EU verhängt 120 Millionen Euro Strafe gegen Elon Musks X
05.12.2025 - 15:20:12Die Europäische Kommission hat heute Elon Musks Plattform X mit einer Geldbuße von 120 Millionen Euro belegt – die erste Strafe überhaupt nach dem Digital Services Act (DSA). Die Entscheidung markiert einen Wendepunkt in der europäischen Tech-Regulierung und entfacht bereits einen transatlantischen Streit zwischen Brüssel und der Trump-Administration.
Der Schritt beendet eine zweijährige Untersuchung gegen die frühere Twitter-Plattform. Im Kern geht es um täuschende Verifizierungssysteme, fehlende Transparenz bei Werbeanzeigen und blockierten Zugang für Forscher. Während die finanzielle Dimension erheblich ist, könnten die politischen Folgen noch weitreichender sein.
Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin für Tech-Souveränität, Sicherheit und Demokratie, präzisierte in Brüssel die konkreten Verstöße. Die Kommission stellte drei kritische Verletzungen der DSA-Transparenzpflichten fest:
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Täuschende Verifizierung (45 Millionen Euro): Das kostenpflichtige “Blue Check”-System irreführt Nutzer systematisch. Vor Musks Übernahme kennzeichneten blaue Häkchen verifizierte Personen des öffentlichen Lebens, Journalisten und offizielle Institutionen. Heute kann jeder gegen Bezahlung ein Häkchen erwerben – ohne echte Identitätsprüfung. Brüssel wertet dies als “Dark Pattern”: Nutzer können authentische Quellen nicht mehr von zahlenden Accounts unterscheiden. Die Folge? Mehr Betrug und Identitätsdiebstahl.
Werbe-Intransparenz (35 Millionen Euro): Der DSA verlangt ein durchsuchbares, öffentliches Archiv aller Anzeigen – zur Kontrolle politischer Werbung und kommerzieller Betrügereien. Xs Archiv sei “unzuverlässig” und “umständlich”, so die Kommission. Fehlende Informationen und Design-Barrieren machten das System für Watchdog-Organisationen praktisch unbrauchbar.
Blockierte Forschung (40 Millionen Euro): Besonders brisant für die langfristige DSA-Umsetzung – X verhindert den Zugang zu öffentlichen Daten. Die Nutzungsbedingungen verbieten Scraping, API-Schranken blockieren Wissenschaftler, die systemische Risiken wie Hassrede und Desinformation untersuchen. Die Kommission betont: Unabhängige Forschung bildet das Rückgrat der DSA-Rechenschaftspflicht.
„Wir sind nicht hier, um Maximalstrafen zu verhängen. Wir sind hier, um sicherzustellen, dass unsere digitalen Gesetze durchgesetzt werden”, erklärte Virkkunen vor Reportern. „Nutzer mit blauen Häkchen täuschen, Werbe-Informationen verschleiern und Forscher aussperren – das hat online in der EU keinen Platz.”
Fristen mit drastischen Konsequenzen
Die 120 Millionen Euro sind erst der Anfang. Die Kommission erlässt verbindliche Anordnungen mit strikten Zeitvorgaben:
- 60 Arbeitstage für eine Neugestaltung des Verifizierungssystems, damit Nutzer authentifizierte Accounts von bezahlten Abonnenten unterscheiden können
- 90 Arbeitstage für einen konkreten Aktionsplan zur Reparatur des Werbe-Archivs und zur Wiederherstellung des Forscher-Zugangs
Verfehlt X diese Deadlines, drohen weitere Sanktionen – darunter Zwangsgelder von bis zu 5 Prozent des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes. Für jeden einzelnen Tag der Verzögerung.
„Zensur” gegen „Rechtsstaatlichkeit” – der transatlantische Konflikt
Die Entscheidung heizt die Spannungen mit den USA massiv an. Noch vor der offiziellen Verkündung attackierte US-Vizepräsident JD Vance am Donnerstagabend auf X die EU-Pläne.
„Gerüchte besagen, dass die EU-Kommission X Hunderte Millionen US-Dollar Strafe aufbrummen will, weil die Plattform keine Zensur betreibt”, schrieb Vance. „Die EU sollte Meinungsfreiheit unterstützen, statt amerikanische Unternehmen wegen Müll anzugreifen.”
Elon Musk antwortete mit „Vielen Dank” und rahmt die Strafe als Angriff auf die Meinungsfreiheit statt als Compliance-Problem.
Kommissarin Virkkunen wies dieses Narrativ am Freitag entschieden zurück. „Diese Entscheidung betrifft die Transparenz von X und hat nichts mit Zensur zu tun”, stellte sie klar. „Der DSA schützt Nutzer. Der DSA gibt Forschern die Möglichkeit, potenzielle Bedrohungen aufzudecken. Er stellt Vertrauen in die Online-Umgebung wieder her.”
Analysten warnen: Der Konflikt könnte auf die Handelsbeziehungen übergreifen. Die Trump-Administration hat bereits Vergeltungszölle angedroht, sollten US-Tech-Giganten „unfair ins Visier genommen” werden.
Parallel-Verfahren: TikTok einigt sich, Temu unter Druck
Während X die volle Härte der Kommission spürt, zeigen andere Tech-Konzerne unterschiedliche Entwicklungen – ein Beleg für das vielseitige DSA-Instrumentarium.
TikTok entging heute einer Strafe durch eine Einigung mit der Kommission zur Werbe-Transparenz. ByteDances Plattform verpflichtete sich bindend, ihr Anzeigen-Archiv DSA-konform aufzurüsten. Die Vereinbarung adressiert Bedenken aus Verfahren von Anfang 2024 zur Durchsuchbarkeit und Genauigkeit von Werbedaten. (Diese Entwicklung ist getrennt vom August-2024-Vergleich, bei dem TikTok sein “Lite”-Belohnungsprogramm permanent einstellte.)
Derweil wächst der Druck auf den chinesischen E-Commerce-Riesen Temu. Die Kommission führt ihre Untersuchung fort, nachdem sie im Juli 2025 vorläufige Ergebnisse präsentierte. Vorwurf: Temu bewertet die Risiken illegaler Produkte – unsicheres Spielzeug, nicht-konforme Elektronik – für EU-Verbraucher unzureichend. Temu antwortet derzeit auf diese Vorwürfe. Scheitert die Stellungnahme, drohen Feststellungen der Nichteinhaltung und Bußgelder.
Was bedeutet das für die Branche?
Die heutige Entscheidung setzt einen mächtigen Präzedenzfall für die DSA-Umsetzung. Indem die Kommission die Strafe nach spezifischen Designentscheidungen aufschlüsselt (45 Millionen Euro allein für die blauen Häkchen), signalisiert sie: Brüssel prüft granulare Produktentscheidungen von Plattformen, nicht nur allgemeine Richtlinien.
„Das ist ein Weckruf für jeden Compliance-Verantwortlichen im Silicon Valley und in Shenzhen”, kommentiert Digital-Analyst Marcus Weber. „Die EU hat gezeigt, dass sie ein Unternehmen für sein Kerngeschäftsmodell bestrafen wird – bei X die bezahlten Verifizierungs-Abos –, wenn dieses Modell Nutzer täuscht.”
Für X ist die finanzielle Strafe signifikant, aber gemessen an Musks Imperium verkraftbar. Die operativen Anforderungen jedoch sind disruptiv. Das Verifizierungssystem innerhalb von 60 Tagen EU-konform neu zu gestalten – ohne das Wertversprechen von “X Premium” zu zerstören – wird eine komplexe technische und geschäftliche Herausforderung.
Der nächste Showdown bahnt sich bereits an
Wenn die 90-Tage-Frist näher rückt, richtet sich alle Aufmerksamkeit auf eine Frage: Öffnet X seine Daten für Forscher? Verweigert Musk dies unter Berufung auf Datenschutz oder Geschäftsgeheimnisse, könnte Anfang 2026 ein zweiter, noch größerer Konflikt folgen – mit täglichen Zwangsgeldern, die die ursprünglichen 120 Millionen Euro rasch übersteigen würden.
Die Botschaft aus Brüssel ist unmissverständlich: Die Schonfrist für den Digital Services Act ist vorbei. Die Durchsetzung hat begonnen.
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