Digitale, Signaturen

Digitale Signaturen: Europa macht ernst

28.10.2025 - 06:27:02

Die EU, Großbritannien und Indien treiben digitale Identitäten und elektronische Signaturen massiv voran. Bis Ende 2026 müssen alle EU-Staaten digitale Geldbörsen einführen, während gleichzeitig quantensichere Verschlüsselung entwickelt wird.

Neue Gesetze und strategische Weichenstellungen beschleunigen die Einführung digitaler Signaturen drastisch. Was in der EU, Großbritannien und Indien gerade entschieden wird, verändert die Art, wie wir uns künftig ausweisen und Geschäfte abwickeln.

Die Europäische Union treibt ihre digitale Geldbörse mit frischem Geld voran – 204 Millionen Euro stellte die Kommission am 9. Oktober bereit. Davon fließen 15 Millionen direkt in die Beschleunigung des EUDI-Wallet-Projekts. Bis Dezember 2026 müssen alle 27 Mitgliedsstaaten ihren Bürgern mindestens eine solche digitale Geldbörse anbieten. Die eIDAS 2.0-Verordnung, die seit Mai 2024 gilt, macht dabei keine halben Sachen: Behörden und regulierte Unternehmen müssen die Geldbörse für Identifikation und qualifizierte elektronische Signaturen akzeptieren.

Für deutsche Unternehmen bedeutet das einen fundamentalen Wandel. Statt Papierformularen und persönlichen Terminen werden digitale Nachweise zum Standard. Die EU-Cybersicherheitsagentur ENISA arbeitet unter Hochdruck an den technischen Protokollen – die Zeit bis 2026 wird knapp.

Großbritannien und Indien ziehen nach

Die Briten machen die digitale Identität zur Chefsache. Wissenschaftsministerin Liz Kendall verlegte die Zuständigkeit für das digitale Ausweissystem ins Kabinettsbüro – ein Signal, dass Premierminister Starmer das Thema höchste Priorität einräumt. Der Data Act vom Juni 2025 schafft die rechtliche Grundlage für digitale Verifikationsdienste und ein offizielles Gütesiegel.

Noch radikaler geht Indien vor. Der Entwurf des Registration Bill 2025 will Immobiliengeschäfte komplett digitalisieren. Das kolonialzeitliche Registergesetz von 1908 soll durch ein papierloses Online-System ersetzt werden. Aadhaar-Verifizierung und digitale Signaturen werden zur Pflicht bei Immobilientransaktionen.

Was bedeutet das? In der größten Demokratie der Welt werden Hausverkäufe künftig per Smartphone abgewickelt.
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Die Quantenbedrohung: Countdown läuft

Doch während Regierungen digitale Signaturen vorschreiben, droht bereits das nächste Problem. Quantencomputer könnten die heutigen Verschlüsselungsverfahren knacken. RSA- und ECC-Algorithmen, auf denen digitale Signaturen basieren, wären dann nutzlos.

Die USA reagieren bereits: Ein Präsidialerlass vom Juni 2025 verpflichtet Bundesbehörden zur Vorbereitung auf Post-Quantum-Kryptografie. Das Nationale Institut für Standards und Technologie (NIST) arbeitet an neuen Verschlüsselungsstandards. Auch FIDO2-Passkeys und die EU-Geldbörsen müssen auf Algorithmen wie ML-DSA (Dilithium) umgestellt werden.

Die Herausforderung: Millionen von Geräten und Systemen müssen gleichzeitig aktualisiert werden. Ein digitaler Kraftakt, der Milliarden kosten wird.

Kontrolle und Effizienz als Treiber

Warum dieser globale Digitalisierungsdruck? Regierungen verfolgen zwei Ziele: wirtschaftliche Effizienz steigern und Übersicht gewinnen. Die EU will elektronische Rechnungsstellung bis 2030 zum Standard für grenzüberschreitende Geschäfte machen. Länder im Nahen Osten und Asien-Pazifik ziehen nach.

Für Unternehmen entstehen neue Compliance-Anforderungen, aber auch Chancen zur Automatisierung. SAP und andere deutsche Softwarekonzerne rüsten ihre Systeme bereits für die neuen Standards um.

Doch die Umsetzung stockt. In der EU bleiben Standardisierung und Geschäftsmodelle für die digitale Geldbörse umstritten. Großbritannien zentralisiert die Entscheidungsfindung, um den Bürgerwiderstand zu überwinden.

Wettlauf gegen die Zeit

Die nächsten 24 Monate entscheiden über Erfolg oder Scheitern. Ende 2026 sollen EU-Bürger ihre digitalen Geldbörsen nutzen können. Indien wird vermutlich sein Immobiliengesetz verabschieden. Parallel intensiviert sich die Entwicklung quantensicherer Verschlüsselung.

Unternehmen stehen vor einem Dilemma: Sie müssen heute in digitale Signaturen investieren, um compliant zu bleiben – wissend, dass diese Systeme bald wieder ersetzt werden müssen. Die Politik baut die Gleise für eine digitale Zukunft, aber die Sicherheitstechnik muss während der Fahrt komplett erneuert werden.

Am 25. Oktober unterzeichneten die Vereinten Nationen den ersten Cybercrime-Vertrag – ein Zeichen, dass die Bedrohungslage ernst genommen wird. Ob die ambitionierten Digitalpläne aufgehen, hängt davon ab, wie schnell sich Technologie, Recht und Bürgerakzeptanz synchronisieren lassen.

@ boerse-global.de