Jüdisches Krankenhaus Berlin: Insolvenz löst Kampf um Zukunft aus
08.12.2025 - 06:39:12Das traditionsreiche Jüdisches Krankenhaus Berlin (JKB) hat Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Betriebsrat und Gewerkschaft ver.di fordern nun vehement Mitspracherechte bei der Neuausrichtung – und wehren sich gegen eine mögliche Privatisierung der 270 Jahre alten Einrichtung.
Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos: Das Krankenhaus im Bezirk Wedding kämpft mit den gleichen Problemen wie viele andere Kliniken in Deutschland. Strukturreformen treffen auf wirtschaftliche Turbulenzen, steigende Kosten auf chronische Unterfinanzierung. Doch beim JKB kommt ein besonderer Faktor hinzu: Ein massiver Wasserschaden in einem neuen Gebäudetrakt hat die ohnehin angespannte Finanzlage zusätzlich verschärft.
Die Geschäftsführung reichte den Antrag auf vorläufige Eigenverwaltung am 4. Dezember beim zuständigen Gericht ein. Die gute Nachricht für Patienten und die 820 Beschäftigten: Der Betrieb läuft ohne Unterbrechung weiter, die Gehälter sind durch Insolvenzgeld für die kommenden Monate gesichert.
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Doch während die Verwaltung bereits an Sanierungskonzepten arbeitet, formiert sich Widerstand aus der Belegschaft. Der Betriebsrat macht unmissverständlich klar: Ohne uns geht nichts. Julia Hertwig, Betriebsrätin und ver.di-Aktivistin am JKB, bringt es auf den Punkt: „Eine Zukunft für das Haus kann nur gemeinsam mit den Beschäftigten gesichert werden.”
Die Forderungen der Arbeitnehmervertreter sind konkret: Sie wollen verbindliche Mitbestimmungsrechte bei möglichen Partnerschaften oder Eigentümerwechseln. Besonders wichtig ist ihnen der Erhalt der Identität als Kiezkrankenhaus und jüdische Einrichtung. Auch der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) soll unangetastet bleiben – ein heikler Punkt, nachdem es 2024 bereits Spannungen wegen der Personalausstattung gegeben hatte.
Wird die finanzielle Schieflage nun als Vorwand genutzt, um Arbeitsstandards auszuhöhlen? Diese Sorge treibt viele Mitarbeiter um.
Ver.di will staatliche Lösung statt Privatisierung
Die Insolvenz hat eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft des Krankenhauses entfacht. Derzeit wird das JKB von einer Stiftung getragen, an der die Jüdische Gemeinde Berlin und das Land Berlin beteiligt sind. Doch wie lange noch?
Ver.di hat eine klare Position: Keine Übernahme durch einen privaten Klinikkonzern. Stattdessen soll das Krankenhaus in die Obhut der landeseigenen Klinikbetreiber Vivantes oder Charité übergehen. „Die 260-jährige Geschichte des Hauses muss fortgeschrieben werden”, betont Gisela Neunhöffer, stellvertretende Leiterin des ver.di-Fachbereichs Gesundheit in Berlin. „Wir schlagen vor, das JKB in öffentliche Trägerschaft zu überführen.”
Das Konzept: Das Krankenhaus würde als eigenständiger Standort von Vivantes oder Charité weitergeführt – mit eigener Identität, aber eingebettet in ein stabiles Netzwerk. Die renommierte Notaufnahme und die psychiatrische Versorgung könnten so in die staatliche Gesundheitsinfrastruktur integriert werden. Wichtig dabei: Die Jüdische Gemeinde müsse eng eingebunden bleiben, um das Erbe der Institution zu wahren.
Symptom einer Branchenkrise
Das JKB steht nicht allein da. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt seit Monaten, dass Inflation und stockende Reformen zahlreiche gemeinnützige und kommunale Kliniken an den Rand der Pleite treiben. Für das Jüdische Krankenhaus kamen lokale Erschwernisse hinzu: Die Investition in einen modernen Bettenturm sollte die Zukunft sichern – dann kam der verheerende Wasserschaden. Die Nutzung verzögerte sich, die Reparaturkosten explodierten.
Diese Kapitalausgaben trafen auf steigende Energie- und Materialkosten. Die Folge: ein Liquiditätsengpass, den die Stiftung ohne rechtlichen Schutz nicht mehr überbrücken konnte. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich bei anderen Berliner Gesundheitseinrichtungen. Der Druck zur Konsolidierung wächst – und das Insolvenzverfahren am JKB könnte zum Präzedenzfall werden.
Kampf um den “Gelben Engel”
In den kommenden Wochen wird die Krankenhausleitung, unterstützt von Sanierungsexperten, einen Insolvenzplan ausarbeiten. Der gerichtlich bestellte Sachwalter prüft parallel die Finanzlage und die Tragfähigkeit der vorgeschlagenen Konzepte.
Der Betriebsrat drängt auf die Einrichtung eines “Runden Tisches” mit Senat, Jüdischer Gemeinde und Arbeitnehmervertretern. Der entscheidende Meilenstein wird die Vorlage des Sanierungsplans sein – erwartet Anfang 2026. Dann wird sich zeigen: Bleibt das JKB eigenständig, fusioniert es mit einem staatlichen Träger oder kommt es zur Übernahme durch Dritte?
Der “Gelbe Engel” von Wedding – so wird das Krankenhaus im Kiez liebevoll genannt – hat seine Türen weiter geöffnet. Doch der Kampf um seine Ausrichtung und die Rechte der Beschäftigten hat gerade erst begonnen.
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