EU-Entwaldungsverordnung, Brüssel

EU-Entwaldungsverordnung: Brüssel verschafft Unternehmen Aufschub bis 2026

05.12.2025 - 10:41:11

Die EU-Entwaldungsverordnung kommt später als geplant – und mit deutlich weniger Bürokratie. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich EU-Kommission, Rat und Parlament am späten Donnerstagabend auf eine einjährige Verschiebung der umstrittenen Regelung. Große Unternehmen müssen nun erst ab dem 30. Dezember 2026 compliant sein, Kleinstbetriebe und kleine Firmen erhalten sogar bis zum 30. Juni 2027 Zeit.

Die Entscheidung fiel während der sogenannten Trilog-Verhandlungen in Brüssel – nur wenige Wochen bevor die Verordnung eigentlich in Kraft treten sollte. Doch damit nicht genug: Neben dem neuen Zeitplan bringt der Kompromiss erhebliche Vereinfachungen für die Wirtschaft. Was steckt dahinter?

Es ist bereits die zweite Verzögerung für das ambitionierte Regelwerk. Ursprünglich für Dezember 2024 geplant, wurde der Start zunächst auf Dezember 2025 verschoben. Jetzt folgt ein weiterer Zwölf-Monats-Aufschub. Der Grund? IT-Systeme und Lieferketten waren schlicht nicht bereit.

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“Diese Verschiebung ist eine notwendige Notbremse”, erklärte der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband (DeSH) am Freitag. Eine geregelte Umsetzung zum Jahreswechsel wäre weder rechtlich noch organisatorisch möglich gewesen.

Das Kernziel der Verordnung bleibt bestehen: Produkte wie Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz dürfen nur dann auf den EU-Markt, wenn sie nicht mit Entwaldung nach Dezember 2020 in Verbindung stehen. Doch der Weg dorthin wurde entschärft.

Bürokratie-Abbau für Händler und Kleinbetriebe

Die wirkliche Sensation liegt in den administrativen Erleichterungen. Europäische Volkspartei (EVP) und mehrere Mitgliedstaaten – darunter Österreich und Deutschland – hatten massiv darauf gedrängt.

Das “First Placer”-Prinzip:
Die wichtigste Neuerung betrifft die Sorgfaltspflicht-Erklärungen. Künftig muss nur noch derjenige eine vollständige Dokumentation einreichen, der ein Produkt erstmals auf den EU-Markt bringt. Händler und Verarbeiter weiter hinten in der Lieferkette können sich auf diese Ursprungserklärung beziehen. Keine separate Dokumentation mehr nötig – das bedeutet dramatisch weniger Papierkram für Groß- und Einzelhändler.

Sonderregelung für Kleine:
Mikro- und Kleinunternehmen kommen mit einer vereinfachten Einmal-Erklärung davon. Für Familienbetriebe und kleine Verarbeiter sinkt die Compliance-Hürde damit erheblich.

Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, begrüßte den Deal als “wichtigen Schritt für Familienbetriebe und die gesamte Forst- und Holzwirtschaft”. Der Kompromiss verhindere ein “drohendes Bürokratie-Chaos” und sichere funktionierende Wertschöpfungsketten.

Technische Probleme und politischer Druck

Warum überhaupt die Verschiebung? Die Antwort liegt in einer Mischung aus politischem Kalkül und technischer Realität. Das zentrale IT-System der EU-Kommission drohte unter der Last von Millionen Sorgfaltserklärungen und Geodaten zusammenzubrechen.

“Die elektronischen Systeme der Kommission wären völlig überlastet gewesen, und die praktische Umsetzung war für viele Unternehmen schlicht unrealistisch”, so Waldenberger.

Ende 2025 intensivierten Branchenverbände ihre Lobby-Arbeit. Die Warnung: Ohne Aufschub drohen massive Unterbrechungen bei kritischen Lieferketten – von Kaffee bis Schokolade. Im Europaparlament verschob sich zudem die politische Tektonik: Die EVP schmiedete Allianzen, um die ursprünglichen Regeln zu entschärfen. Argument: Die europäische Wettbewerbsfähigkeit stehe auf dem Spiel.

Umweltschützer sehen Aufweichung

Nicht alle jubeln. Umwelt-NGOs und progressive Abgeordnete kritisieren die zweite Verschiebung scharf. Sie sehen darin eine Verwässerung der Green-Deal-Ambitionen.

Die “Vereinfachungen” könnten Schlupflöcher schaffen und die Durchsetzung erschweren, warnen Kritiker. Die sozialdemokratische S&D-Fraktion im EU-Parlament hatte bereits gewarnt: Ständige Revisionen untergraben die Rechtssicherheit und die Glaubwürdigkeit der EU.

“EU-Gesetzgeber fügen der EUDR den Tod durch tausend Schnitte zu”, erklärte Nicole Polsterer von der NGO Fern diese Woche. Umweltverbände befürchten, die neue “First Placer”-Regel könnte die Rückverfolgbarkeit verschleiern – wenn nicht streng kontrolliert wird.

Ausblick: Überprüfungsklausel bis April 2026

Der Kompromiss enthält eine wichtige Klausel: Die EU-Kommission muss bis zum 30. April 2026 eine umfassende Überprüfung der Verordnung vorlegen. Diese soll Verwaltungsaufwand und technische Machbarkeit bewerten – und könnte die Tür für weitere Änderungen öffnen, bevor die neuen Fristen greifen.

Für Unternehmen heißt es jetzt: Das Extrajahr nutzen, um Rückverfolgbarkeitssysteme aufzurüsten. Der Druck einer 2025-Frist ist weg, doch die Anforderungen an Geolokalisierung und entwaldungsfreie Nachweise bleiben komplex.

Der Kompromisstext muss noch formell von Parlament und Rat abgesegnet werden – voraussichtlich zwischen dem 15. und 18. Dezember. Nach der politischen Einigung vom Donnerstag gilt dies aber als Formsache.

Die neuen Fristen im Überblick

  • Große und mittlere Unternehmen: Compliance-Pflicht ab 30. Dezember 2026
  • Mikro- und Kleinunternehmen: Compliance-Pflicht ab 30. Juni 2027
  • Nächster Meilenstein: Kommissions-Review bis 30. April 2026
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