IG Metall: Freizeit wird zur neuen Währung
23.11.2025 - 10:10:12Während die Krankenkassen Rekord-Fehlzeiten melden, bricht die IG Metall mit einem historischen Tarifabschluss alte Muster auf: Erstmals können Tausende Beschäftigte Geld gegen Freizeit tauschen. Doch das Ampel-Aus bremst die dringend nötige Reform des Arbeitszeitgesetzes aus.
Die deutsche Arbeitswelt steht vor einem Scheideweg. Auf der einen Seite klettern die Krankenstände auf Rekordniveau – Atemwegsinfekte und vor allem psychische Belastungen treiben die Fehlzeiten in die Höhe. Auf der anderen Seite setzt die IG Metall mit ihrem Pilotabschluss von Mitte November ein klares Zeichen: Zeit statt Geld wird zur neuen Verhandlungsmasse.
Die Botschaft ist unmissverständlich. In einer Arbeitswelt, in der drei von vier Beschäftigten ihren Arbeitgeber wegen Stress nicht weiterempfehlen würden, reichen Lohnerhöhungen allein nicht mehr aus.
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Der Hamburger Pilotabschluss bringt neben 5,1 Prozent mehr Gehalt eine soziale Revolution: Die sogenannten T-ZUG-Wahloptionen werden massiv ausgeweitet. Bisher konnten vor allem Schichtarbeiter, Eltern und Pflegende ihr tarifliches Zusatzgeld in acht freie Tage umwandeln.
Künftig steht diese Option deutlich mehr Beschäftigten offen. Keine starren Vorgaben mehr – wer Erholung braucht, kann sich die Einmalzahlung in Freizeit auszahlen lassen. Tarifexperten sprechen von einer direkten Antwort auf den Wunsch nach mehr Zeitsouveränität.
Die Signalwirkung reicht weit über die Metallbranche hinaus. Andere Gewerkschaften beobachten den Abschluss genau – und werden in kommenden Tarifrunden ähnliche Forderungen stellen.
DGB-Index offenbart das Ausmaß der Belastung
Warum dieser Vorstoß so dringend nötig ist, zeigt der DGB-Index Gute Arbeit 2024 vom 14. November. Die repräsentative Studie zeichnet ein alarmierendes Bild:
- 46 Prozent der Beschäftigten leiden unter starkem Personalmangel in ihrem Betrieb
- Die Arbeit verdichtet sich dramatisch – mit direkten Folgen für Gesundheit und Motivation
- 76 Prozent würden ihren Arbeitgeber bei hoher Arbeitsbelastung nicht weiterempfehlen
Ein Teufelskreis entsteht: Personalmangel erhöht den Stress, gestresste Mitarbeiter fallen häufiger aus, die Lücken verschärfen den Personalmangel. Besonders perfide: In Zeiten des Fachkräftemangels schädigen sich Unternehmen mit Arbeitsverdichtung selbst.
Die Gewerkschaften ziehen daraus einen klaren Schluss: Wer Personal halten will, muss entlasten – nicht noch mehr Druck aufbauen.
Stille Gesundheitskrise erfasst die Republik
Die Krankenkassen bestätigen den Befund mit harten Zahlen. November 2024 markiert einen neuen Negativrekord bei den Fehlzeiten. Die Techniker Krankenkasse und andere Versicherer melden besorgniserregende Entwicklungen.
Anders als früher sind es nicht nur Erkältungswellen, die die Statistik treiben. Psychische Erkrankungen wie Burnout und Depressionen haben sich als zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen etabliert. Die Ausfallzeiten sind dabei überproportional lang.
Experten sprechen von einer “stillen Gesundheitskrise”. Die wirtschaftliche Unsicherheit – VW-Krise, Ampel-Aus, Rezessionsängste – wirkt als toxischer Verstärker. Die Angst um den Job kombiniert mit hoher Arbeitsverdichtung erzeugt einen gefährlichen Cocktail.
Politisches Vakuum blockiert Reform
Ausgerechnet jetzt fehlt der politische Rahmen. Nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition Anfang November liegt die dringend benötigte Reform des Arbeitszeitgesetzes auf Eis. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte die EU-Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung in nationales Recht überführen wollen.
Mit dem Verlust der parlamentarischen Mehrheit und den anstehenden Neuwahlen ist das Vorhaben gestoppt. Für Unternehmen bedeutet dies fortgesetzte Rechtsunsicherheit. Arbeitgeberverbände fordern Flexibilisierung, Gewerkschaften versuchen nun, Schutzmechanismen über Tarifverträge statt Gesetze zu sichern.
Der IG-Metall-Abschluss zeigt: Wenn die Politik nicht liefert, regeln die Sozialpartner die Arbeitswelt selbst.
Was jetzt kommt
Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Hamburger Abschluss zum Modell wird:
- Öffentlicher Dienst und Chemieindustrie werden ähnliche Freizeit-Optionen fordern
- Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeiterfassung und zum “Recht auf Nichterreichbarkeit” gewinnen an Bedeutung
- Unternehmen müssen in betriebliches Gesundheitsmanagement investieren – oder weiter Personal verlieren
Der hohe Krankenstand dürfte das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal dämpfen. Die Rechnung für jahrelange Arbeitsverdichtung kommt jetzt auf den Tisch.
Die Erkenntnis setzt sich durch: In der modernen Arbeitswelt ist Zeit die härteste Währung. Und die Gesundheit der Belegschaft wird zum entscheidenden ökonomischen Faktor. Wer das ignoriert, verliert im Wettbewerb um Fachkräfte.
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