E-Rezept, Versagen

E-Rezept: Zwischen technischem Versagen und neuen Möglichkeiten

06.12.2025 - 15:50:12

Die Gematik räumt erstmals offen ein: Die digitale Infrastruktur ist instabil. Während Patienten zwischen vier Einlösewegen wählen können, bricht die Technik regelmäßig zusammen – und das mitten in der Grippesaison.

Fast zwei Jahre nach der Pflichteinführung des elektronischen Rezepts zeigt sich ein bemerkenswerter Widerspruch: Noch nie gab es so viele Wege, ein E-Rezept in der Apotheke einzulösen. Doch noch nie war die technische Basis derart wackelig. Diese Woche bestätigte die Gematik, was Ärzte und Apotheker längst wissen: Die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI) ist alles andere als zuverlässig.

Am Mittwoch sprach Florian Hartge, Geschäftsführer für Produktion und Betrieb bei der Gematik, auf dem Nationalen Symposium für Digitale Gesundheit in Berlin Klartext. „Wir sind ehrlich gesagt extrem unzufrieden mit dem Zustand”, sagte er über die Infrastruktur. Ein bemerkenswertes Eingeständnis – bisher wurden Ausfälle meist als Einzelfälle abgetan.

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Hartge betonte zugleich, dass die Gematik lediglich eine Aufsichtsrolle innehabe. Den eigentlichen Betrieb der TI übernähmen verschiedene Industriepartner. „Wir überwachen das und machen es transparent – die TI selbst betreiben wir nicht”, erklärte er. Eine Klarstellung, die bei vielen wie eine Schuldzuweisung wirkte.

Für Patienten und Apotheken spielt diese Unterscheidung keine Rolle. Wenn die Verbindung abbricht, können Rezepte nicht eingelöst werden. Punkt. Der Allgemeinmediziner Moritz Eckert, bekannt als Verfechter digitaler Lösungen, verglich die Situation mit einem Auto, das mehrmals täglich liegen bleibt. „Frustrierend” sei noch untertrieben, sagte er auf dem Symposium.

Besonders bitter: Diese Instabilität trifft Apotheken gerade im Winter, wenn Erkältungswellen für Hochbetrieb sorgen. Manuelle Workarounds kosten Zeit, die niemand hat.

Vier Wege zum Medikament – wenn die Technik mitspielt

Paradoxerweise hat sich die Auswahl für Patienten deutlich verbessert. Ende 2025 stehen vier Methoden zur Verfügung:

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) bleibt der Klassiker. Karte ins Terminal stecken, fertig – keine PIN nötig. Allerdings: Fällt die TI-Verbindung in der Apotheke aus, funktioniert nichts mehr.

Die offizielle E-Rezept-App der Gematik erfordert ein NFC-fähiges Smartphone und eine PIN der Krankenkasse. Robust, aber wegen der PIN-Hürde nur mäßig verbreitet.

CardLink gilt als Shooting Star des Jahres 2025. Diese Methode verbindet Karte und App: Patienten halten ihre Gesundheitskarte ans Smartphone und können über Apotheken-Apps bestellen – ohne PIN. Besonders bei Online-Apotheken beliebt, da es die umständliche Registrierung umgeht.

Der Papierausdruck bleibt die Notlösung. Ärzte drucken einen QR-Code aus, den Apotheken auch bei schwacher Serververbindung scannen können – sofern die Daten vorher erfolgreich hochgeladen wurden.

Forderung nach einem „Ausfall-Radar”

Diese Vielfalt nützt wenig, wenn niemand weiß, ob das System gerade funktioniert. Die Patientenschutzstiftung fordert deshalb einen Echtzeit-„E-Rezept-Radar”.

Eugen Brysch, Vorstandsmitglied der Stiftung, formulierte es drastisch: „Die Ära der E-Rezept-Blackbox muss enden.” Ein solcher Radar würde Ärzte und Patienten warnen, bevor diese die Praxis verlassen. So könnten Ärzte sofort einen Papierausdruck mitgeben und das berüchtigte „Apotheken-Ping-Pong” verhindern – wenn Patienten von Filiale zu Filiale ziehen, weil überall das System streikt.

Dauerbeta frustriert alle Beteiligten

Deutschland befindet sich mitten in einer digitalen Transformation, die schmerzhaft deutlich macht: Funktionalität allein reicht nicht. Das E-Rezept kann technisch Millionen Transaktionen abwickeln. Es tut das nur nicht zuverlässig.

Die öffentliche Entschuldigung der Gematik markiert einen Tonwechsel. Erstmals gibt die Behörde systemische Instabilität zu, statt von Einzelfällen zu sprechen. Das könnte strengere Vereinbarungen mit den Industriepartnern nach sich ziehen, die Konnektoren und VPN-Dienste bereitstellen.

Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland hinterher. Estland und Dänemark hatten ähnliche Anlaufschwierigkeiten, stabilisierten ihre Systeme aber binnen zwei Jahren. Deutschlands föderale Struktur mit zahllosen Herstellern und Softwareanbietern macht Fehlersuche deutlich komplizierter.

Was kommt 2026?

Die Gematik kündigte an, 2026 die Infrastruktur zu härten statt neue Features zu entwickeln. Ein überfälliger Schwerpunkt, meinen Beobachter.

Für Dezember 2025 bleibt der Rat: Gesundheitskarte mitnehmen und sicherheitshalber einen Papierausdruck verlangen, besonders bei dringenden Medikamenten. CardLink dürfte weiter zulegen – als bevorzugter Backup für technikaffine Patienten, die Warteschlangen während Ausfällen vermeiden wollen.

Während draußen die Grippewelle rollt, steht die Gematik unter Druck. Die angekündigten „Bemühungen zur Stabilitätsverbesserung” müssen sich jetzt beweisen – für Millionen Versicherte, die einfach nur ihre Medikamente abholen wollen.

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