Digital-Omnibus, Kahlschlag

Digital-Omnibus: EU plant radikalen Kahlschlag beim Datenschutz

19.11.2025 - 05:19:11

Die EU-Kommission legt heute ein explosives Reformpaket vor, das die europäische Digitalregulierung auf den Kopf stellen könnte. Unter dem harmlos klingenden Namen „Digital-Omnibus” verbirgt sich ein massiver Umbau: Vom Datenschutz über KI-Regeln bis zur Cybersicherheit soll alles „vereinfacht” werden. Doch was die Wirtschaft jubeln lässt, schreckt Bürgerrechtler auf – sie sprechen vom „größten Rückschritt bei digitalen Grundrechten in der EU-Geschichte”.

Vizepräsidentin Henna Virkkunen verspricht weniger Bürokratie, mehr Innovation. Kleine und mittlere Unternehmen sollen befreit, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Doch bereits vor der offiziellen Präsentation tobt ein Kampf: 127 Organisationen, Gewerkschaften und Datenschützer mobilisieren gegen das Vorhaben. Der Vorwurf: Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus werden fundamentale Schutzrechte geschleift.

Das Reformpaket nimmt die Kronjuwelen europäischer Digitalregulierung ins Visier: die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), das brandneue KI-Gesetz, das Datengesetz und Cybersicherheitsvorschriften. Die Kommission beruft sich auf Mario Draghis Wettbewerbsbericht – Europa drohe technologisch abgehängt zu werden, gerade bei Künstlicher Intelligenz. Schuld daran sei auch die DSGVO, die Unternehmen den Zugriff auf Daten für KI-Training erschwere.

Anzeige

Passend zum Thema KI-Regulierung: Die EU-KI-Verordnung bringt klare Pflichten, Risikoklassen und Übergangsfristen, die für Entwickler, Anbieter und Nutzer schnell entscheidend werden können — zumal sich Zeitpläne und Anforderungen laufend ändern. Unser kostenloser Umsetzungsleitfaden fasst kompakt zusammen, welche Kennzeichnungspflichten, Dokumentationsanforderungen und Fristen jetzt gelten und welche Schritte Sie sofort einleiten sollten, um rechtliche Risiken zu minimieren. KI-Umsetzungsleitfaden jetzt herunterladen

Die durchgesickerten Details lassen Datenschützer aufschrecken: Beim KI-Gesetz soll die Regulierung „hochriskanter” Systeme – etwa bei Bewerbungen oder Kreditentscheidungen – massiv gelockert werden. Statt August 2026 würden die Regeln erst Dezember 2027 greifen. Noch brisanter: Die Prüfung durch staatliche Behörden könnte durch bloße Selbstbewertung der Unternehmen ersetzt werden. Eine klassische Bock-zum-Gärtner-Konstellation?

Bei der DSGVO droht Ähnliches. Sensible Daten wie politische Meinungen oder Gesundheitsinformationen könnten leichter für KI-Training verwendet werden. Pseudonymisierte Daten würden womöglich ganz aus dem Schutzbereich fallen. Selbst die lästigen Cookie-Banner könnten Geschichte werden – allerdings nicht zugunsten der Nutzer, sondern der Datensammler.

Beispiellose Allianz gegen die Pläne

Der Widerstand formiert sich quer durch die Zivilgesellschaft. 127 Organisationen haben sich zusammengeschlossen – von Verbraucherschützern über Gewerkschaften bis zu digitalen Bürgerrechtlern. Ihr Vorwurf: Die Kommission betreibe einen „verdeckten Angriff” auf digitale Grundrechte.

Max Schrems, der österreichische Datenschutzaktivist, der bereits Facebook in die Knie zwang, findet drastische Worte: Dies sei der größte Rückschritt für digitale Grundrechte in der EU-Geschichte. Der Prozess sei überstürzt, intransparent und demokratisch nicht legitimiert.

Verbraucherschützer warnen vor einem gefährlichen Trugschluss: Vereinfachung dürfe nicht mit Deregulierung verwechselt werden. Datenschutz könne nicht von der Unternehmensgröße abhängen – auch ein Startup könne hochsensible Daten verarbeiten und Schaden anrichten.

Kampf um Europas digitale Identität

Hinter den technischen Details verbirgt sich ein grundsätzlicher Richtungsstreit: Welche Rolle soll Europa in der digitalen Welt spielen? Deutschland und Frankreich treiben die Reform voran, getrieben von der Angst vor technologischen Bedeutungsverlust. Sie versprechen „Milliarden-Einsparungen” und einen Innovationsschub.

Auf der Gegenseite steht das Selbstverständnis der EU als globale Vorreiterin beim Schutz digitaler Grundrechte. Soll dieser Status jetzt auf dem Altar der Wettbewerbsfähikeit geopfert werden? Nicht zu unterschätzen ist auch der transatlantische Druck: Die USA drängen seit Jahren auf eine Lockerung europäischer Digitalregeln.

Die Ironie der Geschichte: Gerade als andere Weltregionen begannen, europäische Standards wie die DSGVO zu kopieren, zweifelt die EU selbst an ihrem Modell.

Langer Kampf steht bevor

Mit der heutigen Vorstellung beginnt erst der Marathon durch die EU-Institutionen. Parlament und Mitgliedstaaten müssen zustimmen – bei dieser Konfliktlinie ein Prozess, der Jahre dauern kann. Die Fronten sind verhärtet, der Widerstand formidabel organisiert.

Wie stark wird das finale Gesetz vom heutigen Entwurf abweichen? Die Kommission plant zusätzlich einen „digitalen Fitness-Check” bestehender Regeln – möglicherweise der Auftakt zu weiteren Vereinfachungsrunden. Die entscheidende Schlacht um die Balance zwischen Wirtschaftsinteressen und Grundrechten im digitalen Zeitalter hat gerade erst begonnen.

Anzeige

PS: Unternehmer, Entwickler und Compliance-Verantwortliche, die jetzt Klarheit brauchen: Das kostenlose E‑Book zur EU-KI-Verordnung erklärt praxisnah, wie Sie KI-Systeme richtig klassifizieren, welche Dokumentationen Prüfer verlangen und welche Übergangsfristen Sie beachten müssen. Mit konkreten Checklisten und Handlungsschritten hilft der Leitfaden, rechtliche Unsicherheiten zu reduzieren und Umsetzungspläne zu erstellen. Jetzt KI-Leitfaden und Checklisten sichern

@ boerse-global.de