EUDR-Verschiebung: EU gewährt Unternehmen ein weiteres Gnadenjahr
27.11.2025 - 16:19:12Das Europäische Parlament hat am Mittwoch eine erneute Verschiebung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) beschlossen – und damit globalen Lieferketten erheblichen Druck genommen. Die Umsetzungsfrist für Großunternehmen verschiebt sich auf den 30. Dezember 2026, begleitet von deutlichen bürokratischen Erleichterungen. Eine seltene Kehrtwende in Brüssel, die zeigt: Selbst ambitionierte Umweltgesetze scheitern an der Realität.
Mit 402 zu 250 Stimmen votierte das Parlament für die zweite Fristverlängerung innerhalb von zwei Jahren. Ursprünglich sollte die Verordnung Ende 2024 in Kraft treten, wurde dann auf Dezember 2025 verschoben – und nun abermals um ein Jahr aufgeschoben. Kleine und Kleinstunternehmen erhalten sogar bis zum 30. Juni 2027 Zeit zur Vorbereitung.
Der EU-Ministerrat hatte bereits am 19. November den Weg für diese Entscheidung geebnet. Die Einigkeit zwischen Rat und Parlament deutet auf eine zügige Finalisierung des Rechtstexts in den kommenden Wochen hin.
Die eigentliche Erleichterung für Unternehmen liegt jedoch nicht in der Fristverlängerung, sondern in den begleitenden Vereinfachungen. Das Parlament hat die Meldepflichten grundlegend umstrukturiert und verlagert die Hauptlast weg von nachgelagerten Akteuren.
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Die neuen Regeln im Detail:
- “Erster in der Kette”: Nur derjenige Händler, der ein Produkt erstmals auf den EU-Markt bringt, muss eine vollständige Sorgfaltserklärung (DDS) einreichen.
- Downstream-Befreiung: Nachgelagerte Händler und Verarbeiter benötigen keine eigene Sorgfaltserklärung mehr. Sie müssen lediglich die DDS-Referenznummer des Erstimporteurs angeben.
- KMU-Sonderregelung: Kleine und Kleinstunternehmen können statt komplexer Regelmeldungen eine einmalige vereinfachte Erklärung im System hinterlegen.
Diese Änderungen treffen den Kern jahrelanger Industrie-Kritik. Handels- und Herstellerverbände hatten gewarnt, dass die ursprünglich geplante „Custody-Chain”-Dokumentation zu einer unbeherrschbaren Datenflut führen würde.
Was trieb die EU zur erneuten Kehrtwende? Die IT-Infrastruktur. Trotz des 2024 gewährten Aufschubs zeigten Berichte vom September 2025, dass das EUDR-Informationssystem mit der erwarteten Datenmenge überfordert wäre.
Im Oktober erhöhten Industrieverbände – von Kaffeeröstern über Holzimporteure bis zu Reifenherstellern – den Druck auf Brüssel massiv. Die Botschaft: Die Systeme sind nicht ansatzweise bereit für einen Start im Dezember 2025. Die EU-Kommission räumte diese Risiken in ihrem Oktober-Vorschlag ein, der nun die Grundlage für die gestrige Abstimmung bildete.
„Ziel ist es, die Umsetzung der bestehenden Regeln zu vereinfachen und ihre Anwendung zu verschieben, damit sich Unternehmen, Händler und Behörden angemessen vorbereiten können”, erklärte der Rat am 19. November. Der Fokus hat sich verschoben: Von der Durchsetzung eines starren Termins hin zur Schaffung eines funktionsfähigen Systems.
Für importabhängige Volkswirtschaften wie Deutschland und Österreich hat diese Entwicklung besondere Relevanz. Branchen von der Automobilindustrie (Reifengummi) über Möbelhersteller (Holz) bis zur Lebensmittelverarbeitung (Kakao, Kaffee) standen vor enormen Compliance-Kosten.
Die deutschen Wirtschaftsverbände und die österreichischen Wirtschaftskammern hatten genau diese Vereinfachungen seit Monaten gefordert. Ihr Argument: Die ursprünglichen bürokratischen Anforderungen würden mittelständische Betriebe unverhältnismäßig hart treffen.
Umweltverbände kritisieren die Änderungen scharf als „Aushöhlung” der Verordnung. Marktanalysten sehen darin jedoch notwendigen Pragmatismus. Die Einführung einer „Kein-Risiko”-Länderkategorie – ein umstrittener Punkt in den 2024er-Verhandlungen – bleibt zentraler Bestandteil des Regelwerks und ermöglicht erleichterte Kontrollen für Importe aus Regionen mit stabiler oder wachsender Waldbedeckung.
Die doppelte Verschiebung ist in der EU-Gesetzgebungsgeschichte selten und unterstreicht die schiere Komplexität bei der Regulierung globaler Lieferketten. Sie signalisiert einen Kurswechsel: Die EU priorisiert funktionierende, digitale Durchsetzung gegenüber starren politischen Deadlines.
Mit der Einigkeit zwischen Parlament und Rat über Kernprinzipien der Verschiebung und Vereinfachung dürften die finalen Gesetzgebungsschritte zur Formsache werden. Die „Trilog”-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission beginnen unmittelbar, Ziel ist die Finalisierung des Rechtstexts bis Mitte Dezember.
Unternehmen sollten mit der Veröffentlichung der geänderten Verordnung im EU-Amtsblatt vor dem 30. Dezember 2025 rechnen – so tritt die Verschiebung rechtzeitig vor Ablauf der aktuellen Frist in Kraft. Der Druck ist für 2025 weg, doch das zusätzliche Jahr sollte genutzt werden: Firmen müssen ihre Rückverfolgbarkeitsdaten gegen das neue „Erstimporteur”-Meldemodell testen.
Kann ein Jahr ausreichen, um zu schaffen, woran zwei Jahre scheiterten? Die Antwort wird zeigen, ob die EU aus ihren IT-Pannen gelernt hat – oder ob 2026 die dritte Verschiebung droht.
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