EUDR: Holzindustrie fordert Vereinfachung vor Parlamentsvotum
25.11.2025 - 22:51:12Die europäische Holzbranche schlägt Alarm: Kurz vor der entscheidenden Abstimmung im EU-Parlament appellieren führende Verbände an die Abgeordneten, den Kompromissvorschlag des EU-Rates zur Entwaldungsverordnung (EUDR) zu unterstützen. Ohne drastische Vereinfachungen drohe ein „bürokratischer Kollaps” – bei gleichzeitiger Verschiebung auf Ende 2026.
Was auf dem Spiel steht? Die größte Reform im Kampf gegen illegale Abholzung könnte zum administrativen Albtraum werden. Während Umweltschützer vor Schlupflöchern warnen, fürchtet die Industrie um ihre Existenz. Der Kompromiss des Rates vom 19. November soll nun den Mittelweg ebnen – doch wird das Parlament mitziehen?
Ein ungewöhnlich geschlossen auftretendes Bündnis machte heute öffentlich Druck: Angeführt von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Holzhandel (GD Holz) und dem Deutschen Holzwirtschaftsrat (DHWR) forderten Branchenverbände die EU-Parlamentarier auf, dem am 19. November vom Rat vereinbarten Kompromisstext zuzustimmen.
Im Kern geht es um technische „Vereinfachungen”, die den Verwaltungsaufwand für nachgelagerte Unternehmen drastisch reduzieren sollen – ohne die Umweltziele der Verordnung zu gefährden. DHWR-Geschäftsführer Denny Ohnesorge betonte in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung, der Ratsvorschlag schaffe eine „praktikable und rechtssichere Grundlage”.
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„Die Ratsvorschläge sind praxistauglich, bieten Rechtssicherheit und finden breiten Konsens in Europa”, so Ohnesorge. „Sie geben Unternehmen die Chance, die EUDR wirksam umzusetzen, ohne sie mit unverhältnismäßiger Bürokratie zu überziehen.”
Der wichtigste Erfolg der Industrie im Ratstext – und ihre zentrale Forderung ans Parlament – ist die Begrenzung der „Referenznummer”-Pflicht. Nach den ursprünglichen Regeln hätten komplexe Geolokations-Referenznummern durch jede Stufe der Lieferkette weitergegeben werden müssen. Kritiker hielten dies für technisch undurchführbar, besonders bei komplexen Holzprodukten. Der neue Vorschlag beschränkt diese Datenweitergabe auf die erste Verarbeitungsstufe – eine enorme Erleichterung für Möbelhersteller, Händler und Einzelhändler.
Die „zweite Verschiebung”: Ziel Dezember 2026
Die politischen Manöver dieser Woche ereignen sich vor dem Hintergrund einer vorgeschlagenen zweiten Verzögerung der EUDR-Umsetzung. Ursprünglich für 2024 geplant und dann auf Dezember 2025 verschoben, steht nun eine weitere Verlängerung bis 30. Dezember 2026 für Großunternehmen und 30. Juni 2027 für Klein- und Kleinstunternehmen im Raum.
Laut Berichten vom 24. November wurde diese jüngste Verzögerung durch anhaltende technische Probleme im dedizierten IT-System der EU ausgelöst. Das „Informationssystem” ist weiterhin nicht bereit für den Massenbetrieb. Die Eingeständnisse der EU-Kommission zu diesen technischen Lücken Anfang November erzwangen eine Wiedereröffnung des Dossiers – und ermöglichten den Mitgliedstaaten, auf substantielle Änderungen zu drängen.
GD Holz begrüßte die Einigung des Rates vom 19. November als „großen Erfolg” für die Branche. In einer Stellungnahme Ende letzter Woche betonte der Verband, die vorgeschlagenen Änderungen seien das Ergebnis monatelangen Lobbyings für einen „Bürokratie-Check”. Die Ratsposition unterstützt nicht nur die einjährige Verzögerung, sondern verpflichtet die Kommission auch, bis April 2026 weitere Vereinfachungsvorschläge vorzulegen, falls die administrative Last zu hoch ausfällt.
Kampf um „Kein-Risiko”-Länder
Jenseits der Referenznummern-Technik tobt eine heftige politische Debatte über die Länderklassifizierung. Das EU-Parlament wird über Änderungsanträge abstimmen, die eine „Kein-Risiko”-Kategorie für Länder mit stabiler oder zunehmender Waldbedeckung einführen würden.
Während die Holzindustrie diese Einstufung unterstützt, um Ressourcen auf Hochrisikogebiete zu konzentrieren, lehnen Umweltverbände und einige politische Lager sie ab. Sie befürchten Schlupflöcher. Für den Handelssektor ist diese Klassifizierung jedoch existenziell: Sie würde Importe aus „Kein-Risiko”-Ländern von den aufwändigsten Sorgfaltsprüfungen befreien und Handelsströme aus wichtigen Partnern wie Kanada und den USA erleichtern – Länder, die die extraterritoriale Reichweite der EUDR scharf kritisiert haben.
In ihrer Stellungnahme vom 20. November betonte GD Holz, das „Kein-Risiko”-Konzept stelle zusammen mit der Abschaffung nachgelagerter Referenznummer-Pflichten den „Mindestrahmen” dar, damit die Industrie global funktionsfähig bleibe.
Lieferketten am Abgrund
Die vehemente Haltung der Holzindustrie spiegelt tiefe Ängste um die Kontinuität der Lieferketten wider. Angesichts der (vorherigen) Dezember-2025-Frist berichteten Unternehmen, dass fehlende IT-Systeme und klare Leitlinien Vorbereitungen unmöglich machten.
„Deutsche Unternehmen dürfen nicht in Bürokratie ersticken, nur weil Kontrollbehörden in anderen EU-Ländern nachlässiger arbeiten”, warnte GD-Holz-Vorsitzender Maximilian Habisreutinger bereits in früheren Diskussionen. Die Branche argumentiert: Ohne diese Vereinfachungen würde die EUDR versehentlich konforme europäische Betriebe bestrafen, während illegale Entwaldung anderswo weiterläuft.
Die Situation erinnert an das Chaos Ende 2024 – nur mit höheren Einsätzen. Die Einführung substantieller Änderungen am Gesetzestext – statt nur einer Timeline-Verschiebung – markiert einen bedeutenden Schwenk in der EU-Umweltpolitik: Die Anerkennung, dass ambitionierte grüne Ziele mit funktionierender technischer Infrastruktur einhergehen müssen.
Die entscheidende Abstimmung
Alle Augen richten sich nun auf die Plenarsitzung des EU-Parlaments in Straßburg, wo die Abstimmung über die Ratsänderungen unmittelbar bevorsteht.
Falls das Parlament der Ratsposition folgt:
– Umsetzungsdatum: Verschoben auf 30. Dezember 2026
– Datenanforderung: Nachgelagerte Unternehmen wahrscheinlich von Weitergabe roher Geolokations-Referenznummern befreit
– Überprüfungsklausel: Neuer „Vereinfachungs-Review” für April 2026 geplant
Sollte das Parlament die Vereinfachungsänderungen ablehnen oder auf einer „sauberen” Verzögerung ohne Textänderungen bestehen, könnte die Verordnung in eine chaotische „Trilog”-Verhandlungsphase eintreten. Unternehmen würden in rechtlicher Ungewissheit zurückbleiben, während die aktuelle Frist näher rückt.
„Nun ist es entscheidend, dass das Europäische Parlament den Ratsvorschlag mit breiter Mehrheit unterstützt”, mahnte Ohnesorge heute. Das Ergebnis der Abstimmung wird darüber entscheiden, ob das EU-Flaggschiff gegen Entwaldung zu einem funktionsfähigen Standard wird – oder zur Warnung vor regulatorischer Überdehnung.
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