGB vereinheitlichen wird.

Bis der BGH ein abschließendes Urteil fällt, rät die Wettbewerbszentrale Unternehmen dringend, verpflichtende Login-Barrieren aus ihren Kündigungsprozessen zu entfernen. Das Risiko von Abmahnungen und Prozesskosten ist erheblich. Für Verbraucher ist das Urteil ein sofortiger Gewinn: Ihr Recht, Abos ohne Passwort-Jagd zu beenden, wurde gestärkt.

Bleibt die Frage: Wird der BGH die Berliner Strenge bestätigen oder der Nürnberger Pragmatik folgen? Die Antwort dürfte die digitale Vertragslandschaft in Deutschland nachhaltig prägen.

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