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GDS Local: Großbritannien startet digitale Revolution für Gemeinden

28.11.2025 - 03:01:12

Die britische Regierung hat am Dienstag mit „GDS Local” eine zentrale Hürde der digitalen Verwaltung ins Visier genommen: die technologische Kluft zwischen Whitehall und den Rathäusern. Zeitgleich schloss die EU ihren Pilotversuch für digitale Identitäten erfolgreich ab – ein Signal, das vom asiatischen Markt bis Salt Lake City weltweit neue Initiativen auslöste.

Die vergangenen 72 Stunden haben gezeigt: Digitale Verwaltungsreformen werden nicht mehr von oben verordnet, sondern dort umgesetzt, wo Bürger sie tatsächlich nutzen – auf kommunaler Ebene.

Das britische Ministerium für Wissenschaft, Innovation und Technologie (DSIT) hat mit dem Government Digital Service (GDS) eine Spezialeinheit geschaffen, die eines der hartnäckigsten Probleme der britischen Verwaltung lösen soll: Die über 300 Kommunalverwaltungen nutzen ein Sammelsurium inkompatibler IT-Systeme.

GDS Local konzentriert sich auf drei Bereiche:

Integration nationaler Dienste: Gemeinden sollen ihre Services an GOV.UK One Login und die GOV.UK App anbinden. Das Ziel: Ein Bürger meldet sich einmal an und kann damit sowohl Gemeindesteuern zahlen als auch seinen Reisepass verlängern – ohne doppelte Registrierung.

Strategische Neuausrichtung: Zusammen mit dem Ministerium für Wohnungsbau und Kommunalverwaltung will die Einheit eine einheitliche Technologie-Vision entwickeln. Das soll die Abhängigkeit von veralteten Altsystemen beenden.

Datenfreigabe: Kommunen sollen anonymisierte Daten – etwa zu Obdachlosigkeit – über den Government Digital and Data Hub austauschen können. So lassen sich Trends erkennen und Angebote besser planen, ohne den Datenschutz zu gefährden.

Liz Adams, Leiterin von GDS Local, betonte in einem Blog-Beitrag vom Dienstag den kooperativen Ansatz: „Wir arbeiten mit den Gemeinden zusammen, nicht über ihre Köpfe hinweg.” Ein wesentliches Ziel sei es, Kommunen von restriktiven „Knebelverträgen” mit Legacy-IT-Anbietern zu befreien – eine Aussage, die bei Branchenverbänden wie techUK auf Zustimmung stieß.

EU-Wallet nimmt Fahrt auf – Korea investiert Millionen

Während London die lokale Ebene reformiert, hat Brüssel am Donnerstag einen Meilenstein bei der digitalen Identität erreicht. Das POTENTIAL-Konsortium, eines von vier großangelegten Pilotprojekten für die Europäische Digitale Identität (EUDI), beendete erfolgreich seine zweieinhalbjährige Testphase.

Der Pilot prüfte grenzüberschreitende Anwendungen: Bankkonto-Eröffnung, Behördenzugriff, SIM-Karten-Aktivierung. Die luxemburgische Regierung, die das Projekt mitgestaltete, zog ein differenziertes Fazit: Die Technik funktioniert, doch „grenzüberschreitende Interoperabilität ist möglich, aber fragil”. Bis zum geplanten Rollout 2026 brauche es klare Governance-Strukturen.

Die Ankündigung löste sofortige Marktreaktionen aus. Am Donnerstag verkündete Hopae, ein südkoreanischer Anbieter für digitale Identitätsinfrastruktur, eine strategische Expansion nach Europa mit fünf Millionen Euro Investment. Das Unternehmen will eine Vermittlungsplattform anbieten, über die Firmen die kommenden EUDI-Wallets einbinden können – rechtzeitig zur vollständigen Umsetzung der eIDAS-2.0-Verordnung.

Eine Bitkom-Umfrage unter deutschen Unternehmen, auf die Branchenberichte diese Woche verwiesen, zeigt das Potenzial: 82 Prozent der Firmen mit über 20 Mitarbeitern planen, die EU-Wallet zu nutzen.

Städte setzen auf KI – aber ohne Kahlschlag

Jenseits des Atlantiks diskutierten beim City Summit der National League of Cities in Salt Lake City Stadtobere über die praktische Umsetzung dessen, was Experten als „kognitive industrielle Revolution” bezeichnen.

Am Mittwoch präsentierte Melissa Scott, CIO von Philadelphia, ein KI-Tool für Kundenservice-Mitarbeiter. Es soll Gewerbetreibenden präzisere Auskünfte ermöglichen – nicht durch Stellenabbau, wie Scott betonte: „Dieses Tool unterstützt unsere Mitarbeiter, es ersetzt sie nicht.”

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In Bangkok versammelte Thailands Ministerium für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft am Donnerstag Vertreter des öffentlichen Sektors zum „Public Sector Day 2025″. Minister Chaichanok Chidchob warb für beschleunigte Cloud-Einführung, unterstützt durch die kürzlich gestartete AWS-Region Asien-Pazifik (Thailand). Cloud und KI seien „unverzichtbare Wegbereiter” für moderne Verwaltung und mehr Transparenz gegen Korruption.

Neue Bescheidenheit – oder notwendiger Realismus?

Was diese parallelen Entwicklungen verbindet: Regierungen konzentrieren sich auf die „letzte Meile” – dort, wo Bürger tatsächlich mit dem Staat interagieren. Jahrelang digitalisierten Behörden vor allem zentrale Ministerien. Doch an den Touchpoints blieb oft alles beim Alten.

„Der Start von GDS Local markiert einen kollegialeren Ansatz bei der Transformation öffentlicher Dienstleistungen”, kommentierte Georgina Maratheftis, Associate Director für lokale öffentliche Dienste bei techUK, am Mittwoch. Diese Einschätzung spiegelt einen branchenweiten Trend wider: weg von monolithischen Proprietär-Systemen, hin zu modularen, interoperablen Plattformen, die über Verwaltungsebenen hinweg nutzbar sind.

Was 2026 bringen muss

Der Zeitdruck ist erheblich. In Großbritannien wird sich GDS Local daran messen lassen müssen, wie schnell Gemeinden tatsächlich One Login integrieren. Erste Pilotgemeinden sollen Anfang 2026 live gehen und als Blaupause für den gesamten öffentlichen Sektor dienen.

In der EU verschiebt sich der Fokus von der Erprobung zur Produktion. Mit dem POTENTIAL-Abschluss bleiben den Mitgliedsstaaten rund zwölf Monate, um ihre nationalen Wallet-Apps fertigzustellen. Zu erwarten ist eine Welle von Ausschreibungen und Anbieterpartnerschaften – ähnlich dem Hopae-Einstieg – während Regierungen nach technischem Know-how für konforme Wallets suchen.

Das Versprechen an die Bürger: Ende 2026 soll ein einziger sicherer Login auf dem Smartphone ausreichen – vom Ausleihen eines Bibliotheksbuchs bis zur grenzüberschreitenden Kontoeröffnung. Die Vision des nahtlosen digitalen Staats könnte dann endlich Realität werden. Vorausgesetzt, die Technik hält mit den Ankündigungen Schritt.

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