Günstiger-Strom-Gesetz: Österreich startet größte Strommarktreform seit 20 Jahren
18.11.2025 - 17:00:12Die österreichische Bundesregierung beschließt heute die größte Strommarktreform seit zwei Jahrzehnten. Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz – offiziell “Günstiger-Strom-Gesetz” – soll die Energieversorgung stabiler, sauberer und vor allem leistbarer machen. Doch während Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) von einem “Paradigmenwechsel” spricht, hagelt es von der Energiebranche bereits heftige Kritik.
Die Reform reagiert auf die massiven Preisschwankungen der vergangenen Jahre. Kernstück sind ein neuer Krisenmechanismus als Nachfolger der auslaufenden Strompreisbremse, eine Neuregelung der Netzentgelte und Anreize für flexibleren Stromverbrauch. “Wir sorgen dafür, dass sinkende Preise auch tatsächlich bei den Haushalten ankommen”, erklärt Stocker. Für die Verabschiedung im Parlament benötigt das Gesetz eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Das Gesetzespaket soll “netzdienliches Verhalten” belohnen und die Stromnetze entlasten. Künftig beteiligen sich auch Stromerzeuger an den Kosten für den Netzausbau. Nach massiver Kritik wurde die Regelung jedoch abgemildert: Einspeisegebühren fallen erst ab einer Leistung von 7 Kilowatt an – kleine Photovoltaik-Anlagen bleiben verschont.
Zusätzlich kommt die sogenannte “Spitzenkappung”: Bei drohender Netzüberlastung drosselt man die Einspeisung neuer PV-Anlagen um bis zu 40 Prozent, bei Windkraft um bis zu 15 Prozent. Eine österreichweit abgestimmte Netzplanung soll Dopplungen verhindern und den Ausbau effizienter gestalten.
Passend zum Thema Eigentümerrechte und Photovoltaik: Das neue Wohnungseigentumsgesetz bringt wichtige Änderungen – etwa Regelungen zu Balkonkraftwerken und Beschlussprozessen in Eigentümerversammlungen. Der kostenlose 5‑Minuten‑Sonder‑Report erklärt die 19 wichtigsten Neuerungen seit Ende 2024 und zeigt, wie Vermieter und Verwalter Zustimmung, Kostenumlage und rechtssichere Beschlüsse bei PV-Anlagen sauber regeln. Jetzt kostenlosen WEG-Sonder-Report anfordern
Krisenmechanismus statt Strompreisbremse
Nach dem Auslaufen der Strompreisbremse Ende Dezember 2024 führt die Regierung einen gezielten Krisenmechanismus ein. In ausgerufenen “Energiekrisen” wird der reine Energiepreis bei zehn Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Das entspricht bei aktuell rund 15 Cent pro kWh einer Senkung um ein Drittel, wie SPÖ-Staatssekretärin Michaela Schmidt betont.
Doch Vorsicht: Der Deckel gilt nur für den reinen Energiepreis, der etwa ein Drittel der Gesamtrechnung ausmacht. Netzentgelte, Steuern und Abgaben kommen weiterhin obendrauf. Finanziert werden sollen die Maßnahmen hauptsächlich von heimischen Energieerzeugern.
Sozialtarif für 250.000 Menschen
Rund 250.000 einkommensschwache Haushalte profitieren künftig von einem speziellen Sozialtarif. Sie zahlen für einen Grundverbrauch von bis zu 2.900 kWh nur sechs Cent pro Kilowattstunde. Ein weiterer Tarif macht Strom günstiger, wenn viel davon produziert wird – ein Anreiz, das Netz durch zeitlich verschobenen Verbrauch zu entlasten.
“Billigstromgesetz” – die Branche rebelliert
Die Interessenvertretung Oesterreichs Energie reagiert mit gemischten Gefühlen. Während man die Maßnahmen zur Systemoptimierung begrüßt, wird die Umbenennung scharf kritisiert. “Ein Titel, der Rabattschlachten suggeriert, wird der größten Systemtransformation der Zweiten Republik nicht gerecht”, so Generalsekretärin Barbara Schmidt. Man baue ein komplett neues Energiesystem und kein “Ramschprodukt”.
Noch heftiger äußern sich die Verbände für erneuerbare Energien. Die geplanten Netzentgelte für die Einspeisung seien ein “Österreich-Aufschlag”, der heimischen Grünstrom verteuere und Stromimporte begünstige. Florian Maringer von der IG Windkraft bezeichnet die Umbenennung als “Taschenspielertrick” und “PR-Gag”. Herbert Paierl von PV Austria warnt vor standortschädlichen Folgen.
Österreich geht eigenen Weg
Österreichs Ansatz unterscheidet sich deutlich vom deutschen Modell. Dort lief die Strompreisbremse bereits Ende 2023 aus, ohne dass ein direktes Nachfolgemodell für Privathaushalte eingeführt wurde. Deutschland setzt stattdessen auf langfristige Systemtransformation – unter anderem durch den Bau von bis zu zehn Gigawatt an wasserstofffähigen Gaskraftwerken ab 2026.
Die österreichische Reform versucht den Spagat zwischen langfristigen Investitionen in erneuerbare Energien und kurzfristig leistbaren Preisen. Die Kritik der Branche zeigt jedoch den zentralen Konflikt: Belastet man die Erzeuger mit zusätzlichen Kosten, könnten die für die Energiewende notwendigen Investitionen ausbleiben.
Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich – Gespräche mit FPÖ laufen
Nach dem heutigen Ministerratsbeschluss wandert der Entwurf ins Parlament. Als Verfassungsgesetz benötigt es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat – die Regierung ist auf Stimmen von FPÖ oder Grünen angewiesen. Erste Gespräche mit der FPÖ wurden bereits bestätigt.
Ziel ist ein Beschluss noch in diesem Jahr, damit das Gesetz Anfang 2026 in Kraft treten kann. Für Verbraucher werden die konkreten Auswirkungen erst im Laufe des nächsten Jahres spürbar, wenn die neuen Tarifstrukturen implementiert sind. Die Energieversorger stehen vor der Herausforderung, die komplexen Regelungen technisch und administrativ umzusetzen. Die Debatte über den richtigen Weg zu einer bezahlbaren Energiezukunft ist damit keineswegs beendet.
PS: Sie sind Vermieter oder Wohnungseigentümer und fragen sich, wie Netzentgelte, Einspeiseregeln und neue WEG-Vorschriften Ihre Gemeinschaftskosten beeinflussen? Der kostenlose WEG-Report liefert praxisnahe Empfehlungen, Musterformulierungen für Eigentümerversammlungen und erklärt, wie Sie Beschlüsse zu PV-Anlagen rechtssicher durchsetzen. Kostenlosen WEG-Report herunterladen


