EU-Entwaldungsverordnung, Politisches

EU-Entwaldungsverordnung: Politisches Tauziehen bedroht Aufschub

25.11.2025 - 03:30:12

Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) steckt in einer legislativen Sackgasse. Während Rat und Parlament sich über einen einjährigen Aufschub einig sind, droht der Streit über eine umstrittene “Null-Risiko”-Kategorie den gesamten Kompromiss zu kippen. Die Zeit drängt: Bis zum 30. Dezember muss eine Lösung stehen – sonst tritt die Verordnung ohne Übergangszeit in Kraft.

Der Countdown läuft. Europäische Unternehmen, die mit Rindern, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja oder Holz handeln, blicken nervös nach Brüssel. Was dort in den nächsten Wochen entschieden wird, bestimmt über die Zukunft globaler Lieferketten.

Am 20. November stellte der Ausschuss der Ständigen Vertreter (Coreper) seine Position klar: Ja zum Aufschub, nein zu inhaltlichen Änderungen. Die Mitgliedstaaten stützen den Vorschlag der Kommission, die Frist für große Unternehmen auf den 30. Dezember 2025 zu verschieben. Kleinst- und Kleinunternehmen erhielten bis zum 30. Juni 2026 Zeit.

Doch genau hier prallen die Welten aufeinander. Der Rat lehnt die Änderungsanträge des Parlaments kategorisch ab. Diplomatische Quellen sprechen von einer “Alles-oder-Nichts”-Haltung. Die Begründung: Wer jetzt noch am Text herumschraube, riskiere rechtliche Unsicherheit und verstoße möglicherweise gegen WTO-Diskriminierungsregeln.

Anzeige

Achtung für Händler und Importeure – die EU-Entwaldungsverordnung bringt neue Prüf- und Sorgfaltspflichten, die bei Verstößen hohe Sanktionen nach sich ziehen können. Unser kostenloses E‑Book erklärt verständlich, welche Rohstoffe betroffen sind, wie Sie Ihre Lieferketten prüfen und enthält eine praktische Checkliste zur schnellen Selbstprüfung. So erkennen Sie jetzt, ob Ihr Unternehmen Gefahr läuft, Bußgelder zu riskieren. Jetzt kostenloses E‑Book zur EU-Entwaldungsverordnung herunterladen

Kann diese Blockade aufgebrochen werden? Die “Trilog”-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission sollen es richten. Doch die Zeit wird knapp.

Die “Null-Risiko”-Falle: Schlupfloch oder sinnvolle Differenzierung?

Im Zentrum des Streits steht eine Idee der Europäischen Volkspartei (EVP): Eine neue Kategorie für Länder, in denen seit 1990 keine Entwaldung stattgefunden hat. Deutschland, Österreich und die USA könnten davon profitieren. Unternehmen, die aus diesen Staaten importieren, müssten weniger Sorgfaltspflichten erfüllen.

Die Befürworter argumentieren pragmatisch: Warum sollen deutsche Forstwirte mit nachhaltig bewirtschafteten Wäldern denselben bürokratischen Aufwand betreiben wie Palmölhändler aus Entwaldungsgebieten?

Die Gegenseite sieht rot. Umweltverbände warnen vor einem gigantischen Schlupfloch. Ihre These: Nicht-konforme Produkte könnten über “Null-Risiko”-Länder in die EU geschleust werden. Die globale Glaubwürdigkeit der Verordnung stehe auf dem Spiel.

Entwicklungsländer mit verbesserter Waldbilanz blieben außen vor – ein potenzieller WTO-Verstoß durch Diskriminierung. Das könnte die EU teuer zu stehen kommen.

Trilog-Marathon: Drei Szenarien für Dezember

Die Verhandlungsführer treffen sich voraussichtlich am 3. Dezember zur entscheidenden Runde. Bis zur Plenarsitzung des Parlaments vom 16. bis 19. Dezember muss ein finalisierter Text vorliegen – sonst greift die ursprüngliche Frist Ende Dezember.

Szenario 1: “Sauberer” Aufschub
Das Parlament gibt nach und akzeptiert den reinen Aufschub. Unternehmen gewinnen zwölf Monate, die technischen Anforderungen bleiben unverändert. Analysten halten dies für das wahrscheinlichste Ergebnis – der Zeitdruck ist einfach zu groß.

Szenario 2: Verwässerter Kompromiss
Die “Null-Risiko”-Kategorie kommt in abgeschwächter Form. Die Compliance-Landschaft ändert sich fundamental. Die Kommission müsste ihr Benchmark-System eilig anpassen – weitere technische Verzögerungen wären programmiert.

Szenario 3: Das Worst-Case-Katastrophen-Szenario
Die Verhandlungen scheitern. Die EUDR tritt am 30. Dezember 2024 in Kraft. Tausende Unternehmen wären nicht vorbereitet, das IT-System für Sorgfaltserklärungen nicht betriebsbereit. Supply-Chain-Chaos wäre die Folge.

Industrie zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Die Reaktionen fallen gespalten aus. Deutsche und österreichische Verbände aus Forst- und Agrarwirtschaft unterstützen die Vereinfachungsvorschläge des Parlaments. Lokale Forstwirte sehen sich von unverhältnismäßiger Bürokratie bedroht.

Globale Logistikexperten schlagen Alarm. Rechtsanwälte großer Kanzleien warnen in Mandanten-Briefings vor WTO-Klagen. Ein Vertreter eines europäischen Logistikverbands brachte es Anfang der Woche auf den Punkt: “Die Industrie braucht vor allem Planungssicherheit. Das politische Ping-Pong verschlingt die gewonnene Zeit.”

Compliance-Verantwortliche stecken in der Zwickmühle. Bereiten sie sich auf den vollen Umfang der EUDR vor – oder setzen sie auf verwässerte Anforderungen? Die Ratschläge der Experten sind eindeutig: Mit dem Schlimmsten rechnen, auf das Beste hoffen.

Vergleich mit deutschen Großunternehmen

Für DAX-Konzerne wie BASF oder die Deutsche Telekom, deren Lieferketten globale Rohstoffe einschließen, bedeutet die Unsicherheit konkrete Investitionsrisiken. Während SAP als Softwareunternehmen weniger direkt betroffen ist, arbeiten Automobilhersteller wie Volkswagen bereits an Tracking-Systemen für Kautschuk und andere kritische Rohstoffe.

Die Frage lautet: Lohnt sich der Aufbau teurer Compliance-Infrastruktur, wenn die Regeln sich noch ändern könnten?

Die nächsten 35 Tage entscheiden alles

3. Dezember: Entscheidender Trilog-Termin
16. Dezember: Start der Plenarsitzung in Straßburg – letzte Chance für eine Abstimmung
30. Dezember: Stichtag für die Veröffentlichung im Amtsblatt

Die Kommission agiert als Vermittler und drängt das Parlament offenbar zum Verzicht auf die Änderungsanträge. Das Zeitfenster schließt sich – und mit ihm die Möglichkeit für einen geordneten Übergang.

Was bedeutet das für die Praxis? Compliance-Teams sollten sich auf den 30. Dezember 2025 als Stichtag vorbereiten, aber flexibel bleiben. Die “Null-Risiko”-Kategorie ist möglich, aber unwahrscheinlich. Wer jetzt nicht handelt, riskiert im Ernstfall Lieferengpässe und Bußgelder.

Die EU-Entwaldungsverordnung war als Meilenstein im Kampf gegen Klimawandel gedacht. Ob sie zur Erfolgsgeschichte oder zum bürokratischen Albtraum wird, entscheidet sich in den Hinterzimmern Brüssels – in den nächsten 35 Tagen.

PS: Compliance-Teams aufgepasst – die Frist könnte sich ändern, aber die Pflicht zur Risikoprüfung bleibt. Laden Sie die kostenlose Checkliste und den Leitfaden zur EU-Entwaldungsverordnung herunter, um schnell zu prüfen, welche Lieferanten und Rohstoffe betroffen sind, und welche Sofortmaßnahmen Sie jetzt umsetzen sollten, um Lieferengpässe und Sanktionen zu vermeiden. Checkliste & E‑Book zur Entwaldungsverordnung kostenlos anfordern

@ boerse-global.de