Reform, Digitalen

EU plant umfassende Reform ihres Digitalen Regelwerks

17.11.2025 - 00:00:12

Die Europäische Union steht vor einer grundlegenden Neuordnung ihrer Digitalvorschriften. Noch diese Woche präsentiert die EU-Kommission ihr „Digital Omnibus”-Paket – ein Gesetzesvorhaben, das das komplexe Geflecht aus KI-Gesetz, Datenschutzregeln und Cybervorschriften entwirren soll. Gleichzeitig hat das EU-Parlament bereits erste Entlastungen für Unternehmen beschlossen. Doch während die Wirtschaft aufatmet, warnen Datenschützer vor einem historischen Rückschritt.

Die Debatte offenbart einen fundamentalen Konflikt: Bremst Europas Regulierungswut die Innovation? Oder droht nun eine gefährliche Aufweichung mühsam erkämpfter Schutzstandards? Die kommenden Tage könnten die digitale Zukunft des Kontinents neu definieren.

Den Auftakt machte das Europäische Parlament bereits am 13. November mit seinem „Simplification Omnibus”. Die Botschaft: Weniger Bürokratie für den Mittelstand. Künftig müssen nur noch Großunternehmen mit über 1.750 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz Nachhaltigkeitsberichte vorlegen.

Auch beim umstrittenen Lieferkettengesetz gibt es Erleichterungen. Unternehmen dürfen sich künftig auf tatsächlich risikobehaftete Geschäftsbeziehungen konzentrieren – statt jeden einzelnen Lieferanten systematisch zu durchleuchten. Wirtschaftsverbände begrüßten die Maßnahmen als überfälligen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Die nun beginnenden Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedstaaten sollen die Details finalisieren. Spürbare Entlastungen könnten bereits im Frühjahr 2026 greifen.

Das Kernstück: „Digital Omnibus” soll Regelungschaos beenden

Doch der eigentliche Paukenschlag steht noch bevor. Am 19. November will die EU-Kommission ihr „Digital Omnibus”-Paket präsentieren – eine Reaktion auf massiven Druck aus der Wirtschaft. Konzerne klagen seit Monaten über ein undurchschaubares Regelwerk aus KI-Gesetz, Data Act, DSGVO und Cyber Resilience Act.

Das Problem: Die Gesetze überschneiden sich, widersprechen sich teils und lassen sich in der Praxis kaum umsetzen. Eine von der Kommission durchgeführte Konsultation zeigte breite Unterstützung für Vereinfachungen. Unternehmen fordern vor allem klarere Zuständigkeiten, einheitliche Meldeverfahren und Entlastungen bei Cookie-Regelungen.

Die geplanten Anpassungen könnten das gesamte digitale Regelwerk der EU neu justieren. Von der Datennutzung über Datenschutzvorfälle bis zu Compliance-Pflichten – kaum ein Bereich bliebe unberührt.

KI-Gesetz auf dem Prüfstand – noch vor vollständigem Inkrafttreten

Besonders brisant: Noch während das KI-Gesetz schrittweise in Kraft tritt, plant Brüssel bereits Korrekturen. Das weltweit erste umfassende KI-Regularium gilt zwar seit August 2024, die strengsten Auflagen greifen aber erst ab August 2026. Genug Zeit für Nachbesserungen, findet offenbar die Kommission.

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Geleakte Entwürfe deuten auf weitreichende Änderungen hin. So könnte die Verarbeitung personenbezogener Daten für das Training von KI-Modellen künftig als „berechtigtes Interesse” im Sinne der DSGVO gelten. Was bedeutet das konkret? Unternehmen bräuchten in vielen Fällen keine explizite Einwilligung mehr, um Nutzerdaten für KI-Training zu verwenden.

Auch für den Mittelstand sind Erleichterungen im Gespräch. Längere Umsetzungsfristen und gelockerte Vorschriften sollen kleineren Unternehmen den Einstieg in KI-Technologien erleichtern. Die Bundesregierung unterstützt diesen Kurs ausdrücklich.

Industrie jubelt, Datenschützer schlagen Alarm

Die Wirtschaft atmet auf. Bereits im Juli 2025 hatten Dutzende Konzernchefs in einem offenen Brief einen zweijährigen Aufschub des KI-Gesetzes gefordert. Ihre Argumentation: Europa drohe im globalen Wettbewerb mit den USA und China den Anschluss zu verlieren. Zu viel Regulierung, zu wenig Pragmatismus.

Ganz anders sehen es Bürgerrechtsorganisationen. Sie warnen vor dem „größten Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU”. Jahrelang erkämpfte Datenschutzstandards drohten binnen Wochen ausgehöhlt zu werden. Die geplante Lockerung der DSGVO-Regeln für KI-Training sei besonders gefährlich – sie könne die Tür für massenhafte Datenauswertung ohne echte Kontrolle öffnen.

Der Konflikt offenbart eine Grundsatzfrage: Wie viel Regulierung verträgt Innovation? Und wie viel Freiheit braucht der Grundrechtsschutz?

Entscheidende Wochen für Europas Digitalstrategie

Nach der Präsentation am 19. November beginnt der eigentliche Kampf um die Details. Parlament und Mitgliedstaaten müssen sich auf die finale Ausgestaltung einigen – ein Prozess, der Monate dauern kann. Parallel laufen die Verhandlungen zum bereits beschlossenen Vereinfachungspaket.

Die Initiativen sind Teil eines umfassenden „Digital Fitness Checks”, mit dem die Kommission sämtliche digitale Gesetzgebung auf Praxistauglichkeit prüfen will. Das Ergebnis wird die digitale Landschaft Europas für Jahre prägen.

Steht Europa vor einem pragmatischen Neustart – oder vor einem gefährlichen Rollback? Die Balance zwischen Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Grundrechtsschutz war selten so fragil wie jetzt. Die kommenden Wochen werden zeigen, welche Vision sich durchsetzt.

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