HR-Abteilungen, Druck

HR-Abteilungen unter Druck: Digitalisierung wird Pflicht

20.11.2025 - 18:00:12

Die Rolle der Personalabteilung in deutschen Unternehmen steht vor einem fundamentalen Wandel. Was zunächst wie eine Entspannung aussieht, entpuppt sich als trügerische Ruhe vor dem Sturm: Neue Wirtschaftsdaten und verschärfte EU-Vorgaben zwingen HR-Verantwortliche zum Handeln – und zwar jetzt.

Laut aktuellen Zahlen der KfW Research vom 19. November hat sich der Fachkräftemangel statistisch entspannt. Nur noch 25,8 Prozent der deutschen Unternehmen klagen über Personalengpässe – der niedrigste Wert seit Jahren. Doch HR-Experten warnen eindringlich: Diese Erleichterung ist keine Lösung, sondern Symptom einer schwächelnden Konjunktur. Gleichzeitig läuft die Uhr für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz. Die Botschaft an Personalchefs könnte nicht deutlicher sein: Das aktuelle Zeitfenster bis zur prognostizierten Erholung 2026 muss für massive Digitalisierung genutzt werden.

Die am Mittwoch veröffentlichten KfW-Daten zeigen eine dramatische Verschiebung: Vor einem Jahr beklagten noch rund 32 Prozent der Firmen Fachkräfteengpässe, 2022 waren es auf dem Höhepunkt der Post-Corona-Erholung fast 50 Prozent. Doch die Ursache für den Rückgang hat nichts mit erfolgreicher Personalpolitik zu tun.

„Der Rückgang der Fachkräfteknappheit ist ein Symptom der aktuellen Wirtschaftsschwäche, kein Zeichen struktureller Verbesserung”, stellen die KfW-Analysten unmissverständlich fest. Die nachlassende Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen reduziert schlicht den Personalbedarf – besonders in der Industrie.

Die Branchenunterschiede fallen drastisch aus:
* Industrie und Fertigung: Nur 17,1 Prozent melden aktuell Personalprobleme – Spiegelbild der Industrieflaute.
* Dienstleistungssektor: Hier bleibt die Lage angespannt. 30,2 Prozent der Betriebe kämpfen weiterhin verzweifelt um Mitarbeiter, besonders in Gastronomie und spezialisierten Services.

Für Personalabteilungen entsteht dadurch eine paradoxe Doppelbelastung: Während in Industrieabteilungen Kurzarbeit droht, tobt in serviceorientierten Bereichen derselben Konzerne ein gnadenloser Wettbewerb um Fachkräfte.

Anzeige

Warum 73% der Mitarbeitergespräche scheitern – und wie Sie das mit wenigen Vorlagen ändern. Dieses kostenlose E-Book liefert 9 anpassbare Gesprächsmuster für Jahresgespräche, Probezeit- und Feedbackgespräche sowie konkrete Formulierungen zur Mitarbeiterbindung und Leistungsentwicklung. Sofort einsetzbar, spart Zeit und reduziert die Fluktuation in kritischen Teams. Kostenlose Gesprächsvorlagen für Mitarbeitergespräche herunterladen

Lohntransparenz erzwingt digitalen Umbau

Während sich der Arbeitsmarkt abkühlt, dreht die EU die regulatorische Schraube massiv an. Am 18. November wurden Details zur „unbürokratischen Umsetzung” der EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz bekannt. Die zuständige Kommission hat ihre Vorschläge eingereicht – der Gesetzentwurf wird die Art und Weise, wie HR-Abteilungen Gehaltsdaten verwalten, fundamental verändern.

Die kommende Gesetzgebung gewährt Beschäftigten weitreichende Auskunftsrechte über Gehaltsstrukturen und -kriterien. Ohne vollständig digitalisierte, echtzeitfähige Vergütungs- und Performance-Management-Systeme wird Compliance praktisch unmöglich.

„Die Ära der Excel-Tabellen für Gehaltsverwaltung ist definitiv vorbei”, erklärt Dr. Elena Weber, Münchner Arbeitsrechtsexpertin. „Um die diese Woche diskutierten Transparenzanforderungen zu erfüllen, benötigen Personalabteilungen digitalen Echtzeitzugriff auf Gender-Pay-Gap-Daten und vergleichbare Rollenprofile. Digitalisierung ist nicht mehr nur Effizienzfrage – sie ist Rechtspflicht.”

Diese Entwicklung baut auf dem Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) auf, das Anfang 2025 in vollem Umfang in Kraft trat und digitale Signaturen für Arbeitsverträge und Kündigungen erlaubt. Das Zusammenspiel dieser Regelungen zwingt HR-Abteilungen zu einer Rolle als digitale Datenhüter statt bloße Verwaltungseinheit.

Strategiewechsel: Mitarbeiterbindung statt Massenrekrutierung

Mit der abkühlenden Einstellungswelle in vielen Sektoren verlagert sich der strategische Fokus Ende 2025 eindeutig auf Mitarbeiterbindung und interne Mobilität. Die KfW-Zahlen unterstreichen: Der Rekrutierungsdruck mag sinken, doch die Kosten durch den Verlust von Schlüsselpersonal bleiben enorm hoch.

Dieser Wandel zeigt sich an steigenden Beschäftigungszahlen älterer Arbeitnehmer. Berichte von Anfang November belegen: Die Erwerbstätigkeit in der Altersgruppe 60-64 Jahre steigt kontinuierlich – getrieben durch Rentenreformen und die Notwendigkeit, institutionelles Wissen zu bewahren. HR-Strategien konzentrieren sich zunehmend auf:

  1. Digitale Weiterqualifizierung: Die Konjunkturdelle wird genutzt, um bestehende Mitarbeiter auf neue digitale Tools zu schulen, besonders KI-gestützte Workflows.
  2. Flexible Bindungsmodelle: Ausbau der Remote-Work-Optionen. Deutsche Beschäftigte arbeiten laut Agility EOR durchschnittlich 1,6 Tage pro Woche remote – über dem globalen Schnitt. Hybrides Arbeiten ist zum unverzichtbaren Bindungsinstrument geworden.
  3. Interne Talentmarktplätze: Digitale Plattformen matchen bestehende Mitarbeiter mit offenen Stellen in anderen Abteilungen und reduzieren so externe Neueinstellungen.

Analyse: Trügerische Ruhe vor dem demografischen Sturm

Die aktuelle Situation gleicht dem Auge des Sturms für deutsches HR-Management. Die von der KfW beschriebenen rezessiven Tendenzen verschaffen Unternehmen Zeit – doch die demografische Klippe bleibt Realität. Die Rentenwelle der Babyboomer beschleunigt sich rapide. Sobald die Konjunktur anzieht, wird sich die Fachkräftelücke aggressiv ausweiten.

Branchenbeobachter sind sich einig: Nur Unternehmen, die jetzt in HR-Digitalisierung investieren – konkret in Analytics für Lohngerechtigkeit und KI für Talent-Matching – werden für den Aufschwung gerüstet sein. Die Gleichzeitigkeit der KfW-Zahlen vom 19. November (wirtschaftliche Abkühlung) und der Regulierungsneuigkeiten vom 18. November (digitale Compliance-Pflichten) verkörpert perfekt die Spannung von 2025: HR muss heute Kosten managen und gleichzeitig die digitale Infrastruktur für morgen aufbauen.

Ausblick 2026: Das Zeitfenster schließt sich

Die Prognosen der Wirtschaftsforscher sind eindeutig: 2026 kehrt das Wachstum zurück. Projektionen gehen von einer BIP-Expansion um etwa 1,3 Prozent aus, begleitet von steigenden Privatinvestitionen.

Für HR-Verantwortliche wird die Zeit knapp. Die Umsetzung der Lohntransparenz-Richtlinie dürfte in den kommenden Monaten gesetzlich finalisiert werden, vollständige Compliance ist voraussichtlich bis 2026 gefordert. Parallel verschwindet mit dem Konjunkturaufschwung die „zyklische” Entlastung beim Fachkräftemangel – und legt die strukturellen Defizite schonungslos offen.

Worauf HR-Chefs jetzt achten sollten:
* Endgültiger Gesetzestext zur Lohntransparenz: Die konkreten digitalen Meldestandards des Arbeitsministeriums werden richtungsweisend.
* Arbeitslosendaten Q4 2025: Vertieft sich die Konjunkturschwäche, könnte kurzzeitig ein „Arbeitgebermarkt” mit verfügbaren Talenten entstehen – für Firmen mit stabiler Liquidität.
* Tarifverhandlungen: Mit stabilisierter Inflation könnten Gewerkschaften von reinen Gehaltsforderungen zu digitalen Rechten und flexiblen Arbeitsbedingungen umschwenken.

Personalarbeit bedeutet längst nicht mehr nur „Personalverwaltung”. Stand November 2025 ist HR der zentrale Motor digitaler Transformation – und strategischer Schutzwall der Belegschaft gegen wirtschaftliche Volatilität und demografische Unausweichlichkeit.

Anzeige

PS: Wenn HR jetzt auf Mitarbeiterbindung setzt, helfen standardisierte Gesprächsvorlagen dabei, Talente zu halten. Das kostenlose Download-Paket enthält Gesprächsleitfäden für Feedback, Probezeit und Entwicklungsdialoge sowie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur direkten Umsetzung im Alltag. Ideal für Personalchefs, die interne Mobilität und Weiterqualifizierung vorantreiben wollen. Jetzt Mitarbeitergespräch‑Vorlagen sichern

@ boerse-global.de