EU-Parlament, Lieferketten-Gesetz

EU-Parlament bremst Lieferketten-Gesetz drastisch aus

16.11.2025 - 14:41:12

Überraschende Kehrtwende in Brüssel: Das Europäische Parlament hat am Donnerstag mit knapper Mehrheit für eine drastische Abschwächung der gerade erst verabschiedeten EU-Lieferkettenrichtlinie gestimmt. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen – und steht der Green Deal auf der Kippe?

Mit 382 gegen 249 Stimmen beschlossen die Abgeordneten weitreichende Änderungen an der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die erst im Juli 2024 in Kraft getreten war. Die Abstimmung erfolgte im Rahmen eines „Omnibus-Vereinfachungspakets”, das Bürokratie abbauen soll. Doch was als Entlastung verkauft wird, könnte tausende europäische Unternehmen aus der Verantwortung nehmen – sehr zum Ärger von Menschenrechts- und Umweltorganisationen.

Die vorgeschlagenen Änderungen haben es in sich: Künftig sollen nur noch Konzerne mit über 5.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro unter die Richtlinie fallen. Bisher lag die Schwelle bei 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz – ein gewaltiger Unterschied.

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Noch dramatischer: Die Verpflichtung zur Erstellung von Klimatransitionsplänen könnte komplett gestrichen werden. Auch die verwandte Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) würde deutlich eingeschränkt. Was bleibt dann noch übrig vom ambitionierten Plan, Nachhaltigkeit fest in der Unternehmensführung zu verankern?

Rückschritt mit Ansage

Die ursprüngliche CSDDD galt als Meilenstein: Erstmals sollten Unternehmen rechtlich verpflichtet werden, ihre gesamte Lieferkette auf Menschenrechts- und Umweltverstöße zu prüfen – und im Schadensfall haftbar gemacht werden können. Kein freiwilliges ESG-Programm mehr, sondern knallharte Compliance mit Konsequenzen.

Für deutsche Firmen war das keine komplette Neuigkeit. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zeigt bereits in diese Richtung. Doch die EU-Richtlinie ging deutlich weiter: Sie erfasste die gesamte Wertschöpfungskette, nicht nur direkte Zulieferer. Viele Unternehmen hatten sich bereits auf die schrittweise Umsetzung ab 2027 vorbereitet. Diese Planungen stehen nun auf wackeligen Beinen.

„Bürokratiemonster” oder notwendiger Schutz?

Die Befürworter der Abschwächung argumentieren mit Wettbewerbsfähigkeit: Die Regelungen seien ein „Bürokratiemonster”, das europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb behindere. Manche befürchten sogar, Firmen könnten sich aus Entwicklungsländern zurückziehen, weil die dortigen Zulieferer die Standards nicht erfüllen.

Doch ist das die ganze Wahrheit? Kritiker warnen vor einem gefährlichen Signal: Die EU verliere ihre Glaubwürdigkeit und schaffe ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Ausgerechnet jene Großkonzerne, die bereits in Compliance-Systeme investiert haben, hätten von einem einheitlichen europäischen Standard profitiert. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem “Verrat an Millionen Menschen”, die von Zwangsarbeit und Ausbeutung betroffen sind.

Was kommt jetzt?

Die Abstimmung ist erst der Anfang. Nun folgen die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, EU-Rat und Kommission. Angesichts der knappen Mehrheit und der heftigen Kontroversen dürften die Gespräche zäh werden.

Für Unternehmen bedeutet das: weitermachen in der Schwebe. Die Umsetzungsfrist wurde bereits um ein Jahr auf Juli 2027 verschoben. Ob die finalen Regeln tatsächlich deutlich schwächer ausfallen, ist noch offen. Sicher ist nur: Der Trend zu mehr Nachhaltigkeits-Verantwortung lässt sich nicht völlig aufhalten – auch wenn er gerade einen empfindlichen Dämpfer erhalten hat.

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