JEAN, MÜLLER

JEAN MÜLLER setzt auf ISO 45001: Firmen verschärfen freiwillig Arbeitssicherheit

02.12.2025 - 21:31:12

Unternehmen stärken ihre internen Compliance-Systeme, während der Staat externe Berichtspflichten aussetzt. Freiwillige Zertifizierungen werden zum neuen Wettbewerbsfaktor.

Deutsche Unternehmen verstärken ihre internen Sicherheitssysteme massiv – während die Bundesregierung gleichzeitig externe Meldepflichten abschafft. Ein paradoxer Trend, der die Arbeitssicherheitslandschaft grundlegend verändert.

Gestern verkündete der Eltville-Elektrotechnik-Spezialist JEAN MÜLLER seine Zertifizierung nach ISO 45001. Was zunächst nach Routine klingt, markiert tatsächlich eine Zeitenwende: Während Berlin Bürokratie abbaut, rüsten Firmen bei Compliance auf. Eigenverantwortung statt staatlicher Kontrolle – so lautet die neue Formel im deutschen Arbeitsschutz.

Selbstregulierung als Wettbewerbsvorteil

Die DIN EN ISO 45001-Zertifizierung bescheinigt JEAN MÜLLER ein systematisches Management für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. „Dieser internationale Standard bestätigt unser Engagement für Sicherheit und Gesundheit”, teilte das Unternehmen am Montag mit.

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Branchenexperten beobachten einen klaren Trend: Während staatliche Inspektionen unter dem “Bürokratieentlastungsgesetz” zurückgefahren werden, dienen Zertifizierungen als verlässlicher Compliance-Nachweis. Für den Mittelstand wird ISO 45001 zunehmend zum Differenzierungsmerkmal gegenüber Geschäftspartnern.

Lieferkettensorgfalt: Endspurt ohne Meldepflicht

Noch 29 Tage bis zum 31. Dezember – eigentlich die finale Deadline für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Doch seit dem 7. November hat sich der Druck verschoben: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) setzte die Berichtspflicht für den laufenden Zeitraum aus.

Der Hintergrund? Doppelmeldungen vor Inkrafttreten der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD sollten vermieden werden. Doch Rechtsexperten warnen diese Woche eindringlich: Die materielle Pflicht bleibt bestehen. Risikoanalysen müssen durchgeführt, Dokumentationen geführt werden. Die “Entlastung” ist rein administrativ – die Haftung für Menschenrechts- oder Sicherheitsverstöße in der Lieferkette bleibt unangetastet.

Compliance-Abteilungen stehen damit vor einer paradoxen Situation: Sie müssen alle Nachweise erbringen, ohne sie einreichen zu müssen. Interne “Hausaufgaben” bleiben Pflicht, selbst wenn der Bericht im Dezember nicht bei BAFA landet.

Streit um Sicherheitsbeauftragte

Am 5. November beschloss das Bundeskabinett Maßnahmen zum Bürokratieabbau – darunter die Reduzierung gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsbeauftragter in bestimmten Betrieben. Die Entscheidung löste heftige Kontroversen aus.

Gewerkschaften und Arbeitssicherheitsverbände laufen Sturm: Sicherheitsbeauftragte seien die “Augen und Ohren” der Prävention, argumentieren sie. Ihre Reduktion gefährde den Schutz an der Basis.

Die Gegenseite hält dagegen: Qualität zähle mehr als Quantität. Moderne digitale Tools und professionelle Fachkräfte für Arbeitssicherheit könnten klassische Beauftragte teilweise ersetzen. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) mahnt allerdings: “Bürokratieabbau darf nicht zu Schutzabbau werden.”

Neue Risiken: Erschöpfung und psychische Belastung

Heute veranstaltet die BG ETEM einen großen Web-Talk unter dem Titel “Let’s talk about OSH – Fatigue and Distractions”. Thema: die wachsende Bedeutung psychischer und kognitiver Risiken am Arbeitsplatz.

Die im April 2025 modernisierte DGUV Vorschrift 2 trägt dieser Entwicklung Rechnung. Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte dürfen nun bis zu einem Drittel ihrer Leistungen digital erbringen – eine zentrale Anpassung ans hybride Arbeiten.

Die heutigen Diskussionen bei BG ETEM spiegeln ein erweitertes Compliance-Verständnis wider: Moderne Arbeitssicherheit muss unsichtbare Gefahren wie Burnout, Erschöpfung und digitalen Stress erfassen – Risiken, die in klassischen Unfallstatistiken nicht auftauchen.

Zertifizierung schlägt Meldung

Zum Jahresende 2025 zeichnet sich eine doppelte Realität ab: Der Staat zieht sich aus der Mikroregulierung zurück, der Markt fordert gleichzeitig höhere verifizierte Sicherheitsstandards.

Die kommende EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie (CSDDD) verspricht mittelfristig Harmonisierung. Bis dahin gilt für deutsche Unternehmen: Interne Strukturen stärken, anerkannte Zertifizierungen wie ISO 45001 erwerben und Compliance als Wettbewerbsvorteil begreifen statt als lästige Pflichtübung.

Kann dieser Paradigmenwechsel funktionieren – weniger staatliche Kontrolle bei gleichzeitig höherer tatsächlicher Sicherheit? Die nächsten Monate werden zeigen, ob freiwillige Exzellenz staatliche Aufsicht tatsächlich ersetzen kann.

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