Entwaldungsverordnung, Jahr

EU schiebt Entwaldungsverordnung erneut um ein Jahr auf

22.11.2025 - 05:51:12

Brüssel – Dramatische Wende kurz vor der Ziellinie: Der Rat der Europäischen Union hat am Mittwoch beschlossen, die umstrittene EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zum zweiten Mal zu verschieben. Große Unternehmen müssen die Vorschriften nun erst ab dem 30. Dezember 2026 einhalten, kleine und Kleinstbetriebe ab dem 30. Juni 2027.

Die Entscheidung fiel nur wenige Wochen vor dem ursprünglich geplanten Start und mitten während der UN-Klimakonferenz COP30 in Belém, Brasilien. Umweltschützer sprechen von einem “Todesstoß” für die Glaubwürdigkeit der EU. Doch technische Pannen im zentralen IT-System und massiver Druck aus Wirtschaft und Drittstaaten ließen Brüssel kaum eine andere Wahl.

Der Rat reagiert auf die Kritik mit einem Paket an “Vereinfachungen”. Künftig soll nur noch der erste nachgelagerte Händler eine vollständige Sorgfaltserklärung einreichen müssen. Alle weiteren Akteure in der Lieferkette geben lediglich die Referenznummer weiter – keine komplette Datenduplizierung mehr.

Für kleine Betriebe könnte es noch einfacher werden: In bestimmten Niedrigrisiko-Szenarien sollen Postleitzahlen statt präziser Geokoordinaten ausreichen. Die EU-Kommission erhielt den Auftrag, bis April 2026 eine umfassende Prüfung vorzulegen und weitere Erleichterungen vorzuschlagen.

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“Ziel ist es, die Umsetzung bestehender Regeln zu vereinfachen und Unternehmen, Händlern sowie Behörden ausreichend Vorbereitungszeit zu geben”, heißt es in der Ratserklärung. Die “mangelnde Einsatzbereitschaft” des zentralen Informationssystems wird als Hauptgrund genannt.

IT-Fiasko bremst Umweltpolitik aus

Die technische Umsetzbarkeit der EUDR ist seit ihrer Verabschiedung 2023 ein Streitpunkt. Während die Kommission 2024 wiederholt beteuerte, das Informationssystem sei rechtzeitig einsatzbereit, zeigten Belastungstests Ende 2025 erhebliche Stabilitätsprobleme. Millionen komplexer Geolokalisierungsdaten bringen das System offenbar an seine Grenzen.

“Wir bedauern zutiefst, dass ein technisches IT-Problem die Kernziele der EUDR gefährdet”, erklärte ein Unternehmensverband diese Woche. Doch die Wirtschaft zeigt sich erleichtert: Eine Durchsetzung ohne funktionierendes Meldesystem hätte globale Lieferketten für Kaffee, Kakao und Soja ins Chaos gestürzt.

Auch Handelspartner aus dem Globalen Süden atmeten auf. Mercosur-Staaten warnten auf der COP30 vor Handelsstörungen in Milliardenhöhe – ihre Agrarsektoren seien für die EU-Anforderungen schlicht nicht gerüstet.

“Sie töten das Gesetz” – NGOs schäumen

Bei Umweltorganisationen löste die Entscheidung blanke Wut aus. Die Verordnung, ursprünglich für Dezember 2024 geplant, wurde bereits einmal verschoben. Nun folgt die zweite Verschiebung innerhalb von zwölf Monaten.

“Wir stehen kurz vor dem Ziel, und ausgerechnet jetzt, während der COP30, zerstören sie die EUDR”, wettert Boris Patentreger von Mighty Earth. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Verzögerung selbst: NGOs befürchten, die “Vereinfachungen” seien ein Trojanisches Pferd zur Aufweichung der Substanz.

Besonders alarmiert sind Aktivisten über mögliche Wiederbelebungsversuche der “Null-Risiko-Länderkategorie” – ein Vorschlag, der 2024 knapp scheiterte, aber weiterhin durch Brüsseler Hinterzimmer geistert. Unternehmen, die Millionen in frühzeitige Compliance investierten, fühlen sich bestraft.

Showdown im Dezember: Das Parlament entscheidet

Die Ratsentscheidung ist nicht das letzte Wort. Das Europäische Parlament muss noch zustimmen – die Abstimmung wird Mitte Dezember erwartet. Die politische Gemengelage bleibt brisant: Die konservative EVP-Fraktion unterstützt die Verzögerung zum Schutz europäischer Landwirte, doch andere Fraktionen könnten querschießen.

Ende 2024 führte der Streit um die “Null-Risiko-Kategorie” bereits fast zum Scheitern der ersten Verschiebung. Nun beginnen Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission unter extremem Zeitdruck.

Findet sich bis Jahresende keine Einigung, tritt theoretisch das aktuelle Gesetz mit seiner Dezember-2025-Frist in Kraft – genau jene Handelsstörungen würden eintreten, die die Verschiebung verhindern soll. Unternehmen weltweit stecken damit in einem weiteren Jahr der Unsicherheit, gefangen zwischen europäischem Regulierungschaos und der drängenden Realität des Klimawandels.

Kann die EU ihr Klimaschutz-Flaggschiff noch retten? Die Antwort fällt in den kommenden Wochen.

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