Terminbuchung, Praxen

ePA soll Terminbuchung ermöglichen – doch Praxen droht Abschaltung

21.11.2025 - 17:59:11

Deutschland steht vor einem digitalen Spagat im Gesundheitswesen: Während Gematik Terminvereinbarungen in der elektronischen Patientenakte ankündigt, tickt für Arztpraxen die Uhr. Bis Jahresende müssen veraltete Konnektoren ersetzt werden – sonst droht die Zwangsabschaltung.

Zukunftsmusik trifft auf Technikrealität: Am Mittwoch bekräftigte die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) den harten Stichtag für den Austausch der Telematik-Konnektoren. Nur einen Tag später überraschte Gematik mit einer völlig anderen Nachricht. Die nationale Agentur für digitale Medizin signalisierte Bereitschaft, die elektronische Patientenakte (ePA) zur umfassenden Service-Plattform auszubauen.

Was kommt da auf Patienten und Ärzte zu? Und wie passt die Vision zu den drängenden Problemen der Gegenwart?

Die ePA könnte schon bald mehr sein als eine digitale Ablage für Befunde und Medikationspläne. Gematik prüft derzeit die Integration einer Terminvereinbarungsfunktion direkt in die App. Wie das Deutsche Ärzteblatt am 20. November berichtete, wäre dies ein fundamentaler Kurswechsel.

Seit dem bundesweiten Start im April 2025 dient die „ePA für alle” hauptsächlich als Dokumenten-Archiv. Patienten können Laborwerte einsehen, Ärzte Arztbriefe hochladen – mehr nicht. Eine Terminbuchungsfunktion würde die Anwendung erstmals zu einem aktiven Werkzeug für die Versorgungssteuerung machen.

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Der potenzielle Nutzen liegt auf der Hand: Wer nach dem Blick auf seine Blutwerte direkt einen Folgetermin beim Facharzt bucht, spart sich Anrufe und Wartezeiten. Andere europäische Länder setzen bereits auf solche integrierten Gesundheitsportale. Deutschland könnte nachziehen – allerdings nannte Gematik noch keinen konkreten Zeitplan. Realistisch erscheint eine Umsetzung frühestens 2026.

Konnektoren-Austausch: Keine Gnade für Nachzügler

Während über Zukunftsfunktionen diskutiert wird, läuft für Tausende Praxen die Zeit ab. Die KV RLP stellte am 19. November unmissverständlich klar: Der Austausch veralteter Telematik-Konnektoren bleibt Pflicht bis zum 31. Dezember 2025.

Die harten Fakten:
* Stichtag: 31. Dezember 2025, keine Verlängerung
* Betroffen: Alle Konnektoren mit RSA-Verschlüsselung
* Erforderlich: Geräte mit ECC-Kryptografie (Elliptic Curve Cryptography)
* Konsequenz bei Versäumnis: Komplettausfall der Telematikinfrastruktur ab 1. Januar 2026

Was bedeutet das konkret? Praxen ohne aktualisierte Hardware können ab Neujahr weder E-Rezepte ausstellen noch auf die ePA zugreifen. Der Praxisbetrieb wäre faktisch lahmgelegt. Die Begründung: Die Sicherheit des gesamten TI-Netzes hängt vom Umstieg auf die modernere Verschlüsselung ab.

Irritierend für viele Ärzte: Während Gematik kürzlich die Austauschfrist für elektronische Heilberufsausweise (eHBA) bis Juni 2026 verlängerte, gilt diese Kulanz ausdrücklich nicht für die Hardware-Konnektoren.

Ein Jahr ePA: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die aktuellen Entwicklungen markieren den Abschluss eines turbulenten Jahres für die deutsche Gesundheitsdigitalisierung. Nach mehrfachen Verzögerungen startete die „ePA für alle” im April 2025 bundesweit nach dem Opt-out-Prinzip. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach von einer „neuen Ära”. Das Ziel: 80 Prozent der gesetzlich Versicherten automatisch einschreiben, sofern sie nicht widersprechen.

Die Realität fiel komplexer aus als erhofft. Testregionen wie Hamburg und Franken meldeten Integrationsprobleme mit Praxisverwaltungssystemen, die zum Teil bis heute nachwirken. Auch das seit Anfang 2024 verpflichtende E-Rezept kämpfte mit Stabilitätsproblemen – im August führten Serverausfälle zu erheblichen Störungen.

Die Nutzerzahlen wachsen stetig, doch die Akzeptanz bleibt verhalten. Viele Patienten empfinden die ePA als „Archiv ohne Mehrwert”. Genau hier setzt Gematiks Vorstoß zur Terminbuchung an: Ohne transaktionale Funktionen bleibt die App eine Karteikarte in digitaler Form.

Zwei Geschwindigkeiten der Digitalisierung

Die Ereignisse dieser Woche offenbaren ein grundsätzliches Spannungsfeld. Auf der einen Seite arbeiten Produktentwickler an der Vision eines nahtlosen digitalen Patientenpfads. Auf der anderen Seite scheitert die Realität oft an Hardwaretausch und Schnittstellenproblemen in Zehntausenden dezentral organisierter Praxen.

„Damit die ePA zum täglichen Werkzeug wird statt zur verstaubten Ablage, braucht sie echten Nutzen”, kommentiert ein Branchenkenner. „Terminbuchung ist der logische nächste Schritt.” Gleichzeitig wächst in der Ärzteschaft der Unmut über die Zusatzbelastung durch TI-Wartung – ausgerechnet in der stressigen Vorweihnachtszeit.

Ausblick: Update im März, Umbruch im Januar

Für das erste Quartal 2026 plant Gematik ein „Major Release” der ePA-Software. Voraussichtlich im März sollen der digitale Medikationsprozess (dgMP) und verbesserte Suchfunktionen eingeführt werden – Features, die bereits Mitte 2025 geplant waren, aber der Systemstabilität geopfert wurden.

Zunächst aber müssen die Praxen ihre Hausaufgaben erledigen. Wer den Konnektoren-Austausch versäumt, riskiert einen chaotischen Jahresstart 2026 – abgeschnitten von genau jener Infrastruktur, die Gematik gerade zur Universalplattform ausbauen will.

Für Patienten bleibt die Terminbuchungs-Funktion vorerst Zukunftsmusik. Realistisch betrachtet dürfte deren Umsetzung noch Monate dauern. Doch die Richtung ist klar: Die ePA soll vom passiven Speicher zum aktiven Gesundheitsportal werden. Ob die Praxen bei diesem Tempo mithalten können, bleibt die offene Frage.

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