Digital Omnibus: EU gibt HR-Abteilungen mehr Zeit für KI-Compliance
25.12.2025 - 12:00:12Die EU-Kommission schlägt vor, die Frist für die Zertifizierung hochriskanter KI-Systeme im Personalwesen bis Ende 2027 zu verschieben. Doch Entwarnung ist das nicht – denn Transparenzregeln und klare Verbote gelten bereits heute.
Berlin/Brüssel – Ein neuer Gesetzesvorschlag aus Brüssel verändert den Zeitplan für Künstliche Intelligenz in deutschen Personalabteilungen grundlegend. Der sogenannte „Digital Omnibus“ der EU-Kommission sieht vor, die Frist für die vollständige Compliance hochriskanter KI-Systeme – darunter viele Tools für Recruiting und Personalführung – vom August 2026 auf den 2. Dezember 2027 zu verschieben. Diese Atempause für die Wirtschaft ist jedoch trügerisch: Während der Druck bei der Zertifizierung nachlässt, müssen HR-Verantwortliche bereits jetzt strenge Transparenzpflichten einhalten und klare Verbote beachten.
Der Kern des Vorschlags, über den Fachkreise seit Tagen diskutieren, ist eine Verschiebung der Deadline. Ursprünglich sollten die Regeln für in Anhang III der KI-Verordnung gelistete Hochrisiko-Systeme, zu denen explizit Werkzeuge für Personalauswahl, Arbeitskräfte-Management und Zugang zur Selbstständigkeit zählen, im August 2026 voll greifen. Nun peilt die Kommission Ende 2027 an.
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Hintergrund sind laut Berichten von Compliance Week vom 24. Dezember industriebedingte Bedenken zum regulatorischen Tempo. Die Verlängerung soll Normungsgremien mehr Zeit geben, die technischen Standards für die Zertifizierung fertigzustellen. Für HR-Abteilungen bedeutet das: Der akute Druck, Konformitätsbewertungen bis zum nächsten Sommer abzuschließen, lässt nach. Es beginnt jedoch eine neue Phase der „transitionalen Compliance“, in der eine freiwillige Ausrichtung erwartet wird.
Die Kommission erhofft sich dadurch Einsparungen von rund fünf Milliarden Euro an Verwaltungskosten für europäische Unternehmen bis 2029. Wichtig ist die Einschränkung: Die Lockerung betrifft nur „Hochrisiko“-Systeme. Die Regeln für Generelle KI-Modelle (GPAI) – die Basistechnologie vieler KI-Assistenten und Chatbots – bleiben unverändert und sind seit August 2025 anwendbar.
Transparenz jetzt: KI muss sich als Maschine zu erkennen geben
Während sich die Frist für Risikobewertungen im Hintergrund verschiebt, laufen die Regeln für die Interaktion von KI mit Menschen bereits auf Hochtouren. Am 17. Dezember veröffentlichte die Kommission den ersten Entwurf eines Verhaltenskodex zur Transparenz KI-generierter Inhalte. Dieses Dokument ist entscheidend für jede Personalabteilung, die KI-Agenten einsetzt – sei es als Chatbot, virtueller Interviewer oder automatisierter Support-Assistent.
Für „KI-Agenten“ im HR-Bereich ist Transparenz nicht verhandelbar. Gemäß den bereits geltenden Transparenzpflichten der KI-Verordnung (Artikel 50) müssen Systeme, die mit Menschen interagieren, klar als Maschine erkennbar sein. Der neue Verhaltenskodex liefert die technische Anleitung dafür.
HR-Verantwortliche müssen sicherstellen, dass jeder KI-Agent im Bewerberprozess oder Mitarbeiterportal:
1. Seine nicht-menschliche Natur zu Beginn jeder Interaktion offenlegt.
2. Synthetische Inhalte wie KI-generierte Stellenbeschreibungen maschinenlesbar kennzeichnet.
3. Eine „Mensch-im-Kreislauf“-Option bietet, besonders bei Entscheidungen, die den Beschäftigungsstatus betreffen.
Rechtsexperten von Simmons & Simmons betonen, dass dieser Kodex „Transparenz, Vertrauen und Rechenschaftspflicht stärken“ soll. Für das Personalwesen heißt das: Auch wenn die Zertifizierung hochriskanter Systeme später kommt, gelten die Anforderungen an die Benutzeroberfläche schon heute. Ein KI-Interviewer, der einem Kandidaten heute nicht seine Identität offenlegt, verstößt bereits gegen das Gesetz.
Entlastung für den Mittelstand und HR-Tech-Anbieter
Ein wesentlicher Teil des „Digital Omnibus“ zielt auf die Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ab, die einen großen Teil des innovativen HR-Tech-Markts ausmachen. Die Kommission plant laut Compliance Week, „einige technische Dokumentationsanforderungen für KMU zu streichen“ und den Einsatz regulatorischer Sandboxen zu fördern.
Das ist eine wichtige Nachricht für Personalabteilungen, die auf Software von Drittanbietern setzen. Bislang hatten viele kleinere HR-Tech-Anbieter mit dem umfangreichen Dokumentationsaufwand für die „Hochrisiko“-Einstufung zu kämpfen. Die vorgeschlagene Vereinfachung könnte eine Marktkonsolidierung verhindern, bei der nur große Tech-Giganten sich konforme KI-Tools leisten könnten.
Diese Vereinfachung verlagert jedoch eine neue Verantwortung auf die HR-Einkäufer. Personalverantwortliche können nicht einfach davon ausgehen, dass ihr Anbieter konform ist. Sie müssen jetzt aktiv nachfragen:
* Nutzt der Anbieter die neuen KMU-Erleichterungen?
* Erfüllt das Tool die aktuellen Transparenzregeln – unabhängig von der Hochrisiko-Verschiebung?
* Hat sich der Anbieter bereits freiwillig den Verpflichtungen des „KI-Pakts“ unterworfen?
Klare Verbote: Was schon heute absolut tabu ist
Trotz der Schlagzeilen über Fristverschiebungen gelten seit dem 2. Februar 2025 bereits spezifische „rote Linien“ der KI-Verordnung. Das „Digital Omnibus“-Paket macht verbotene Praktiken nicht rückwirkend legal.
In der Personalarbeit strengstens verboten (seit Feb. 2025):
* Emotionserkennung: KI-Systeme, die am Arbeitsplatz den emotionalen Zustand von Mitarbeitern oder Bewerbern ableiten sollen, sind tabu. Jeder „KI-Agent“, der behauptet, „Begeisterung“ oder „Ehrlichkeit“ anhand von Gesichtsausdrücken zu analysieren, ist illegal.
* Social Scoring: Systeme, die Vertrauenswürdigkeit auf Basis von Sozialverhalten oder vorhergesagten Persönlichkeitsmerkmalen bewerten, sind verboten.
Zudem sind bereits heute die KI-Kompetenzpflichten (Artikel 4) in Kraft. Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, sicherzustellen, dass Mitarbeiter, die KI-Systeme bedienen, über ausreichende Kenntnisse verfügen. Die vorgeschlagene Verschiebung für Hochrisiko-Systeme hebt die Verpflichtung nicht auf, HR-Mitarbeiter für die Tools zu schulen, die sie bereits jetzt einsetzen.
Ausblick: Der Weg bis Ende 2027
Der „Digital Omnibus“-Vorschlag soll Anfang 2026 im Europäischen Parlament und Rat beschleunigt behandelt werden, um vor der ursprünglichen August-2026-Frist Rechtssicherheit zu schaffen.
Für die unmittelbare Zukunft (erstes Quartal 2026) sollten sich HR-Verantwortliche auf drei Punkte konzentrieren:
1. Bestandsaufnahme: Alle eingesetzten „KI-Agenten“ und automatisierten Entscheidungstools erfassen und als „Hochrisiko“ (z.B. Recruiting) oder „Begrenztes Risiko“ (z.B. Chatbots) kategorisieren.
2. Anbieter-Gespräche: Die Neuigkeiten zum „Digital Omnibus“ nutzen, um Vertragsgespräche mit Anbietern über Haftung und Compliance-Zeitpläne wiederaufzunehmen.
3. Transparenz-Check: Alle bewerberorientierten Schnittstellen sofort auf Konformität mit dem neuen Verhaltenskodex prüfen.
Die Botschaft für 2026 ist klar: Die EU zeigt sich kompromissbereit, um Innovation zu schützen. Das Ziel bleibt jedoch unverändert: eine Arbeitswelt, in der KI-Assistenten hilfreich, transparent und letztlich unter menschlicher Kontrolle sind.
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