Jahresgespräch, Ziele

Jahresgespräch 2025: Wenn verspätete Ziele teuer werden

24.11.2025 - 11:20:11

Das traditionelle Jahresgespräch steht vor einem radikalen Wandel. Während deutsche Unternehmen in die Peak-Season der Mitarbeitergespräche eintreten, sorgt ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts für Unruhe in den Personalabteilungen. Die Botschaft ist eindeutig: Wer Zielvereinbarungen zu spät abschließt, riskiert nicht nur schlechte Stimmung – sondern richtig viel Geld.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil (10 AZR 57/24) vom 19. Februar 2025 die Spielregeln fundamental verändert. Der Kern des Urteils: Ein Arbeitgeber, der erst im Oktober individuelle Ziele festlegte, musste 100 Prozent des möglichen Bonus zahlen – unabhängig davon, ob der Mitarbeiter diese später überhaupt erfüllte.

Die Begründung des Gerichts wiegt schwer. Wenn Ziele so spät kommen, dass sie keine motivierende und anreizende Funktion mehr entfalten können, verfehlen sie ihren Zweck. Und dafür muss das Unternehmen geradestehen. Ein klares Signal: Die Zeiten, in denen Zielvereinbarungen als bürokratisches Beiwerk behandelt wurden, sind vorbei.

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Was bedeutet das konkret für die Praxis? Entgegen mancher Fehlinterpretationen hat das BAG kein starres Datum vorgegeben. Aber der Grundsatz ist klar: Zielvereinbarungen müssen rechtzeitig abgeschlossen werden, solange sie noch Verhalten beeinflussen können. Juristen raten daher: Für 2026 sollten die Ziele spätestens in den ersten Wochen des Januar stehen – besser noch vor Jahresbeginn.

Vom Ritual zum Dialog: Die kulturelle Herausforderung

Während Juristen über Fristen debattieren, kämpfen Manager und Mitarbeiter mit einem anderen Problem. Laut einer heute veröffentlichten Analyse von Karrierecoach Maren Fischer-Epe in Der Spiegel empfinden viele das klassische Jahresgespräch als “antiquiertes Abhak-Ritual”.

“Feedback braucht Aktualität”, kritisiert Fischer-Epe. Wer im November Kritikpunkte aus dem April auspackt, hat bereits verloren. Der alte Ansatz – defensiv, checklistengetrieben, rein rückblickend – funktioniert nicht mehr in einer Arbeitswelt, die von Agilität und schnellem Wandel geprägt ist.

Doch Abschaffung ohne Alternative wäre fatal. Der Trend für Ende 2025 geht in eine andere Richtung: Trennung der Themen. Gehalts- und Bonusverhandlungen werden zunehmend vom Entwicklungsgespräch entkoppelt. So kann verhindert werden, dass finanzielle Aspekte das eigentliche Feedback überschatten.

Die Vertrauenslücke

Der Employee Experience Trends Report 2025 von Qualtrics bringt ein weiteres Problem ans Licht. Mitarbeiter vertrauen zwar der fachlichen Kompetenz ihrer Führungskräfte, zweifeln aber zunehmend an deren Wohlwollen – also daran, dass Vorgesetzte wirklich an ihrem Wohlergehen interessiert sind.

Diese Vertrauenslücke wird zum Stolperstein für effektive Jahresgespräche. Wenn Mitarbeiter das Gespräch als reines Compliance-Theater wahrnehmen statt als unterstützende Maßnahme, verpufft jede motivierende Wirkung.

Als Haupttreiber dieser Skepsis identifiziert der Report “Workplace Chaos” – also das Gefühl, von rasanten Veränderungen und ineffizienten Prozessen überrollt zu werden. Ein gelungenes Jahresgespräch müsste hier stabilisierend wirken, Prioritäten klären und Chaos reduzieren. Stattdessen wird es oft als weitere bürokratische Belastung erlebt.

KI als stille Helferin

Interessanterweise spielt künstliche Intelligenz eine zunehmend wichtige Rolle – allerdings anders als viele vermuten. KI-Tools ersetzen nicht das menschliche Element, sondern aggregieren objektive Feedback-Daten aus Arbeitsabläufen. Das verschiebt den Fokus von subjektiven Erinnerungen (“Ich glaube, Sie kamen im März oft zu spät”) hin zu datenbasierten Diskussionen. Das Ergebnis: weniger Reibung, mehr wahrgenommene Fairness.

Die wirtschaftlichen Dimensionen

In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und anhaltendem Fachkräftemangel wird das Thema zur Chefsache. Ein schlechtes Jahresgespräch ist ein erstklassiger Kündigungsgrund – besonders bei Leistungsträgern, die sich nicht gewürdigt fühlen.

Dazu kommt jetzt die finanzielle Haftung. Ein Unternehmen mit 100 Vertriebsmitarbeitern, das Zielvereinbarungen bis April hinauszögert, könnte theoretisch für 100 volle Boni haften – völlig unabhängig von der tatsächlichen Geschäftsentwicklung. Diese Doppelbelastung aus rechtlicher Haftung und Talentflucht hat das unscheinbare Jahresgespräch zur Vorstandsangelegenheit gemacht.

Ausblick: Das Hybridmodell der Zukunft

Das klassische Jahresgespräch wandelt sich zum Hybrid.

Der Compliance-Teil – also die rechtsverbindliche Zielvereinbarung – wird strikt formalisiert und ins vierte Quartal des Vorjahres oder spätestens in den Januar vorverlegt. Das BAG-Urteil lässt keine andere Wahl.

Der Feedback-Teil hingegen löst sich vom starren Jahresrhythmus. Quartals- oder Monatsgespräche, unterstützt durch digitale Tools mit Echtzeit-Tracking, werden zum Standard.

Für die verbleibenden Wochen des Jahres 2025 lautet die klare Handlungsempfehlung: Ziele jetzt unterschreiben lassen, um rechtlich abgesichert zu sein – aber das Gespräch selbst neu denken, um Mitarbeiter zu halten. Die Ära des administrativen Jahresgesprächs endet. Die Ära der strategischen, kontinuierlichen Abstimmung hat begonnen.

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