Inklusion am Arbeitsplatz: Neue Strafen und Pflichten treten in Kraft
31.12.2025 - 03:42:12Ab dem 1. Januar 2026 müssen Unternehmen in Deutschland mit drastisch erhöhten Geldbußen rechnen, wenn sie keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Gleichzeitig rücken barrierefreie Besprechungsräume in den Fokus der Betriebsräte, um die Rechtsgültigkeit ihrer Entscheidungen zu sichern.
Die größte Veränderung für Unternehmensbilanzen im neuen Jahr geht auf das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts zurück. Es hat das System der Ausgleichsabgabe grundlegend verschärft. Für Arbeitgeber mit einer sogenannten Null-Quote – also Unternehmen, die trotz Pflicht keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen – gilt ab der Abrechnungsperiode 2025 ein neuer Höchstsatz.
Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beträgt die maximale monatliche Ausgleichsabgabe für diese Unternehmen 815 Euro pro unbesetzter Pflichtarbeitsstelle. Die Zahlung für das Jahr 2025 ist bis zum 31. März 2026 an die Integrationsämter zu leisten. Diese Erhöhung stellt eine drastische Maßnahme gegen vollständige Nicht-Erfüllung dar.
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Für teilweise Erfüllung gelten gestaffelte Sätze:
* 155 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis unter 5 Prozent.
* 275 Euro bei 2 bis unter 3 Prozent.
* 405 Euro bei mehr als 0 bis unter 2 Prozent.
Betriebsräte sind gut beraten, die Beschäftigungsdaten ihres Unternehmens umgehend zu prüfen. Gemäß § 80 BetrVG haben sie die allgemeine Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Eine Null-Quote kann nicht nur teuer werden, sondern auch auf eine Vernachlässigung dieser gesetzlichen Pflichten hindeuten.
Barrierefreiheit: Grundvoraussetzung für gültige Beschlüsse
Neben den finanziellen Konsequenzen wird die physische Zugänglichkeit von Betriebsratsräumen zu einer entscheidenden Rechtsfrage. Zwar gab es 2025 kein grundlegend neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts, doch Rechtskommentare betonen: Die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR V3a.2) sind bindend.
Nach § 40 BetrVG muss der Arbeitgeber „geeignete“ Räume für den Betriebsrat bereitstellen. Ein Raum ist rechtlich nicht als geeignet anzusehen, wenn er schwerbehinderte Mitglieder oder Gäste aufgrund physischer Barrieren ausschließt. Dies deckt sich mit der Pflicht des Arbeitgebers aus § 3a ArbStättV, Arbeitsplätze – dazu zählen auch Besprechungsräume – barrierefrei zu gestalten, wenn schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden.
Arbeitsrechtler warnen: Wird eine Sitzung in einem nicht barrierefreien Raum abgehalten, könnte dies die Rechtsgültigkeit der gefassten Beschlüsse gefährden, insbesondere wenn ein beeinträchtigtes Mitglied de facto an der Teilnahme gehindert war. Betriebsräte sollten daher präventiv handeln:
* Einen „Barriere-Check“ aller Sitzungsräume durchführen.
* Stufenfreien Zugang, erreichbare barrierefreie Toiletten und geeignete Akustik (Induktionsschleifen) sicherstellen.
* Bei Mängeln strukturelle Anpassungen beim Arbeitgeber unter Berufung auf § 40 BetrVG und § 164 SGB IX formal beantragen.
Digitale Infrastruktur: Was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wirklich regelt
Eine hartnäckige Fehlannahme des Jahres 2025 betraf den Geltungsbereich des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG), das seit dem 28. Juni 2025 vollständig in Kraft ist. Immer wieder gab es Unsicherheit, ob dieses Gesetz auch die Barrierefreiheit interner Betriebsratssoftware, Intranets oder Abstimmungstools vorschreibt.
Hier ist eine Klarstellung entscheidend: Das BFSG ist ein reines Verbraucherschutzgesetz auf Basis des European Accessibility Act. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich auf B2C-Produkte und -Dienstleistungen wie Online-Shops, Bankterminals oder Telekommunikationsdienste für Endverbraucher. Es schließt B2B-Produkte und interne Unternehmenssoftware ausdrücklich aus.
Diese Ausnahme entbindet Arbeitgeber jedoch nicht von ihrer Verantwortung. Auch wenn das BFSG für interne IT nicht direkt gilt, fordern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das SGB IX, dass Arbeitsmittel von allen Beschäftigten nutzbar sein müssen. Experten raten Betriebsräten, die technischen Standards des BFSG und der BITV 2.0 bei Verhandlungen über neue IT-Betriebsvereinbarungen als Maßstab zu nutzen. So kann sichergestellt werden, dass interne digitale Tools keine Teilhabebarrieren schaffen.
Von der Absicht zur verbindlichen Umsetzung
Das Zusammentreffen der neuen Strafzahlungen und der operativen Barrierefreiheits-Anforderungen markiert einen Wandel in der deutschen Arbeitswelt: von „Awareness“ zu „Accountability“ – also verbindlicher Rechenschaftspflicht. Jahrelang wurde die Ausgleichsabgabe von profitablen Unternehmen oft als akzeptable Betriebsausgabe betrachtet. Die neue Sanktionsstufe von 815 Euro signalisiert einen klaren gesetzgeberischen Willen: Vollständige Nicht-Erfüllung soll sich finanziell nicht mehr lohnen.
Marktbeobachter erwarten, dass dieser finanzielle Druck 2026 zu mehr Inklusionsvereinbarungen führen wird. Unternehmen werden versuchen, die Abgabe durch bessere Einstellungspraktiken zu vermeiden. Für Betriebsräte eröffnet dies eine strategische Chance, sich nicht nur für inklusive Einstellungen, sondern für eine durchgängig barrierefreie Arbeitsinfrastruktur starkzumachen. Die Frage wird lauten: Warum gibt das Unternehmen Geld für Strafzahlungen aus, statt es in inklusive Maßnahmen zu investieren?
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