Firmenwagen, BSG-Urteil

Firmenwagen: BSG-Urteil wird zum Kostenfalle

14.11.2025 - 19:32:12

Kassel – Das Bundessozialgericht hat Arbeitgebern einen Riegel vorgeschoben.

Wer den gesetzlichen Mindestlohn mit einem Firmenwagen „bezahlen” will, riskiert teure Nachzahlungen. Das höchste deutsche Sozialgericht stellte am Donnerstag klar: Der Mindestlohn ist eine Geldschuld – und muss bar auf die Hand gezahlt werden. Die Folge? Unternehmen droht eine doppelte Beitragspflicht zur Sozialversicherung, selbst wenn sie bereits auf den Geldwert des Dienstwagens eingezahlt haben.

Das gestrige Urteil beendet eine rechtliche Grauzone und schafft neue Klarheit. Doch für manche Betriebe dürfte diese Klarheit schmerzhaft werden. Der 12. Senat des BSG (Aktenzeichen: B 12 BA 8/24 R und B 12 BA 6/23 R) gab der Deutschen Rentenversicherung Bund recht, die von einem Arbeitgeber Nachzahlungen verlangt hatte. Dieser hatte Teilzeitkräfte ausschließlich mit einem Fahrzeug entlohnt. Die Botschaft ist eindeutig: Sachbezüge können den Mindestlohn nicht ersetzen. Der Lohn soll das Existenzminimum sichern – und das funktioniert nur mit verfügbarem Geld.

Ein Arbeitgeber aus NRW hatte zwei Teilzeitbeschäftigten einen Firmenwagen als einzige Vergütung zur Verfügung gestellt. Die vertragliche Vereinbarung sah vor: Statt eines Gehalts nach dem Mindestlohngesetz erhielten die Mitarbeiter das Fahrzeug für berufliche und private Zwecke. Der Arbeitgeber zahlte Sozialversicherungsbeiträge auf den ermittelten Geldwert dieses Sachbezugs.

Doch nach einer Betriebsprüfung schaltete sich die Deutsche Rentenversicherung Bund ein. Die Forderung: 4.337 Euro an nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträgen. Die Begründung der DRV? Der Mindestlohnanspruch existiert kraft Gesetzes eigenständig und muss in bar erfüllt werden. Da er nicht gezahlt wurde, unterliegt dieser „Phantom-Lohn” dennoch der Beitragspflicht. Das BSG bestätigte diese Rechtsauffassung nun in letzter Instanz.

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Warum ein Auto kein Bargeld ist

Kernpunkt des Urteils ist die rechtliche Einordnung des Mindestlohns als „Geldschuld”. Das Gericht betonte unmissverständlich: Der Zweck des Mindestlohngesetzes besteht darin, Beschäftigten Bargeld für ihren Lebensunterhalt zu sichern. Würden Arbeitgeber dies durch Sachleistungen wie einen Firmenwagen ersetzen dürfen, würde das Gesetz ausgehöhlt.

Diese Sichtweise ist nicht völlig neu, stellt aber eine definitive Klarstellung im Sozialversicherungsrecht dar. Die Richter verwiesen auf eine ähnliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2016, die bereits festlegte: Mindestlohn muss in Geld gezahlt werden. Das BSG-Urteil präzisiert zudem, dass die Gewerbeordnung vorschreibt, Löhne in Euro zu berechnen und auszuzahlen. Das Argument des Arbeitgebers, einer der Beschäftigten sei vermögend und benötige das Bargeld nicht? Vom Tisch. Das Gesetz gilt universell, unabhängig von individuellen Vermögensverhältnissen.

Die doppelte Kostenfalle

Die gravierendste finanzielle Konsequenz des Urteils: Arbeitgeber können zur doppelten Zahlung verpflichtet werden. Das BSG bestätigte das Recht der DRV, Sozialversicherungsbeiträge auf den gesetzlichen Mindestlohn zu erheben, der hätte gezahlt werden müssen – ungeachtet bereits geleisteter Beiträge auf den Wert des Firmenwagens.

Die beiden Beitragspflichten sind getrennt zu betrachten, so das Gericht. Die eine entsteht aus dem vereinbarten Sachbezug (dem Auto), die andere aus dem unbezahlten gesetzlichen Mindestlohnanspruch. Der Einwand des Arbeitgebers, dies komme einer Doppelbestrafung gleich? Abgelehnt. Etwaige Überkompensationen – etwa wenn der Mitarbeiter sowohl das Auto als auch nachträglich den Mindestlohn erhält – müssten zivilrechtlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geklärt werden. An der sozialversicherungsrechtlichen Forderung ändert das nichts.

Was bedeutet das für die Praxis?

Das Urteil verschließt ein Schlupfloch, das manche Arbeitgeber zur Gestaltung von Vergütungsmodellen im Niedriglohnsektor erwogen haben könnten. Indem das BSG die sozialversicherungsrechtliche Perspektive mit der etablierten arbeitsrechtlichen Sichtweise des BAG gleichschaltet, entsteht eine einheitliche Rechtsfront.

Rechtsexperten betonen: Diese Entscheidung unterstreicht den Willen des Gesetzgebers, die Integrität des Mindestlohns als bargeldbasiertes soziales Sicherheitsnetz zu schützen. Kreative Vergütungsmodelle können fundamentale Lohnzahlungspflichten nicht umgehen. Das Urteil wird eine gründliche Überprüfung von Arbeitsverträgen und Lohnabrechnungspraktiken im ganzen Land erzwingen – besonders in Branchen mit vielen Teilzeitkräften oder dort, wo Sachbezüge verbreitet sind.

Sofortiger Handlungsbedarf

Arbeitgebern bleibt nur eines: unverzügliche Kontrolle ihrer Vergütungsvereinbarungen. Jede Gestaltung, bei der Sachbezüge als Ersatz für den gesetzlichen Mindestlohn interpretiert werden könnten, muss überarbeitet werden. Der Mindestlohn muss explizit in bar ausgezahlt werden. Sachleistungen wie Firmenwagen dürfen ausschließlich als echte Zusatzleistung zusätzlich zum Mindestlohn gewährt werden.

Wer diesen klaren Rechtsstandard missachtet, setzt sich erheblichen finanziellen Risiken aus. Die Deutsche Rentenversicherung Bund dürfte dieses Präzedenzurteil bei künftigen Betriebsprüfungen konsequent anwenden – mit der Folge substanzieller Nachforderungen bei nicht-konformen Unternehmen. Um kostspielige Auseinandersetzungen und Strafzahlungen zu vermeiden, müssen Arbeitgeber transparente Lohnabrechnungen sicherstellen und die Barzahlung des Mindestlohns für jede geleistete Arbeitsstunde klar dokumentieren. Das Urteil lässt keinen Interpretationsspielraum: Beim Mindestlohn zählt nur Bares.

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