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EUDI Wallet: Deutschland forciert digitale Identität mit 75 Tech-Partnern

20.11.2025 - 23:51:11

Deutschland startet eine der größten digitalen Allianzen Europas: Über 75 Technologieunternehmen haben sich der Regierung angeschlossen, um die EU-weite digitale Identität Realität werden zu lassen. Die am Mittwoch in Berlin unterzeichnete Absichtserklärung soll den Weg für die EUDI Wallet ebnen – doch die Wirtschaft warnt vor einem entscheidenden Stolperstein.

Was auf dem Papier nach koordiniertem Fortschritt klingt, offenbart in der Praxis eine Schwachstelle: Niemand weiß bisher, wie sich das System wirtschaftlich trägt. Während das neu geschaffene Bundesministerium für Digitale Transformation und Regierungsmodernisierung (BMDS) technische Meilensteine feiert, fehlt die Antwort auf die Geldfrage.

Das BMDS hat gestern ein Konsortium geschmiedet, das sich sehen lassen kann. Unter Federführung des Digitalverbands Bitkom sind Schwergewichte wie IDnow, Secunet, Sopra Steria und Giesecke+Devrient mit an Bord. Die Mission: Die EUDI Wallet soll bis 2027 schrittweise für deutsche Bürger nutzbar werden – für digitale Ausweise, Altersverifikation und die Speicherung von Führerscheinen oder Bildungsnachweisen.

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„Dieser koordinierte Entwicklungsprozess ermöglicht es, potenzielle Herausforderungen frühzeitig zu klären”, erklärte ein Sprecher des BMDS nach der Unterzeichnung. Das Ministerium betont, dass die Wallet bei ihrer Einführung nicht nur technisch ausgereift, sondern auch weitreichend kompatibel sein soll – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor.

Der Zeitplan ist ambitioniert: Nach einem 13-monatigen Prototypen-Wettbewerb soll das Konsortium bis zum dritten Quartal 2026 seine Einschätzung zur Einsatzbereitschaft der europaweiten digitalen Identität vorlegen.

Die Geschäftsmodell-Lücke

Doch während in Berlin Verträge unterschrieben werden, macht sich in der Industrie Ernüchterung breit. Der Anbieter für digitale Identitäten Signicat warnte heute in einer Stellungnahme: Ohne klare Geschäftsmodelle droht dem gesamten Ökosystem die Akzeptanzkrise.

„Das Ökosystem wird viele Rollen und Akteure umfassen”, erklärte Esther Makaay, Vice President Digital Identity bei Signicat, in einem Webinar. „Obwohl einige von der Regierung finanziert werden, würden viele von Einnahmequellen profitieren. Das ist jedoch schwierig, da sich die eIDAS-Gesetzgebung auf rechtliche und operative Fragen konzentriert – Geschäftsmodelle bleiben außen vor.”

Signicate prognostiziert eine Fragmentierung: Europa könnte 30 bis 50 verschiedene Wallet-Anwendungen hervorbringen, die anfangs möglicherweise nicht vollständig kompatibel sind. Die Firma fordert Gesetzgeber auf, wirtschaftliche Anreize zu schaffen – damit Banken, Autovermietungen und Hotels überhaupt einen Grund haben, die neuen Tools zu integrieren.

Ohne diese Anreize droht ein Szenario, das aus anderen digitalen Großprojekten bekannt ist: Technisch machbar, praktisch ungenutzt.

KI revolutioniert Behördendienstleistungen

Parallel zum Identitäts-Push erlebt Europa einen KI-Boom im öffentlichen Sektor. Ein Bericht der EU-geförderten Initiative StepUp StartUps vom 14. November zeigt: KI-basierte GovTech-Startups machten 2024 fast 50 Prozent aller Technologie-Deals mit Behörden aus.

Die Studie mit dem Titel Public Sector Services and the AI Opportunity argumentiert, dass künstliche Intelligenz den Fokus von reiner Effizienz auf „nutzerzentrierte Dienstleistungen” verschiebt. Carlos Santiso, Leiter für digitale und innovative Regierung bei der OECD, schreibt im Bericht: KI-Fähigkeiten treiben Regierungen zu Services, die „stärker auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind”.

Allerdings identifiziert die Studie auch hartnäckige Barrieren: Fragmentierte Beschaffungssysteme erschweren kleineren Innovatoren den Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Die neue Allianz des BMDS wirkt wie eine direkte Antwort – ein Versuch, Standards durch direkte Zusammenarbeit mit Branchenführern zu vereinheitlichen.

Grenzüberschreitende Dynamik

Die Entwicklungen in Berlin dürften den gesamten DACH-Raum erfassen. Österreich, das in der E-Government-Nutzerzufriedenheit konstant führt, beobachtet den deutschen Prototyp genau. Laut dem im September veröffentlichten eGovernment MONITOR 2025 übertreffen die Schweiz und Österreich Deutschland weiterhin bei der Akzeptanz digitaler Services – doch die schiere Größe der deutschen Initiative könnte das regionale Gleichgewicht verschieben.

Der deutsch-französische Gipfel, bei dem die Vereinbarung unterzeichnet wurde, brachte zudem eine gemeinsame Task Force zur europäischen digitalen Souveränität hervor. Dieses Gremium soll gemeinsame Standards für digitale Dienste definieren und die bürokratische Reibung reduzieren, die derzeit grenzüberschreitende digitale Verwaltung behindert.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Bis zum Rollout-Ziel 2027 konzentriert sich das Geschehen auf die Prototypen-Phase. Stakeholder erwarten, dass das BMDS bis Mitte 2026 aktualisierte technische Spezifikationen veröffentlicht – unter Einbeziehung des Feedbacks der 75 Partner.

Für Unternehmen im DACH-Raum bedeutet das: Die Infrastruktur für eine einheitliche digitale Identität entsteht gerade – und zwar schnell. Organisationen, die auf Kundenauthentifizierung angewiesen sind – von Finanzinstituten bis zu Telekommunikationsanbietern – sollten ihre Systeme bereits jetzt auf die EUDI Wallet vorbereiten.

Wer bis zum Go-Live wartet, riskiert den Anschluss zu verlieren. Die Frage ist nur: Werden sich die Geschäftsmodelle rechtzeitig klären, bevor die Technik steht?

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