Sanktionskontrolle, Friedensgesprächen

EU verschärft Sanktionskontrolle trotz Friedensgesprächen

28.11.2025 - 07:19:11

Während in Genf über einen US-Friedensplan für die Ukraine verhandelt wird, tritt Brüssel aufs Gaspedal. Das 20. Sanktionspaket gegen Moskau nimmt Gestalt an – und die EU macht unmissverständlich klar: Wirtschaftlicher Druck bleibt das entscheidende Druckmittel, nicht etwa Verhandlungsmasse.

Ein symbolträchtiger Prozess in den Niederlanden und ein hochrangiger Sanktionsgipfel in Kiew unterstreichen diese Woche die Entschlossenheit der EU. Die Botschaft an Unternehmen? Compliance wird härter, nicht leichter – egal, was am Verhandlungstisch passiert.

Trotz diplomatischer Aktivitäten läuft die Sanktionsmaschinerie auf Hochtouren. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bestätigte gestern, dass informelle Gespräche über das 20. Sanktionspaket bereits begonnen haben. Formelle Beratungen sollen ab Januar starten.

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Im Zentrum: Russlands „Schattenflotte” – eine Armada alternder Tanker, mit denen Moskau die Ölpreis-Obergrenze der G7 umgeht. Brüssel plant nun sogenannte „Pre-Boarding-Abkommen” mit Flaggenstaaten. Diese würden EU-Mitgliedern erlauben, verdächtige Schiffe zu betreten und zu inspizieren.

„Die Schattenflotte zu verlangsamen, kostet Russland Einnahmen”, erklärte Kallas nach dem Außenministerrat. „Deshalb werden wir sowohl gegen die Schiffe als auch gegen ihre Ermöglicher vorgehen.”

Für Compliance-Verantwortliche bedeutet das: Die Sorgfaltspflicht reicht längst nicht mehr aus, nur sanktionierte Unternehmen zu identifizieren. Die gesamte Logistikkette – von Schiffseigentümern über Versicherungen bis zu Flaggenregistern – muss durchleuchtet werden.

Präzedenzfall Damen: Erstmals steht ein Branchenriese vor Gericht

Am Mittwoch begann in den Niederlanden der Prozess gegen Damen Shipyards. Dem niederländischen Schiffbau- und Rüstungskonzern wird vorgeworfen, über komplexe Unternehmensstrukturen Schiffe und Dual-Use-Technologie an russische Kunden geliefert zu haben – trotz Sanktionen.

Erstmals seit Kriegsbeginn 2022 steht damit ein europäischer Großkonzern wegen Sanktionsumgehung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, das Unternehmen habe bewusst Exportkontrollen ausgehebelt. Damen bestreitet die Vorwürfe.

Der Fall wird zur Nagelprobe für die Branche. Er zeigt: Nationale Behörden gehen vom Gesetzgeben zur strafrechtlichen Verfolgung über. Europäische Exporteure müssen ihre Compliance-Programme so robust aufstellen, dass sie strafrechtlicher Prüfung standhalten. Geschäfte über Tochterfirmen oder Zwischenhändler? Hochriskant.

„Nichts über Europa ohne Europa”

Hintergrund der Verschärfungen ist eine volatile diplomatische Lage. Diese Woche wurde bekannt, dass in Genf ein „28-Punkte-Friedensplan” zwischen US- und ukrainischen Vertretern diskutiert wurde. Russlands Präsident Wladimir Putin nannte ihn gestern eine „Grundlage” – fordert aber territoriale Zugeständnisse. Präsident Selenskyj lehnt das kategorisch ab.

EU-Vertreter fürchten, Moskau könnte die Verhandlungen nutzen, um weitere Sanktionen zu verzögern. Kallas warnte explizit vor „Fallen”, die darauf abzielen, Strafmaßnahmen hinauszuzögern.

„Wir begrüßen alle ernsthaften Bemühungen, den Krieg zu beenden”, sagte Kallas in Brüssel. „Aber der Frieden muss gerecht und dauerhaft sein. Das bedeutet: Ukrainer und Europäer müssen zustimmen.”

Diese Skepsis treibt Brüssels Strategie „Frieden durch Stärke” an. Beim Sanktionsgipfel in Kiew präsentierte Daten zeigten: Russlands Öl- und Gaseinnahmen sind um etwa 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen. Der Konsens? Jetzt den Druck zu lockern, würde den Kreml ermutigen und Kiews Verhandlungsposition schwächen.

Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Für international tätige Firmen ergibt sich ein Paradox: Friedensgespräche, begleitet von verschärften Sanktionsrisiken.

Zentrale Punkte für Compliance-Teams:

  • Keine Entwarnung: Friedensverhandlungen bedeuten nicht, dass Regeln gelockert werden. Das Gegenteil ist der Fall – die Durchsetzung wird härter.
  • Maritime Sorgfalt: Die Fokussierung auf die Schattenflotte betrifft Logistik, Versicherungen und Rohstoffhandel. Schiffe müssen penibel überprüft werden.
  • Strafverfolgungsrisiko: Der Damen-Prozess zeigt, dass selbst Branchenschwergewichte nicht geschützt sind. Altverträge und indirekte Lieferketten gehören auf den Prüfstand.

In den kommenden Wochen dürfte der Entwurf des 20. Sanktionspakets veröffentlicht werden. Während die Schlagzeilen von Friedensgesprächen dominiert werden, wird die regulatorische Realität von strengeren Exportkontrollen, erweiterten Sanktionslisten und einem konzentrierten Vorgehen gegen Umgehungsnetzwerke geprägt sein. Brüssel hat Position bezogen: Der Weg zum Verhandlungstisch führt über wirtschaftlichen Druck.

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