E-Rezept knackt Meilenstein – doch Stillstand droht
15.11.2025 - 13:00:11Deutschland hat eine Milliarde elektronische Rezepte verarbeitet. Ein beeindruckender Erfolg – wäre da nicht die technische Zeitbombe, die zum Jahreswechsel tickt. Zehntausende Arztpraxen könnten im Januar 2026 plötzlich wieder auf Papier umsteigen müssen. Wie konnte es so weit kommen?
Seit das E-Rezept im Januar 2024 zur Pflicht wurde, hat sich der Alltag in Arztpraxen und Apotheken grundlegend verändert. Statt des rosa Papierscheins werden Verschreibungen für gesetzlich Versicherte digital gespeichert – abrufbar über die Gesundheitskarte, eine App oder notfalls als Ausdruck. Ende Oktober 2025 bestätigte die gematik, die nationale Agentur für Digitale Medizin, das Erreichen der Milliardengrenze. Ein Zeichen dafür, dass die digitale Wende im Gesundheitswesen angekommen ist.
Die Nutzung läuft überwiegend reibungslos: Patienten legen ihre elektronische Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke vor, und das System funktioniert. Doch hinter den Kulissen häufen sich die Probleme.
Apotheker- und Ärzteverbände kritisieren seit Monaten die mangelnde Stabilität der Plattform. Thomas Preis, Chef der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), zog Anfang des Jahres einen pikanten Vergleich: Die Unzuverlässigkeit des E-Rezepts erreiche mittlerweile das Niveau der Deutschen Bahn. Nur dass Systemausfälle hier direkte Folgen für die Gesundheit von Patienten haben können.
Passend zum Thema E‑Rezept und ECC‑Umstellung: Viele Praxen verarbeiten hochsensible Gesundheitsdaten – und die anstehende Verschlüsselungsfrist erhöht das Risiko für Datenpannen und Betriebsstörungen. Eine Datenschutz‑Folgenabschätzung (DSFA) zeigt, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen jetzt notwendig sind, um Patientendaten zu schützen und Haftungsrisiken zu vermeiden. Das kostenlose E‑Book enthält praxisnahe Vorlagen, Checklisten und Schritt‑für‑Schritt‑Anleitungen speziell für Arztpraxen und IT‑Dienstleister. Kostenlose DSFA‑Vorlage & Anleitung herunterladen
Noch diese Woche räumte ABDA‑Vizepräsidentin Dr. Ina Lucas in einer Kolumne am 11. November ein, dass sporadische Ausfälle der nationalen Infrastruktur weiterhin Probleme bereiten – auch wenn das E‑Rezept grundsätzlich gut funktioniere. Eine merkwürdige Formulierung für ein System, das eigentlich als Paradebeispiel digitaler Modernisierung gelten sollte.
Verschlüsselungs-Deadline bedroht das gesamte System
Doch die wirkliche Krise bahnt sich gerade erst an. Bis Ende 2025 muss die gesamte Telematik-Infrastruktur im deutschen Gesundheitswesen von der bisherigen RSA-2048-Verschlüsselung auf die modernere Elliptic-Curve-Kryptographie (ECC) umgestellt werden. Ein technisches Detail mit dramatischen Folgen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schlug kürzlich Alarm: Über 50.000 Heilberufsausweise sowie zahlreiche Praxis-Konnektoren und Kartenterminals sind noch nicht ECC-kompatibel. Sollte die Umstellung nicht rechtzeitig gelingen, droht ab Januar 2026 ein Chaos. Zehntausende Arztpraxen könnten dann weder E-Rezepte noch elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder andere digitale Dokumente ausstellen.
Was bedeutet das konkret? Ein Rückfall in die analoge Steinzeit – zumindest für einen Teil der Versorgung. Patienten müssten wieder mit Papierrezepten hantieren, Apotheken doppelte Systeme vorhalten. Der immense Druck lastet nun auf Praxen und IT-Dienstleistern, die Umrüstung in wenigen Wochen abzuschließen.
Elektronische Patientenakte: Segen oder Bürde?
Parallel zum E-Rezept treibt Deutschland ein weiteres digitales Großprojekt voran. Seit Januar 2025 erhalten alle gesetzlich Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) – es sei denn, sie widersprechen aktiv. Die Akte soll Befunde, Arztbriefe und Medikationspläne zentral verfügbar machen.
Dr. Lucas lobte in ihrer Kolumne den Nutzen der elektronischen Medikationsliste für Apothekenteams. Diese verschaffe einen hilfreichen Überblick über die Verschreibungshistorie. Doch der wahre Sicherheitsgewinn komme erst in einer künftigen Version, die es Apothekern ermögliche, auch rezeptfreie Medikamente zu erfassen und umfassende Wechselwirkungsprüfungen zu dokumentieren.
Auch hier zeigt sich das Muster: Die Grundidee ist solide, die Umsetzung noch lückenhaft.
Vertrauen auf dem Prüfstand
Der Meilenstein von einer Milliarde E-Rezepten beweist, dass Deutschland großangelegte digitale Transformationen im komplexen Gesundheitssektor bewältigen kann. Die verpflichtende Einführung hat nach anfänglichen Verzögerungen eine rasche Modernisierung festgefahrener Strukturen erzwungen.
Doch die anhaltenden technischen Pannen und die kritische Verschlüsselungs-Deadline offenbaren die Fragilität dieser neuen digitale Infrastruktur. Es ist ein klassisches Dilemma: Schnelle Einführung bringt hohe Nutzerzahlen, geht aber oft zulasten von Systemstabilität und Zukunftssicherheit.
Die ECC-Umstellung ist jetzt der entscheidende Lackmustest für Deutschlands digitale Gesundheitsambitionen. Misslingt dieser Übergang, könnte das Vertrauen schwinden, das mühsam über zwei Jahre aufgebaut wurde.
Die nächsten zwölf Monate entscheiden alles
Die Bundesregierung plant bereits die nächsten Ausbaustufen: Pilotprojekte für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) laufen, 2026 sollen Betäubungsmittel- und T-Rezepte folgen, 2027 dann Hilfsmittel wie Verbände und Blutzuckermessgeräte. Doch all diese Pläne hängen an einem seidenen Faden.
Die oberste Priorität muss jetzt die Aufrüstung aller Systeme auf ECC-Standard sein. Nur wenn diese technische Hürde gemeistert wird, kann die geplante Erweiterung digitaler Services überhaupt stattfinden – ohne das Fundament zu gefährden, das mittlerweile für Millionen Menschen zum Alltag gehört.
Kein Wunder also, dass in den kommenden Wochen alle Augen auf die Praxen und IT-Dienstleister gerichtet sind. Die Frage ist nicht mehr, ob das E-Rezept funktioniert – sondern ob es auch 2026 noch funktionieren wird.
PS: Wer jetzt handelt, sichert Patientenvertrauen und Betriebskontinuität. Unsere Schritt‑für‑Schritt‑Checkliste zur Datenschutz‑Folgenabschätzung erklärt konkret, wie Sie ECC‑Umstellungen, Konnektoren und Heilberufsausweise rechtssicher bewerten und dokumentieren. Ideal für Praxisinhaber und IT‑Dienstleister, die Fristen einhalten und teure Ausfälle vermeiden wollen. Mit Praxisbeispielen und rechtssicheren Vorlagen, die Sie sofort einsetzen können. Jetzt DSFA‑Checkliste gratis herunterladen


