EU startet Ermittlungen gegen Snapchat und YouTube
13.10.2025 - 11:23:02Konzerne müssen Kinderschutz-Maßnahmen offenlegen
Brüssel verschärft den Druck: Die Europäische Union hat formelle Untersuchungen gegen große Tech-Konzerne eingeleitet. Snapchat, YouTube sowie die App-Stores von Apple und Google müssen erklären, wie sie Minderjährige vor schädlichen Inhalten schützen. Die Kommission setzt damit erstmals das Digital Services Act scharf – mit Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
Die Ermittlungen folgen auf neue EU-Richtlinien vom Juli 2025, die klarstellen: Plattformen müssen Kinder vor Cybermobbing, suchtfördernden Features und gefährlichen Inhalten schützen. Der Schlüssel liegt in robusten Altersverifikationssystemen, die über einfache Ankreuzfelder hinausgehen. „Plattformen sind verpflichtet, die Sicherheit von Minderjährigen zu gewährleisten“, betont Henna Virkkunen, Executive Vice-Presidentin für Tech-Souveränität. Die Kommission werde alles Nötige tun, um junge Nutzer zu schützen.
Am 10. Oktober verschickte die Kommission offizielle Auskunftsersuchen an die Tech-Riesen. Snapchat muss erklären, wie es unter 13-Jährige vom Service fernhält und den Verkauf illegaler Waren wie E-Zigaretten oder Drogen an Minderjährige verhindert. YouTube steht wegen seiner Altersverifizierung und Empfehlungsalgorithmen in der Kritik – zu oft landen problematische Inhalte bei jungen Nutzern.
Apple und Google geraten wegen ihrer App-Stores unter Druck. Die Regulierer wollen wissen: Wie verhindern die Marktplätze, dass Minderjährige schädliche Apps wie Glücksspiel-Software oder „Nudify“-Apps herunterladen? Letztere erstellen ohne Einverständnis sexualisierte Inhalte. Die Untersuchungen basieren auf Artikel 28 des Digital Services Act, der Plattformen zu angemessenen Schutzmaßnahmen für Minderjährige verpflichtet.
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Prototyp für datenschutzfreundliche Altersverifikation
Die EU setzt auf innovative Technologie: Parallel zu den Ermittlungen stellte die Kommission einen Prototyp für eine datenschutzfreundliche Altersverifikations-App vor – eine Art „Mini-Wallet“. Nutzer können damit ihr Alter bestätigen, ohne ihre Identität oder persönliche Daten preiszugeben. Das System nutzt kryptographische Beweise und adressiert damit Datenschutzbedenken beim Upload von Ausweisdokumenten.
Die Open-Source-Software wird derzeit in fünf EU-Ländern getestet: Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien. Entwickelt wurde sie von einem Konsortium um T-Systems und Scytáles. Das System ist vollständig kompatibel mit den EU Digital Identity Wallets, die bis Ende 2026 europaweit eingeführt werden sollen. Ein wichtiger Schritt zu standardisierten, sicheren Alterskontrollen in der Union.
Das Ende der Selbstauskunft
Jahrelang war die Altersverifikation online ein schlechter Witz: Ein simples Ankreuzfeld, in dem Nutzer ihr Alter bestätigen. Diese Praxis erklärt die EU nun für unzureichend. Die neuen DSA-Richtlinien fordern einen risikobasierten Ansatz: Für hochrisikoreiche Inhalte wie Pornographie oder Online-Glücksspiel ist starke Altersverifikation Pflicht. Für andere Services können biometrische Altersschätzungen ausreichen – sofern sie präzise und diskriminierungsfrei arbeiten.
Dänemark, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, macht Kinderschutz online zur Priorität. Das Land will EU-weite Altersverifikationsregeln, um nationale Flickenteppiche zu vermeiden. Digitalministerin Carolin Stage Olsen plädiert für harmonisierte Standards bei gleichzeitiger nationaler Flexibilität für spezifische Altersgrenzen bei Social Media.
Weltweiter Präzedenzfall mit Herausforderungen
Die EU setzt mit ihrer DSA-Durchsetzung einen globalen Maßstab. Während Länder wie Großbritannien eigene Online-Sicherheitsgesetze haben, beobachten Regulierer weltweit das umfassende EU-Framework. Der „Privacy by Design“-Ansatz der Prototyp-App bietet eine Alternative zu invasiven Modellen, die routinemäßig Ausweisdokumente verlangen.
Die Umsetzung bringt Komplexität mit sich: Das DSA muss parallel zu den strengen DSGVO-Anforderungen navigiert werden, besonders beim Umgang mit Minderjährigendaten. Tech-Konzerne stehen vor der schwierigen Aufgabe, effektive Altersverifikationssysteme zu integrieren, die sowohl DSA-konform als auch DSGVO-tauglich sind. Scheitern sie, drohen massive Strafen und Reputationsschäden.
Ausblick: Strengere digitale Welt für Minderjährige
Die Ermittlungen sind erst der Anfang. Die Kommission wird weiter prüfen und bei Bedarf bindende Entscheidungen treffen, die signifikante Änderungen in der Plattform-Funktionsweise erzwingen können. Das Pilotprogramm der Altersverifikations-App läuft weiter – bereits eine zweite Version unterstützt die Verifizierung per Reisepass und Personalausweis.
2026 soll das EU Digital Identity Wallet diese Funktionalität standardmäßig integrieren und allen Bürgern der 27 Mitgliedsstaaten zur Verfügung stehen. Die Botschaft an Online-Plattformen ist unmissverständlich: Die Ära laxer Alterskontrollen ist vorbei. Wer nicht in ausgeklügelte, datenschutzwahrende Technologien zum Schutz Minderjähriger investiert, bekommt es mit einem der mächtigsten Digital-Regulierer der Welt zu tun.


