Hamburg-Urteil: Betriebsräte kämpfen weiter um KI-Mitbestimmung
06.12.2025 - 10:49:12Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit seiner Grundsatzentscheidung zu ChatGPT die Spielregeln für KI am Arbeitsplatz definiert. Während die EU-KI-Verordnung schrittweise greift, bleibt die Mitbestimmung bei freiwilligen KI-Tools stark eingeschränkt – sehr zum Frust vieler Arbeitnehmervertreter.
Das Jahr 2025 steht ganz im Zeichen eines Urteils: Am 16. Januar 2024 entschied das Arbeitsgericht Hamburg (Az. 24 BVGa 1/24), dass Betriebsräte bei der freiwilligen Nutzung von ChatGPT keine Mitbestimmungsrechte haben. Diese Entscheidung hat sich zum wichtigsten Präzedenzfall entwickelt.
Der springende Punkt? Die Freiwilligkeit der Nutzung. Der betroffene Arbeitgeber hatte seinen Beschäftigten erlaubt – aber nicht vorgeschrieben – ChatGPT über private Accounts zu verwenden. Das Gericht sah darin weder eine technische Überwachseinrichtung (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) noch eine Regelung des betrieblichen Verhaltens (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
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Für Betriebsräte eine herbe Niederlage. Ohne Zugriff des Arbeitgebers auf Backend-Daten oder Nutzungsprotokolle entfällt die Überwachungsmöglichkeit – und damit das Mitbestimmungsrecht. „Kein Datenzugang bedeutet keinen Überwachungsdruck, also keine Mitbestimmung nach § 87″, fasst ein aktueller juristischer Kommentar die Rechtslage zusammen.
EU-KI-Verordnung: Theorie trifft Praxis
Parallel zum nationalen Arbeitsrecht dominiert 2025 die praktische Umsetzung der EU-KI-Verordnung (AI Act). Nach ihrem Inkrafttreten im August 2024 greifen die Verpflichtungen nun schrittweise.
Ende 2025 stecken Unternehmen mitten in der Compliance-Phase für erste Verbote und Transparenzpflichten. Für Betriebsräte eröffnet die Verordnung neue Handlungsfelder – besonders bei Hochrisiko-KI-Systemen wie Bewerbermanagement-Software oder Leistungsbeurteilungs-Tools.
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz von 2021 gibt Gremien bereits das Recht, Sachverständige hinzuzuziehen (§ 80 Abs. 3 BetrVG). Diese Option wird 2025 unverzichtbar. Mit dem komplexen Klassifizierungssystem der KI-Verordnung beauftragen Betriebsräte zunehmend externe Experten, um zu klären: Fällt die Software unter die Hochrisiko-Kategorie? Falls ja, greifen verschärfte Dokumentations- und Aufsichtspflichten.
Die Mitbestimmungslücke bleibt
Trotz regulatorischer Fortschritte klafft eine „Mitbestimmungslücke”. Das Hamburg-Urteil zeigt: „Schatten-IT” oder freiwillige Tools rutschen oft unter dem Radar des Betriebsrats durch.
Die Antwort vieler Unternehmen und Gremien 2025? Rahmen-Betriebsvereinbarungen zu KI. Statt jeden Einzelfall zu bekämpfen – ob ChatGPT, Microsoft Copilot oder andere Tools – verhandeln beide Seiten breite Leitlinien. Typische Inhalte:
- Datenschutz: Keine sensiblen Firmen- oder Personendaten in öffentliche KI-Modelle eingeben.
- Kennzeichnungspflicht: KI-generierte Inhalte müssen als solche markiert werden – im Einklang mit den Transparenzregeln der EU-Verordnung.
- Diskriminierungsschutz: KI-Tools im Personalbereich dürfen keine Vorurteile verstärken.
Die juristische Realität? Ohne konkrete Überwachungsmöglichkeit oder verpflichtende Anweisung zur Tool-Nutzung hat der Betriebsrat kaum Druckmittel, solche Vereinbarungen zu erzwingen. Das Bundesarbeitsgericht hat bislang keine Grundsatzentscheidung getroffen, die den 2024 eingeschlagenen Kurs korrigieren würde.
Einigungsstelle als Kampfplatz
Bei umstrittenen Mitbestimmungsfällen wird die Einigungsstelle zur zentralen Arena. 2025 bleibt die Zahl der Schlichtungsverfahren zu IT- und KI-Systemen hoch. Der Knackpunkt: Ist das System „objektiv geeignet” zur Verhaltensüberwachung?
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz stellte klar: Bei KI-Einsatz in der Personalauswahl oder bei Richtlinien (§ 95 BetrVG) muss der Betriebsrat einbezogen werden. Doch bei allgemeinen Produktivitätstools entscheidet der „objektive Eignungstest” aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Wie im Hamburg-Fall gilt: Kann der Arbeitgeber nicht sehen, wer was tut (weil private Accounts genutzt werden), greift das Überwachungskriterium nicht.
Ausblick 2026: Hochrisiko-KI wird Pflicht
Der nächste Meilenstein kommt im August 2026 – 24 Monate nach Inkrafttreten der EU-KI-Verordnung. Dann werden die strengen Konformitätsbewertungen für Hochrisiko-KI verpflichtend.
Experten raten Betriebsräten, die verbleibenden Monate zu nutzen: Alle bestehenden und geplanten KI-Systeme prüfen. Fallen welche unter die Hochrisiko-Klassifizierung? Dann hätten Gremien stärkere Argumente für Informations- und Konsultationsrechte.
Auch die Betriebsratswahlen 2026 stehen an. „Digitale Kompetenz” wird zum Wahlkampfthema. Gewerkschaften wie IG Metall und ver.di betonen: Betriebsräte müssen zu „Transformationsgestaltern” werden, die algorithmisches Management und automatisierte Entscheidungen durchschauen.
Die wichtigsten Fakten im Überblick
- Leiturteil: ArbG Hamburg, 16. Januar 2024 (24 BVGa 1/24) – Keine Mitbestimmung bei freiwilliger, privater KI-Nutzung
- Rechtsgrundlagen: § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Überwachung) und § 80 Abs. 3 BetrVG (Sachverständigenberatung)
- EU-Regulierung: EU-KI-Verordnung (In Kraft seit August 2024; stufenweise Umsetzung 2025-2027)
- Strategischer Trend: Rahmen-Betriebsvereinbarungen statt Einzelfall-Regelungen
Hinweis: Dieser Artikel gibt einen allgemeinen Überblick über die Rechtslage im Dezember 2025 und stellt keine Rechtsberatung dar. Entwicklungen im Arbeitsrecht sind dynamisch – konkrete Fälle sollten von Fachjuristen geprüft werden.
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