Nachhaltigkeitsregeln, Zeit

EU verschiebt Nachhaltigkeitsregeln: Unternehmen erhalten deutlich mehr Zeit

09.12.2025 - 04:20:12

Die europäischen Unternehmen können aufatmen. Brüssel gewährt eine Atempause bei zwei der ambitioniertesten Nachhaltigkeitsvorhaben der vergangenen Jahre – und verschiebt die Umsetzung um Jahre nach hinten.

Am Dienstag, dem 9. Dezember 2025, haben der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament weitreichende Änderungen an ihrem Nachhaltigkeitsrahmen beschlossen. Betroffen sind die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) und die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten (CSDDD). Die Entscheidungen sind Teil des sogenannten “Omnibus”-Pakets zur Vereinfachung – ein Zugeständnis an die europäische Wettbewerbsfähigkeit, ohne die Umweltziele komplett aufzugeben.

Nach monatelangem Druck aus der Wirtschaft und diplomatischen Warnungen einigten sich die EU-Gesetzgeber vergangene Woche auf eine Verschiebung der Entwaldungsverordnung. Die provisorische Vereinbarung vom 4. Dezember sieht eine Verzögerung um zwölf Monate vor.

Die neuen Stichtage lauten:
* 30. Dezember 2026 für große Unternehmen und Händler
* 30. Juni 2027 für Kleinst- und Kleinunternehmen

Ursprünglich sollte die Verordnung bereits Ende 2025 in Kraft treten. Sie verpflichtet Unternehmen nachzuweisen, dass importierte Produkte wie Kaffee, Kakao, Soja und Holz nicht mit Entwaldung in Verbindung stehen.

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Zusätzlich zur Fristverlängerung wurden gezielte Änderungen beschlossen, um den Verwaltungsaufwand zu senken. Besonders relevant: Künftig muss nur noch der erste Marktteilnehmer in der EU eine Sorgfaltserklärung einreichen. Nachfolgende Akteure in der Lieferkette können sich auf diese Erklärung beziehen – doppelte Meldungen entfallen.

“Diese Einigung schafft die nötige Rechtssicherheit für Unternehmen und macht die Verordnung praktikabel”, erklärte ein Sprecher des Rates nach Abschluss der Verhandlungen. Die Kommission wurde beauftragt, die Funktionsfähigkeit der Regelung bis zum 30. April 2026 zu überprüfen – eine Hintertür für weitere technische Anpassungen bleibt damit offen.

Lieferkettensorgfalt: Umsetzung erst 2028

Parallel zur Entwaldungsverordnung gibt es massive Änderungen bei der Lieferketten-Richtlinie. Der Rat der Europäischen Union bestätigte am Dienstag eine grundlegende Verschiebung des Zeitplans.

Die Frist für die Mitgliedstaaten, die CSDDD in nationales Recht umzusetzen, wurde auf den 26. Juli 2028 verlängert. Die ersten Unternehmen müssen die Vorschriften damit erst ab Juli 2029 befolgen – ein ganzes Jahr später als ursprünglich vorgesehen.

Doch nicht nur die Zeitachse hat sich verschoben. Im Rahmen des Omnibus-Pakets wurden die Schwellenwerte drastisch angehoben:
* 5.000 Mitarbeiter (zuvor 1.000)
* 1,5 Milliarden Euro Umsatz (zuvor 450 Millionen Euro)

Damit fallen Tausende mittelständische Unternehmen aus dem Anwendungsbereich heraus. Zudem wurde die Pflicht zu verbindlichen Klimatransitionsplänen komplett gestrichen – eine Forderung des Europäischen Parlaments, um Überschneidungen mit anderen Berichtspflichten zu vermeiden.

Vereinfachte Standards für kleinere Unternehmen

Ergänzend zu den legislativen Verzögerungen veröffentlichte die Europäische Beratungsgruppe für Rechnungslegung (EFRAG) am 3. Dezember 2025 ihren Entwurf für vereinfachte Nachhaltigkeitsstandards.

Die neuen “VSME”- (freiwillig für KMU) und “LSME”-Standards (für börsennotierte KMU) sollen kleinere Unternehmen entlasten, die in Lieferketten großer Konzerne eingebunden sind. Die wichtigsten Merkmale:
* 61 Prozent weniger obligatorische Datenpunkte im Vergleich zu den vollständigen ESRS
* Fokus auf wesentliche Kennzahlen zu Belegschaft, Umweltverschmutzung und Klimarisiken
* Standardisierte Vorlagen für effiziente Datenabfragen durch Banken und Großkunden

“Die vereinfachten Standards stellen einen pragmatischen Ausgleich dar”, erklärte EFRAG während einer Präsentation am 4. Dezember. “Sie ermöglichen kleineren Unternehmen die Teilnahme an der grünen Transformation, ohne von Berichtspflichten erdrückt zu werden, die für Multinationale konzipiert wurden.”

Was steckt dahinter? Ein “Wettbewerbsreset”

Die zeitgleichen Verschiebungen von EUDR und CSDDD markieren einen bedeutenden Kurswechsel in der EU-Politik – Beobachter sprechen von einem “Wettbewerbsreset”.

Im Laufe der Jahre 2024 und 2025 hatten Branchenverbände wiederholt gewarnt, dass die kumulative Last der Green-Deal-Berichtspflichten Europas Industriebasis gefährde. Die Anhebung der CSDDD-Schwellenwerte auf 5.000 Beschäftigte nimmt faktisch Tausende mittelständische Unternehmen aus der Pflicht.

“Das ist ein Sieg des Pragmatismus”, kommentiert Thomas Meyer, Analyst beim European Policy Centre. “Indem die EU die CSDDD-Zeitlinie mit der verschobenen EUDR synchronisiert und die Berichtstandards vereinfacht, erkennt sie an, dass Umsetzungskapazität genauso wichtig ist wie legislativer Ehrgeiz.”

Umweltorganisationen sehen die Entwicklung kritisch. NGOs argumentieren, dass das Streichen der Klimatransitionspläne die Fähigkeit der EU schwächt, Unternehmen auf die Pariser Klimaziele zu verpflichten. Die verlängerten Fristen bedeuten außerdem, dass eine tatsächliche Durchsetzung der Lieferketten-Sorgfalt für die meisten Unternehmen nun fast vier Jahre entfernt liegt.

Wie geht es weiter?

Die provisorischen Vereinbarungen dieser Woche werden voraussichtlich Mitte Dezember formell verabschiedet – wahrscheinlich zwischen dem 16. und 18. Dezember 2025.

Für Unternehmen verschiebt sich die Priorität von “Hektik” zu “Strategie”. Mit dem EUDR-Stichtag Ende 2026 und der CSDDD-Compliance ab 2029 haben Firmen ein neues Zeitfenster, um:
* Lieferketten auf Entwaldungsrisiken zu prüfen, ohne unmittelbare Ausschlussgefahr vom Markt
* Die vereinfachten EFRAG-Standards zu implementieren und Datenerfassung zu straffen
* Interne Governance-Strukturen anzupassen, um die höheren CSDDD-Schwellenwerte zu erfüllen

Der regulatorische Druck hat zwar nachgelassen, das Ziel bleibt jedoch unverändert: ein vollständig transparenter, nachhaltiger europäischer Markt – er kommt nur etwas später als geplant.

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