ILO-Abkommen: Deutschland macht Arbeitsschutz zum Menschenrecht
21.11.2025 - 16:30:12Der Bundesrat entscheidet heute über einen historischen Schritt: Die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens Nr. 155 macht Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zum grundlegenden Menschenrecht. Nach der Zustimmung des Bundestags Anfang November komplettiert Deutschland damit seine Verpflichtungen gegenüber allen zehn fundamentalen Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation.
Die Abstimmung in der Länderkammer gilt als Formsache – doch die Signalwirkung ist enorm. „Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wird auf den Rang eines Menschenrechts gehoben”, betonte SPD-Abgeordnete Angelika Glöckner bereits bei der Bundestagsdebatte am 6. November. Der Gesetzentwurf (Drucksache 21/1889) fand breite Unterstützung von Regierungskoalition und Linkspartei.
Doch was bedeutet das konkret für Unternehmen, Beschäftigte und die Zukunft der Arbeitswelt in Deutschland?
Das Kernstück des Übereinkommens Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt aus dem Jahr 1981 liegt in seinem präventiven Ansatz. Statt lediglich auf Unfälle zu reagieren, verpflichtet es Mitgliedstaaten zur regelmäßigen Überprüfung ihrer Arbeitsschutzsysteme – mit dem Ziel, Gefährdungsursachen in der Arbeitsumgebung systematisch zu minimieren.
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Das zugehörige Protokoll von 2002 modernisiert diese Anforderungen durch verbesserte Systeme zur Erfassung und Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Dieser datenbasierte Ansatz ist entscheidend, um neu entstehende Risiken in einer sich rasch wandelnden Wirtschaft zu identifizieren.
„Die Maßnahmen gelten für alle Wirtschaftsbereiche und haben eine strikt präventive Ausrichtung”, erläutert die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung. Wichtig für die deutsche Wirtschaft: Die Ratifizierung erfordert keine unmittelbaren Gesetzesänderungen, da das bestehende Arbeitsschutzgesetz die Standards des Abkommens bereits erfüllt oder übertrifft.
KI als Partner im Arbeitsschutz
Die Ratifizierung fällt in eine Zeit tiefgreifender technologischer Umbrüche. Erst diese Woche, am 17. November, diskutierte der Ausschuss für Arbeitsmedizin auf Einladung des Bundesarbeitsministeriums über die wachsende Rolle der Technologie im Arbeitsschutz.
Das Fazit der Experten: Künstliche Intelligenz entwickelt sich zum „unverzichtbaren Partner” für Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte. Von der Echtzeitanalyse ergonomischer Risiken bis zur Vorhersage stressbedingter Gesundheitsprobleme – KI bietet neue Werkzeuge zur Erfüllung des präventiven Mandats.
Doch dieser technologische Wandel bringt auch neue Herausforderungen mit sich: „Digitaler Stress” und Datenschutzbedenken müssen künftig im Rahmen der nationalen Arbeitsschutzpolitik adressiert werden. Kann die Balance zwischen technologischer Innovation und menschlichem Wohlbefinden gelingen?
Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Für deutsche Firmen ist die unmittelbare regulatorische Auswirkung überschaubar – die strategischen Implikationen jedoch beträchtlich. Die Ratifizierung stärkt die Rechtssicherheit deutscher Lieferketten, besonders im Kontext der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die auf internationale Standards verweist.
Die wichtigsten Punkte für Arbeitgeber:
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Globale Compliance: Unternehmen mit internationaler Tätigkeit können auf Deutschlands vollständige Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen als Qualitäts- und Compliance-Merkmal in der ESG-Berichterstattung verweisen.
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Datenerfassung: Das Protokoll von 2002 könnte mittelfristig zu optimierten, aber rigoroseren Meldestandards für Arbeitsunfälle führen.
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Psychische Gesundheit im Fokus: Die ILO-Definition von Gesundheit umfasst psychisches Wohlbefinden. Dies verstärkt die Pflicht für Arbeitgeber, Gefährdungsbeurteilungen für psychische Belastungen durchzuführen – ein Thema von wachsender Dringlichkeit in Zeiten von Homeoffice und Digitalisierung.
Der Weg zum Inkrafttreten
Nach der erwarteten Zustimmung des Bundesrats wird das Gesetz vom Bundespräsidenten unterzeichnet und verkündet. Die Ratifikationsurkunde wird anschließend beim ILO-Generaldirektor in Genf hinterlegt. Das Übereinkommen tritt für Deutschland ein Jahr nach dieser Hinterlegung in Kraft – voraussichtlich Ende 2026.
Menschenrecht statt Formsache
Diese Ratifizierung ist mehr als bürokratisches Prozedere. Sie manifestiert die Überzeugung, dass wirtschaftliche Effizienz und körperliche wie seelische Unversehrtheit der Beschäftigten untrennbar verbunden sind.
Mit der Entscheidung schließt Deutschland eine formale Lücke, die in der Praxis kaum existierte – doch gerade deshalb besitzt der Schritt symbolische Kraft. In einer Arbeitswelt, die sich durch KI und neue industrielle Realitäten grundlegend wandelt, ist Deutschlands rechtlicher Rahmen nun vollständig mit den höchsten internationalen Maßstäben für Menschenrechte am Arbeitsplatz aligniert.
Die zehn fundamentalen ILO-Übereinkommen umfassen Vereinigungsfreiheit, das Verbot von Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskriminierung sowie – seit 2022 – Arbeitsschutz und Gesundheit. Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Prinzipien unabhängig von einer Ratifizierung zu respektieren und zu fördern. Die formelle Ratifizierung jedoch unterwirft sie einer strengen internationalen Überwachung.
Verantwortlich für die heutige Entscheidung ist letztlich eine simple Erkenntnis: Gesunde Arbeit ist keine Nebensache – sie ist ein Grundrecht.
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