EU-Entwaldungsverordnung: Durchbruch bringt neues Aufschub und klare Regeln
09.12.2025 - 21:40:12Lange Planung statt hektisches Handeln: Die Europäische Union gewährt Unternehmen ein weiteres Jahr für die Umsetzung der umstrittenen Entwaldungsverordnung. Was ursprünglich in drei Wochen in Kraft treten sollte, wird nun erst Ende 2026 Pflicht – verbunden mit einer deutlichen Entbürokratisierung der Regeln.
Das Europäische Parlament und der EU-Rat einigten sich vergangenen Donnerstag nach intensiven Verhandlungen auf eine Verschiebung um exakt zwölf Monate. Damit reagieren die Gesetzgeber auf anhaltenden Druck aus Wirtschaft und von Handelspartnern, die vor allem die technische Umsetzbarkeit der Vorschriften infrage stellten.
Die provisorische Einigung schafft klare zeitliche Verhältnisse: Große und mittlere Unternehmen müssen die Verordnung ab dem 30. Dezember 2026 einhalten. Kleinstbetriebe und kleine Unternehmen erhalten eine zusätzliche Schonfrist bis zum 30. Juni 2027.
Diese erneute Verzögerung kommt einer zweijährigen Verschiebung vom ursprünglichen Zeitplan gleich. Bereits Ende 2024 hatten die EU-Institutionen eine erste Verschiebung vom geplanten Start 2024 auf 2025 beschlossen. Der kumulierte Effekt lässt der Wirtschaft nun deutlich mehr Vorbereitungszeit.
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Die offizielle Begründung aus dem EU-Rat verweist auf die anhaltenden technischen Herausforderungen des geplanten IT-Portals für die Sorgfaltspflicht-Erklärungen sowie die Komplexität der globalen Lieferketten. Das Kernziel bleibt dabei unangetastet: Produkte wie Kaffee, Kakao, Soja, Palmöl, Holz, Kautschuk und Rindfleisch dürfen nur noch dann in der EU verkauft werden, wenn sie nachweislich nicht zur Entwaldung beigetragen haben.
Revolution im Berichtswesen: Die Erstplatzierungs-Regel
Die wohl bedeutendste Neuerung betrifft die Meldepflichten entlang der Wertschöpfungskette. Künftig muss nur noch derjenige Akteur eine vollständige Sorgfaltserklärung im EU-System einreichen, der das Produkt erstmalig auf den EU-Markt bringt.
Was heißt das konkret? Nachgelagerte Händler und Verarbeiter müssen keine doppelten Meldungen mehr für dieselben Waren abgeben. Stattdessen genügt es, die Referenznummer der ursprünglichen Erklärung des Erstimporteurs oder Herstellers zu speichern und vorzuhalten. Diese „Reference-Only”-Lösung entschärft ein massives Problem, das besonders Einzelhändler und Hersteller verarbeiteter Produkte umgetrieben hatte: den drohenden bürokratischen Kollaps durch Mehrfachmeldungen beim innereuropäischen Warenverkehr.
Kann sich die Branche damit zurücklehnen? Keineswegs. Die Dokumentationspflicht bleibt bestehen – nur die Meldelast wird neu verteilt.
Erleichterungen für Kleinbetriebe und Verlage
Mikro- und Kleinunternehmen im Primärsektor – also vor allem kleinere Land- und Forstwirte – dürfen künftig eine einmalige vereinfachte Erklärung abgeben, statt für jede Lieferung neue Unterlagen einzureichen. Diese Sonderregelung soll verhindern, dass Kleinbauern unter der administrativen Last zusammenbrechen, während gleichzeitig die Rückverfolgbarkeit gewährleistet bleibt.
Eine weitere Ausnahme betrifft die Verlagswelt: Gedruckte Bücher, Zeitungen und Manuskripte fallen komplett aus dem Anwendungsbereich heraus. Die Begründung der Verhandlungsführer: Das Entwaldungsrisiko bei fertigen Druckerzeugnissen sei im Vergleich zum Verwaltungsaufwand für die Herkunftsverfolgung jedes einzelnen Buchtitels vernachlässigbar. Ein Erfolg für die Buchbranche, die vehement gegen die Einbeziehung lobbyiert hatte.
Die April-2026-Klausel: Planbarkeit oder neue Unsicherheit?
Doch mitten in die Erleichterung mischt sich ein Element strategischer Ungewissheit. Die EU-Kommission erhielt den Auftrag, bis zum 30. April 2026 eine umfassende Überprüfung der Verordnung durchzuführen – mit explizitem Fokus auf weitere Vereinfachungsmöglichkeiten.
Was auf den ersten Blick wie ein Sicherheitsmechanismus aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Zweischneidiges Schwert. Rechtsexperten warnen: Unternehmen befinden sich jetzt in einem „Split-Timeline-Dilemma”. Sie müssen einerseits bis Dezember 2026 voll einsatzfähig sein und entsprechend in Rückverfolgbarkeitssysteme investieren. Andererseits könnten die Regeln aufgrund der Kommissions-Überprüfung nur acht Monate vor Inkrafttreten theoretisch noch einmal geändert werden.
Branchenanalysten befürchten, dass diese Review-Klausel den regulatorischen Rahmen faktisch im Schwebezustand hält und Investitionen in Technologie verzögern könnte, bis die endgültigen Regeln Mitte 2026 feststehen.
Geteiltes Echo: Erleichterung trifft auf Enttäuschung
Die Wirtschaftsverbände reagieren mehrheitlich mit spürbarer Erleichterung. Branchenorganisationen der Kaffee-, Kakao- und Holzindustrie wie COCERAL und FEFAC bezeichneten die Verschiebung in einer gemeinsamen Erklärung als „unvermeidlich” angesichts der technischen Hürden. Besonders der Wechsel zum „Erstplatzierungs-Modell” wird von Einzelhändlern und nachgelagerten Produzenten begrüßt, die einen Papier-Stau gefürchtet hatten.
Ganz anders klingt es aus dem Lager der Umweltverbände. NGOs wie der WWF reagieren mit scharfer Kritik und sprechen von einer Kapitulation vor der Wirtschaftslobby. Aus ihrer Sicht ermöglicht die zweite Verschiebung faktisch zwei weitere Jahre unkontrollierter Entwaldung im Zusammenhang mit EU-Konsum. Die Glaubwürdigkeit der EU als globaler Vorreiter in der Klimapolitik stehe auf dem Spiel, warnen die Aktivisten. Das von Politikern angeführte „Chaos” sei weniger ein technisches Problem als vielmehr das Ergebnis politischer Unentschlossenheit.
Wie geht es weiter? Der Weg zur finalen Verabschiedung
- Parlamentsabstimmung: Die Abstimmung im Plenum ist zwischen dem 15. und 18. Dezember 2025 angesetzt. Da die politische Einigung bereits steht, gilt dies als Formsache.
- Rats-Bestätigung: Nach dem Parlamentsvotum folgt die formelle Bestätigung durch den Rat.
- Veröffentlichung: Die geänderte Verordnung soll noch vor Jahresende im Amtsblatt der EU erscheinen – rechtzeitig genug, um die drohende Frist vom 30. Dezember 2025 juristisch außer Kraft zu setzen.
Für Unternehmen bedeutet das: Der unmittelbare Zeitdruck ist gewichen, aber der Handlungsbedarf bleibt. Rechtsberater empfehlen ausdrücklich, die Atempause nicht als Auszeit zu verstehen, sondern als Chance zur Optimierung der Datenerfassungssysteme und zum intensiven Lieferanten-Dialog. Mit der anstehenden Überprüfung im April 2026 bleibt die regulatorische Landschaft des EU-Handels dynamisch – Agilität und Wachsamkeit sind weiterhin gefragt.
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