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Digital Omnibus: EU verschiebt KI-Vorschriften bis 2027

21.11.2025 - 15:49:12

Die Europäische Kommission dreht am großen Rad: Brüssel will Unternehmen von Bürokratie befreien und gleichzeitig die eigenen Gerichte digitalisieren. Das Ergebnis? Eine 16-monatige Gnadenfrist für KI-Systeme – und ein ambitionierter Plan, künstliche Intelligenz in Europas Gerichtssäle zu bringen.

Zwei Gesetzespakete innerhalb von 48 Stunden zeigen, wohin die Reise geht. Während der “Digital Omnibus” die Wirtschaft entlasten soll, zielt das “Digital Justice Package 2030” auf die Modernisierung der Justiz ab. Die zentrale Botschaft: weniger Paragrafen-Dschungel, mehr Pragmatismus.

Am Mittwoch legte die Kommission den Digital Omnibus vor – ein Regelwerk, das Ordnung in Europas digitale Gesetzesflut bringen soll. Kernstück: Die Compliance-Frist für Hochrisiko-KI-Systeme nach dem AI Act verschiebt sich um 16 Monate nach hinten.

Ursprünglich hätten Unternehmen ihre KI-Anwendungen ab August 2026 an strenge Auflagen anpassen müssen. Doch die nötigen technischen Standards existieren schlicht noch nicht. Die neue Deadline: Dezember 2027, gekoppelt an die Verfügbarkeit harmonisierter Normen.

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“Unsere Unternehmen, besonders Start-ups und Mittelständler, werden oft von starren Regeln ausgebremst”, erklärte Henna Virkkunen, Vizepräsidentin für technologische Souveränität, am Mittwoch. “Dabei haben wir in der EU alle Zutaten für Erfolg.”

Die Verschiebung dürfte in der Tech-Branche auf Erleichterung stoßen. Rechtsexperten von Morrison Foerster bewerteten den Schritt als überfällige Reaktion auf fehlende Implementierungsstandards. Kritiker könnten allerdings argumentieren: Setzt Brüssel hier Wirtschaftsinteressen vor Verbraucherschutz?

Drei Datengesetze werden eins – 5 Milliarden Euro Ersparnis

Der Omnibus geht aber weiter. Die Kommission plant, drei bestehende Datenvorschriften zu verschmelzen: den Data Governance Act, die Verordnung zum freien Datenverkehr und die Open-Data-Richtlinie sollen im Data Act aufgehen.

Das Ziel ist klar: Schluss mit Doppelregelungen, die Unternehmen Zeit und Geld kosten. Die prognostizierte Ersparnis bis 2029 liegt bei rund 5 Milliarden Euro. Für mittelständische Betriebe besonders relevant – sie erhalten Ausnahmen bei bestimmten Datenweitergabe-Pflichten und Cloud-Wechsel-Regeln.

Zusätzlich plant Brüssel eine Reform der Cookie-Richtlinie. Weniger nervige Zustimmungsabfragen für Nutzer, weniger technischer Aufwand für Website-Betreiber – die Details sollen in kommenden Legislativperioden ausgearbeitet werden.

KI im Gerichtssaal: Europas Justiz auf Digitalkurs

Einen Tag später, am Donnerstag, folgte das Digital Justice Package 2030. Während der Omnibus die Privatwirtschaft adressiert, nimmt dieses Paket die öffentliche Verwaltung ins Visier – konkret die Gerichtsbarkeit der 27 EU-Staaten.

Herzstück ist die “DigitalJustice@2030”-Strategie mit 14 konkreten Maßnahmen. Darunter: ein “European Legal Data Space” zum grenzüberschreitenden Austausch von Rechtsprechung und juristischen Daten. Die Idee dahinter? KI-gestützte Tools für Richter, Anwälte und Staatsanwälte entwickeln – trainiert mit europäischen Urteilen und Präzedenzfällen.

“Das ist nicht nur eine Investition in die Justiz, sondern auch in Europas Wettbewerbsfähigkeit”, betonte Michael McGrath, Kommissar für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, am Donnerstag. Die Botschaft scheint klar: Digitale Justiz ist keine Spielerei, sondern wirtschaftlicher Standortfaktor.

Cybersicherheit aus einer Hand

Ein weiterer Baustein: die Vereinheitlichung der Cybersicherheits-Meldepflichten. Bisher müssen Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren EU-Ländern Sicherheitsvorfälle an verschiedene Behörden melden – nach unterschiedlichen nationalen und europäischen Vorgaben.

Die neue “Single-Entry-Point”-Lösung soll das ändern. Eine zentrale Meldestelle statt Formular-Marathon in 27 Sprachen – was für international tätige Mittelständler eine erhebliche Entlastung bedeuten würde.

Parallel dazu treibt die Kommission European Business Wallets voran – digitale Identitäten für Unternehmen. Die Prognose: bis zu 150 Milliarden Euro jährliche Effizienzgewinne durch vereinfachte grenzüberschreitende Transaktionen und Verifizierungsprozesse.

Was kommt als Nächstes?

Die Vorschläge wandern nun ins Europäische Parlament und den Rat. Technische Verhandlungen dürften Anfang 2026 beginnen. Analysten rechnen mit breiter Zustimmung für die KI-Act-Verschiebung – zu groß ist der Druck aus der Industrie.

Die Mitgliedsstaaten sollen die DigitalJustice-Empfehlungen sofort umsetzen. Der European Legal Data Space soll ab 2026 erste operative Meilensteine erreichen. Ob das gelingt? Deutschland, bekannt für Faxgeräte in Behörden, dürfte vor besonderen Herausforderungen stehen.

Am Freitag war in Brüssel jedenfalls ein Kurswechsel spürbar: weg von immer neuen Vorschriften, hin zu praktikabler Regulierung. “Wir bauen ein Justizsystem, das auf die Herausforderungen von morgen vorbereitet ist”, resümierte McGrath.

Bleibt die Frage: Ist die Verzögerung bei Hochrisiko-KI ein pragmatischer Kompromiss – oder ein Einknicken vor Wirtschaftslobbyisten? Die Antwort wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn Parlament und Rat über die Details verhandeln.

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