Ford, Köln

Ford Köln: Freiwilligen-Programm für 3.500 Stellen startet

28.11.2025 - 19:30:12

Heute Mittag begann in Köln-Niehl ein düsteres Kapitel deutscher Automobilgeschichte. Seit 12 Uhr können Tausende Ford-Mitarbeiter Anträge auf Abfindungen stellen – der Startschuss für den drastischsten Personalabbau, den das Werk je erlebte.

Rund 3.500 Stellen sollen in den kommenden drei Monaten durch freiwillige Abgänge verschwinden. Der amerikanische Autobauer reagiert damit auf die schwache Nachfrage nach seinen Elektromodellen und die geplante Umstellung auf Einschichtbetrieb ab Januar 2026. Die Uhr tickt: Bis Ende Februar müssen sich die Beschäftigten entscheiden.

Die Konditionen, die das Management am Donnerstag dem Betriebsrat vorstellte, gehören zu den üppigsten der Branche. Laut Dokumenten, die dem Kölner Stadt-Anzeiger und Radio Erft vorliegen, setzt sich das Paket aus drei Komponenten zusammen:

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Sockelbetrag: Jeder erhält mindestens 25.000 Euro. Mit vier Jahren Betriebszugehörigkeit steigt dieser auf 40.000 Euro, danach in 10.000-Euro-Schritten bis maximal 80.000 Euro für langjährige Mitarbeiter.

Faktorkomponente: Hier wird es richtig interessant. Wer weniger als fünf Jahre dabei ist, bekommt 1,25 Bruttomonatsgehälter pro Dienstjahr. Darüber sind es 2,0 Gehälter – gedeckelt bei 41 Monatsgehältern.

Sozialzuschläge: Pro unterhaltsberechtigtem Kind gibt es 5.500 Euro extra, bei Schwerbehinderung weitere Aufschläge. IG-Metall-Mitglieder erhalten einen Bonus von 2.500 Euro.

Ein durchschnittlicher Mitarbeiter mit vier Jahren Betriebszugehörigkeit und einem Kind käme auf etwa 63.000 Euro vor Steuern. Langjährige Beschäftigte in höheren Entgeltgruppen können theoretisch über 300.000 Euro erreichen.

„Die Abfindungen sind großzügig und deutlich besser als in der Automobilindustrie üblich”, räumte Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka ein. Trotzdem bleibe die Entscheidung für viele schwer angesichts der unsicheren Arbeitsmarktlage.

Doppelschlag: Warum 3.500 Jobs weg müssen

Die aktuelle Abbauwelle bündelt zwei Kündigungsrunden aus dem vergangenen Jahr. Im November 2024 hatte Ford zunächst angekündigt, bis Ende 2027 etwa 2.900 Stellen in Deutschland zu streichen. Doch die Lage verschärfte sich.

Im September 2025 folgte die Hiobsbotschaft: Die Nachfrage nach den neuen E-Modellen Explorer und Capri bleibe „deutlich unter den Erwartungen”. Weitere 1.000 Jobs müssten fallen. Das Gesamtziel liegt nun bei 3.500 bis 4.500 Arbeitsplätzen – vom Büro bis zur Montagelinie.

Der unmittelbare Auslöser: Ab Januar 2026 läuft das Kölner E-Werk nur noch im Einschichtbetrieb statt wie bisher in zwei Schichten. Damit wird ein erheblicher Teil der Produktionsbelegschaft praktisch über Nacht überflüssig.

„Das Unternehmen hat massiven Druck aufgebaut, das Programm noch dieses Jahr zu starten”, berichtete Radio Erft am Donnerstag. Ursprünglich bis Ende 2027 geplant, wurde der Zeitplan wegen ausbleibender E-Auto-Verkäufe drastisch verkürzt. Die Belegschaft, vor wenigen Jahren noch knapp 20.000 Köpfe stark, könnte nach Abschluss der Maßnahmen auf etwa 7.600 Mitarbeiter schrumpfen.

E-Auto-Wette gescheitert: Europas Autokrise in Köln

Der Kahlschlag in Niehl ist Symptom einer größeren Krise. Ford investierte fast 1,9 Milliarden Euro, um das traditionsreiche Werk zum ersten klimaneutralen „Cologne EV Center” umzubauen – und stellte dafür die Produktion des beliebten Fiesta ein.

Die Marktreaktion fiel ernüchternd aus. Nach dem Wegfall der staatlichen E-Auto-Prämie, kombiniert mit hohen Energiekosten und aggressiver Konkurrenz aus China, blieb die Nachfrage aus.

„Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Europa liegt deutlich unter den Prognosen”, hieß es in Fords September-Mitteilung. Das Unternehmen hatte mit einem E-Auto-Marktanteil von 35 Prozent bis 2025 gerechnet. Tatsächlich dümpelt dieser laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei etwa 18 Prozent.

Die Produktionszahlen sprechen Bände: Ausgelegt auf 250.000 Fahrzeuge jährlich, liegt der aktuelle Output bei geschätzt unter 200.000 Einheiten. Pro Schicht verlassen angeblich nur noch 300 bis 350 Autos das Werk.

Belegschaft zwischen Angst und Hoffnung

In Niehl herrscht angespannte Stimmung. Die Konditionen sind verlockend, der Entscheidungsdruck enorm. Genau drei Monate haben die Beschäftigten Zeit – vom heutigen 28. November bis Ende Februar 2026.

„Das ist unfassbar deprimierend”, sagte ein Arbeitnehmervertreter dem WDR. „Wir erleben Hoffnungslosigkeit und unbändige Angst bei vielen Kolleginnen und Kollegen.”

Die IG Metall hat immerhin ein Sicherheitsnetz ausgehandelt: Bis 2032 sind betriebsbedingte Kündigungen für Verbleibende ausgeschlossen. Allerdings greift diese Garantie nur, wenn genügend Beschäftigte freiwillig gehen. Wird die Quote verfehlt, drohen neue Konflikte.

Zukunft ungewiss: Ein geschrumpfter Autobauer

Die nächsten drei Monate werden über Fords europäische Zukunft mitentscheiden. Das Unternehmen versucht, seine Strukturen an einen kleineren, hoffentlich profitableren Markt anzupassen.

Gelingt das Programm, wird Ford Köln im Frühjahr 2026 als deutlich schlankerer Betrieb dastehen – fokussiert auf Nischen-Elektro-SUVs. Doch Analysten warnen: Ohne Nachfrageschub könnten selbst diese drastischen Schnitte nicht die letzten sein.

Tausende Ford-Mitarbeiter verbringen das Wochenende nun mit dem Taschenrechner in der Hand. Sie müssen entscheiden, ob sie das Geld nehmen und ein Unternehmen verlassen, das seit fast einem Jahrhundert zum rheinischen Wirtschaftsgefüge gehört.

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